Benjamin Laabmayr, der für das Vorsitzteam der Hufak – der HochschülerInnenschaft der Angewandten – spricht, bestätigt, dass es „einen berechtigten Aufschrei gab, als der lang bestehende psychosoziale Dienst ohne Vorankündigung oder Zwischenlösung von der Rektorin gestrichen wurde“. Für Studierende, die sich in einer Therapiesituation befanden, sei dies „ein Schock“ gewesen. Die Streichung der Betreuung sei jedoch durch laute Gegenstimmen aus dem Haus – von ProfessorInnen bis Studierenden (und auch aus den Reihen des Rektorats) – revidiert und das therapeutische Personal „bis Ende September verlängert“ worden. „Das Zurückrudern der Rektorin wird von uns begrüßt“, sagt Laabmayr. Die Erstellung eines „neuen Betreuungskonzepts" sei nun angekündigt. Gespräche dazu soll es im September geben, „uns wurde versichert, dass ein neues (Übergangs)Konzept ab 1.10. in Kraft treten wird, in dessen Entstehung wir einbezogen werden." Bis dato allerdings habe es diesbezüglich noch keine Rückmeldung vom Rektorat gegeben. "Gediehen ist also bisher, sofern wir wissen, noch gar nichts", schließt Laabmayr. "Und falls doch, war die Hufak nicht involviert."
Gespräche mit dem Rektorat? Geduld!
Die Pressesprecherin der Angewandten, Andrea Danmayr, verließ mit Ende August das Haus. In ihrer Abschiedsaussendung vor fast vier Wochen heißt es: „Wer künftig für die Bereichsleitung Presse & Kommunikation an der Angewandten verantwortlich sein wird, steht noch nicht fest. Ich gehe davon aus, dass die Person sich bei Ihnen und euch melden und Kontakt herstellen wird.“ Dies ist, obwohl das Wintersemester in wenigen Tagen beginnen wird, nicht passiert. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses hat die Pressestelle der Angewandten mit Roswitha Janowski-Fritsch lediglich eine „interimistische Leitung“. Man sei „gerade im Bewerbungsverfahren“, sagt Janowski-Fritsch, „und ich bin optimistisch, dass wir spätestens im Oktober die neue Leitung des Bereichs bekannt geben können.“
Vizerektor Clemens Apprich, eine zentrale, auch vielkritisierte Schaltstelle im Haus, beantwortet die Interviewanfrage des profil nur mit dem Hinweis, er arbeite an einem „Vorbereitungsworkshop zur Lehre“ und bitte darum, sich doch an die Presseabteilung der Universität zu wenden. Dort stellt man zwar ein persönliches Gespräch mit Petra Schaper Rinkel in Aussicht, bei dem sie „detaillierte Einblicke in die Strategie, aktuelle Projekte, notwendige Veränderungen sowie relevante Hintergrundinformationen geben“ werde. Wegen dringlicher Gespräche mit dem Senat bitte man jedoch „um etwas Geduld“ – bis zur „übernächsten Woche“.
