Sie planten aber zunächst ein Gerichtssaaldrama, oder?
Franz
Ja, weil uns diese immens detaillierten, auch sehr psychologischen Verhörprotokolle so nahe gegangen sind. Da ging es um Bäuerinnen aus dem 18. Jahrhundert, um deren Ängste und Sehnsüchte. Aus jener Zeit kennt man sonst nur die Geschichten der Reichen und Schönen, der Adeligen und Künstler. Aber plötzlich sprach da eine Frau aus dem 18. Jahrhundert zu uns – weil sie eine Gewalttat begangen hatte. Das warf viele Klischees über den Haufen.
Fiala
Im Film dieses beklemmende Frage-Antwort-Spiel abzubilden, war das Nächstliegende. Aber es funktionierte nicht. Es wäre ein relativ uninteressanter Gerichtssaalfilm geworden.
Franz
Unsere Protagonistin war eben ein sehr melancholischer Mensch, wir brauchten daher Szenen und Bilder zur Illustration ihres Innenlebens, für die spirituelle Ebene. Wir brauchten das Filmische.
Fiala
Wir suchten also nach Wegen, all das, was uns an den Protokollen so berührt hatte, in Filmbilder zu übersetzen.
Die dokumentierten Fälle, die Sie filmisch bearbeiteten, stammen aus den 1750er-Jahren?
Franz
Das ganze Phänomen hat über einen Zeitraum von etwa 100 Jahren stattgefunden, nach dem Ende der Hexenprozesse. Davor konnten Sterbewillige, die sich nicht umzubringen wagten, noch behaupten, sie sei Hexen und wurden schnell hingerichtet.
Fiala
Aber zu Beginn der Aufklärung wurde das abgeschafft, nur war diese im ländlichen Raum noch nicht wirklich verbreitet. Der Aberglaube war dort noch nicht ausgerottet. Da prallten viele Dinge aufeinander.
Franz
Wir wollten in Oberösterreich drehen, aber dort sind leider die meisten Häuser sehr schön renoviert. Dann fanden wir unser Hauptmotiv, dieses steinerne Haus, nahe der Grenze zwischen dem Waldviertel und Tschechien. Es war einst vielleicht eine Glasbläserhütte oder ein Eisstoßhaus. Innen mussten wir aber alles komplett neu bauen.
Sie drehen Ihre Filme grundsätzlich auf 35mm-Material? Macht es dies nicht noch schwieriger?
Fiala
Es zwingt einen, viele Entscheidungen sehr früh zu treffen. Man ist einfach disziplinierter. Und Film bringt einen gewissen, für uns sehr passenden Look mit.
Franz
Vor allem bei Feuer kann man sehen, ob analog gedreht wurde. Und uns war klar, dass wir viel mit Kerzen, Fackeln und Feuerstellen arbeiten würden.
Die Dialoge in „Des Teufels Bad“ sind improvisiert. Die Autonomie Ihres Ensembles ist Ihnen wichtig?
Franz
Wir gaben nie Dialoge vor, wollten ja auch im Dialekt drehen. Die Beichtszene etwa, ein Höhepunkt unseres Films, hat sich Anja Plaschg, auf Basis unserer Vorgaben und der Verhörprotokolle, selbst erarbeitet. Wir wussten, als wir die Kamera in Gang setzten, tatsächlich nicht, wann genau sie was beichten würde.
Fiala
Wir setzen auf dieses gegenseitige Vertrauen. Es braucht keine gelernten Drehbuchsätze. Und für einen Performer wie David Scheid ist das Improvisieren sowieso kein Problem. Auch Maria Hofstätter ist, nach so vielen Theaterarbeiten und Ulrich-Seidl-Filmen, längst ein Impro-Profi. Wir wollten einfach möglichst viel möglichst echt und „normal“ aussehen lassen. Das ist die Lektion, die auch Andrei Tarkowski in seinem Film „Andrej Rubljow“ (1966) vermittelte: Da ist nicht alles historisch superkorrekt, aber es fühlt sich absolut echt an.
Franz
Wir wollten, dass die Enge der Welt und die Härte der Arbeit körperlich nachzuempfinden ist.
Sie beide sind inzwischen bekannt als Horrorstilisten, aber im Fall Ihres neuen Films legten Sie Wert auf Abgrenzung vom Horrorfilm.
Franz
Labels sind uns eigentlich egal, unser Film sollte bestenfalls in keine Schublade passen. Nur so kann Neues entstehen.
Fiala
Die Tatsache, dass sich unser Film den Kategorien Historiendrama und Horrorfilm entzieht, macht ihn ein bisschen schmerzhafter. Man kriegt keine vorkonfektionierte Ware. Wir folgen keinen Genre-Spielregeln, sind so unberechenbarer.
Wie funktioniert die Arbeitsaufteilung in einem Duo, das gemeinsam Regie und Drehbuch verantwortet?
Franz
Wir machen tatsächlich alles zusammen, sind wirkliche Team-Menschen. Beispielsweise haben nur Ideen, die uns beiden gefallen, die Chance, auch ins Drehbuch zu kommen.
Wie entstand die horrible Szene, in der einem neunjährigen Buben Gewalt angetan wird?
Franz
Es gab natürlich medienpädagogische Betreuung, alles lief völlig transparent ab, auch im Beisein des Vaters. Elias spielte das einfach großartig, deshalb wirkt die Szene so fürchterlich. Wir haben uns sehr sorgfältig auf sie vorbereitet. Aber wenn man Gewalt zeigt, darf man sie nicht beschönigen, daran glauben wir fest. Wir verherrlichen sie ja eben nicht, ganz im Gegenteil. Wenn man an vorherrschenden Verhältnissen etwas ändern will, muss man sich damit auseinandersetzen, das ist der einzige Weg, um die Dinge zu verbessern. Man muss hinschauen, nicht wegschauen.
Veronika Franz, 58, und Severin Fiala, 39,
haben sich mit dem Horrorfilm „Ich seh Ich seh“, ihrem Spielfilmdebüt, 2014 als etabliert. Das Depressions-Historiendrama „Des Teufels Bad“ ist ihre bislang teuerste Produktion. Längst sind sie auch international unterwegs: Als nächstes werden sie in den USA den von Robert Downey jr. produzierten Schizophrenie- und Medien-Thriller „A Head Full of Ghosts“ inszenieren.