Jene Fragen, die profil an die Pressestelle richtete, blieben weitgehend unbeantwortet: In einem E-Mail hielt das Rektorat lediglich fest, dass man das Angebot psychosozialer Beratung erweitern und professionalisieren wolle, dass man „regelmäßige, sehr konstruktive Treffen“ mit der Hufak habe, dass in Konfliktfällen „ein Angebot von Mediation“ in Form einer Vertrauensstelle vorhanden sei – und dass man anonyme Gruppen Studierender auf Instagram für „intransparent und undemokratisch“ halte. Ab Herbst wolle man „neue Formate für eine transparente interne Kommunikation entwickeln“. Die Rektorin persönlich ergänzt, dass es an der Angewandten über Institutsvorstände und Betriebsräte vielfältige Ansprechmöglichkeiten gebe. „Hier werden wichtige Anliegen verhandelt – und nicht über die Presse, wie das jetzt einzelne getan haben.“
Die primäre Krisenstrategie dieser Tage scheint weiterhin im Schweigen und Verzögern zu liegen. Auch zwischen Rektorat und Vizerektorat dürfte es schwerwiegende Kommunikationsprobleme geben. An der Angewandten über Jahre mit Professuren betraute Menschen berichten profil von anhaltenden Intrigen und Lügen auch im engsten Umfeld der Rektorin, bisweilen sogar ohne das Wissen der Chefin. Dies zeige, sagen die Leidtragenden solcher Manöver und Doppelspiele, „den Geist der Raubritterei an der Angewandten bei jenen, die sich auf Grund der Führungsschwäche der Rektorin mächtig wähnen.“
Lehrende berichten zudem von „schweren Verwerfungen“ auch im Bereich der Digitalen Kunst; diese Missstände würden dem Rektorat von MitarbeiterInnen, Studierenden und dem Betriebsrat seit längerem kundgetan – ohne jede Konsequenz.
Respektlosigkeit en gros
Und die Geringschätzung verdienter MitarbeiterInnen ist manifest. Der Chemiker und Filmemacher Alfred Vendl war 43 Jahre lang als ordentlicher Universitätsprofessor und durchgehend in Führungspositionen an der Angewandten tätig, darunter auch zwei Jahre lang im Rektorat mit Wilhelm Holzbauer. Nach seiner Emeritierung 2014 hat er an der Angewandten Techniken der Kombination von Elektronenmikroskopie mit 3D-Animation im Rahmen eines speziellen Labors entwickelt. Hohe internationale Auszeichnungen folgten. Schaper Rinkel habe ihm im Februar 2024 zur Begrüßung mitgeteilt, dass sie seine Lehrtätigkeit (Vendl arbeitete als geringfügig Beschäftigter mit zwei bezahlten Wochenstunden) keinesfalls verlängern werde – „ohne Begründung und ohne jegliches Interesse an meinem bisherigen Schaffen“.
Eine „respektlosere Vorgangsweise“ könne er sich nicht vorstellen, erzählt Vendl nun im profil-Gespräch: „kein auch nur kleines Dankeschön für meinen weit über meine bezahlte Verpflichtung hinausgehenden 43-jährigen Beitrag“, der zuletzt quasi gratis in Aufbau und Leitung eines inzwischen international bestens integrierten Science Visualization Lab bestand. „Ob ich weitere Ideen für künftige internationale Projekte der Angewandten hätte, wurde ich nicht gefragt.“ Er habe seinen Schreibtisch umgehend räumen müssen, halte seine Dissertantengespräche nun im Café ab. „Die Gefahr, dass an der Angewandten all das, was in den letzten beiden Jahrzehnten an Konsolidierung und Erweiterung erreicht wurde, nun ruckzuck zertrümmert werden könnte, erscheint real."
Das Verhalten der Rektorin sei für ihn ein klares Signal gewesen, dass ihr jede Wertschätzung für Leistungen, die vor ihrer Amtsübernahme erarbeitet wurden, völlig fehle.
„Bewusst falsch und irreführend"
Von mangelnder Wertschätzung kann auch Manfred Nowak ein Lied singen. Er führt einen Kampf gegen die Abschaffung seines Lebenswerks. 2012 hat er an der Uni Wien einen interdisziplinären Menschenrechts-Master initiiert, diesen seither geleitet und ab 2021 an der Angewandten einen neuen Master of Arts in Applied Human Rights etabliert: einen aus Studiengebühren selbstfinanzierten Lehrgang, der Kunst und Menschenrechte verbindet, der erste seiner Art weltweit. Der Rektorin aber war er ein Dorn im Auge, sie setzte alles daran, ihn abzuwürgen. „Es gab über Monate keine Chance, ein Gespräch mit ihr zu kriegen, man wurde hingehalten, weder Mails noch Konzepte wurden gelesen. Schaper Rinkel lehnt gar nicht ab, unsere Arbeit und unser Team kennenzulernen. Sie antwortet einfach nicht.“
Es gebe keinen Platz für ein rein rechtswissenschaftliches Studium im normalen Curriculum: Dies wurde aus dem Rektorat unlängst bewusst falsch und irreführend verlautbart, „um der Öffentlichkeit zu suggerieren, da werde etwas ganz Unpassendes mit Steuergeldern finanziert“, meint Nowak. „Wir waren aber immer, schon an der Uni Wien, interdisziplinär. Und durch Studiengebühren und Stipendien, die wir selbst aufstellten, finanziell gedeckt. Wir haben kaum Juristen als Studierende oder Unterrichtende, viel mehr Leute aus den Sozialwissenschaften und der Kunst.“
Nun könne natürlich jede Führungskraft neue Akzente setzen, "aber das sollte man transparent und gemeinsam mit den direkt Betroffenen machen. Wir hatten keinerlei Möglichkeit, uns gegen ihre Maßnahmen oder die von ihr gestreuten falschen Gerüchte zu wehren. Das dreiköpfige Vizerektorat und sie schafften es nicht, mit uns ein Gespräch zu führen. Bis heute nicht. Man muss laut Gesetz Gründe für die Auflösung eines laufenden Masters angeben. Also reichten wir Aufsichtsbeschwerde ein. Doch das Ministerium fand keinen Grund für die Einleitung eines aufsichtsbehördlichen Verfahrens. Unsere rechtlichen Möglichkeiten sind damit ausgeschöpft.“
Und Nowak erzählt noch eine andere, vielsagende Geschichte: Jedes Jahr Anfang Oktober feiere sein Lehrgang eine eigene graduation ceremony, die traditionell in der Kassenhalle der einstigen Postsparkasse stattfindet, wo sich auch Nowaks Büro befindet. „Plötzlich erreichte uns im Sommer die Meldung, dass die Rektorin für diesen einen Nachmittag 6000 Euro kassieren wolle – als wären wir Externe, kein Master der Universität. Diese teure Einmietung können wir uns aber nicht leisten. Wir haben Schaper Rinkel gebeten, davon Abstand zu nehmen. Das hat sie nicht getan. Wir haben nun einen anderen Raum für die Zeremonie an der Uni gefunden.“
Auch Nowak spricht von einem „Regime der Angst“, die Leute fürchteten sich vor Schaper Rinkel, weil sie auch hochrangige Menschen einfach entlasse. „Und viele werden ja nicht gefeuert, sondern gehen, weil sie es nicht mehr aushalten. Ich bekomme ständig Anfragen und Hinweise von Leuten, die uns als Juristen und Menschenrechtler kontaktieren, es aber nicht wagen, an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Leute haben Angst vor Budgetentzug oder davor, gefeuert zu werden. In einem Klima der Angst kann man aber keine Universität führen.“
Alle Rückschläge haben Nowaks Zuversicht, der im Bereich der Cross-Disciplinary Strategies weiter an der Angewandten unterrichten wird, nicht zerstört: „Wir verschieben um ein Jahr, versuchen den Master ab Herbst 2025 weiterzuführen, halten einstweilen den Schaden so klein wie möglich; wir haben Anzahlungen und teilweise auch angefallene Unkosten an all jene, die bei uns ab sofort studieren wollten, refundiert.“
Die Frage, wer die Rektorin zur Räson bringen oder freistellen könnte, beantwortet Nowak so: „Die Verantwortung liegt primär beim Senat und beim Universitätsrat, der Schaper Rinkel bestellt hat. Er hat die Aufsichtspflicht und die rechtliche Möglichkeit, sie bei Vertrauensverlust abzuberufen. Und das Vertrauen in die Führungsqualitäten der Rektorin ist bei sehr, sehr vielen MitarbeiterInnen zerstört.“