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Interview

Glattauer: „Ein Autorenleben ist auch nicht mehr das, was es einmal war“

Der Wiener Bestsellerautor Daniel Glattauer meldet sich zehn Jahre nach seinem letzten Roman mit einem gewagten Buch zurück. In „Die spürst du nicht“ kritisiert er Österreichs migrationsfeindliche Politik und die Behandlung Geflüchteter als Personen zweiter Klasse.

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Daniel Glattauer ist auch knapp zehn Jahre nach seinem letzten Roman („Geschenkt“) einer der erfolgreichsten Gegenwartsautoren Österreichs, weit vor Robert Schneider („Schlafes Bruder“) und Christoph Ransmayr („Die letzte Welt“). Glattauer hat über viereinhalb Millionen Bücher verkauft. An einem sonnigen Donnerstagnachmittag meldet sich Glattauer im Wiener Vorstadtgasthaus Mader als Autor zurück. Sein neuer Roman „Die spürst du nicht“ erzählt die Geschichte einer Katastrophe: Die Familien Binder und Strobl-Marinek machen gemeinsam Urlaub in der Toskana. Das Flüchtlingsmädchen Aayana aus Somalia, das als Maßnahme gegen die Langeweile der mitreisenden Tochter der Marineks mitfahren durfte, verunglückt tödlich im Swimmingpool. „Die spürst du nicht“ fächert das Nächstliegende mit viel Empathie und jenseits verkopfter Debatten auf: Wer trägt die Schuld an dem Unglück? Ein Einzelner – oder wir alle? Wie reagieren darauf Menschen, die in Online-Foren Hass und Hetze verbreiten? 

Herr Glattauer, vom deutschen Opernregisseur Hans Neuenfels stammt der Satz: „Geh ins Klo und spül dich runter!“ Kommen Ihnen manchmal ähnliche Gedanken beim Lesen bestimmter Online-Foren?
Glattauer
Ich kenne vor allem die Postings auf standard.at. Manchmal kommt es mir beim Lesen der Beiträge so vor, als hätte man Zahnschmerzen, wobei man ohne Unterlass mit der Zunge an dem wehen Zahn rüttelt, um die Tortur zusätzlich zu steigern. Man kann einfach nicht aufhören. Man muss den Schmerz bedienen. 
Ist der Schmerzpegel überall gleich hoch?
Glattauer
In den Sport-Foren herrscht oft gute Stimmung. Dort geht es immer wieder mal lustig zu.
Welche Abteilung ruft bei Ihnen dagegen blankes Entsetzen wach?
Glattauer
Grauslich wird es, sobald es um Ausländerinnen und Ausländer geht. Unfassbar, wie Menschen denken und schreiben können! Ich ärgere mich jedes Mal grün und blau, dass sich die Hetzer feige hinter ihrer Anonymität verstecken, anstatt sich mit Klarnamen zu dem Gift zu bekennen, das sie versprühen. Das Online-Kesseltreiben wird von bestimmten Gruppen dazu benützt, gegen Migranten Stimmung zu machen. 
Es geht vor allem darum, sich gegenseitig zu überbrüllen.
Glattauer
Von Peter Handke stammt der Satz: „Ich hasse Meinungen.“ Da ist was dran. Im Netz setzt es jede Sekunde des Tages: Meinungen, Meinungen, Meinungen. Es geht dabei um Machtpolitik, bei der jede noch so haarsträubende Meinung zum dominanten Standpunkt avancieren kann. Einst giftete man im Wirtshaus herum: „Laut darf man das ja nicht sagen. Ich sag’s trotzdem!“ Inzwischen kann man all das jederzeit lesen.   
Der Stammtisch scheint im Vergleich zu vielen Online-Foren ein fast folkloristischer Ort zu sein. 
Glattauer
Es macht einen Unterschied, ob man sich mit Menschen unterhält – oder verschanzt in seiner Isolation auf Gelegenheit lauert, auf irgendetwas aufzuspringen. Noch jeder Hater hat online seine Interessensgenossen gefunden, die sich in der Verachtung für alle anderen solidarisieren.  
Alle Welt redet von Hassmails, kaum jemand von Liebesmails. Was läuft da schief?
Glattauer
Alles wandelt sich. Diese gruselige Lust, Negatives und Hass zu verbreiten, ist langsam eingesickert. Die negativen Stimmen sind inzwischen in der Mehrzahl. Die Netten halten sich längst zurück und überlassen jenen das Feld, die anonym mit Scheiße um sich werfen. Wem gehört das Forum? Mit wem teilt man es sich? Das sind die entscheidenden Fragen. 
„Wir sind schon eine kranke Gesellschaft“, stellt eine der Figuren in „Die spürst du nicht“ fest. Sind wir auch eine hysterische Gesellschaft?
Glattauer
Es spitzt sich zeitweilig in diese Richtung zu. Viele Konflikte werden in aller Öffentlichkeit in Kampfatmosphäre ausgetragen. Der Begriff „Hysterie“ scheint nicht ganz verkehrt zu sein. 

Daniel Glattauer: Die spürst du nicht.

Zsolnay, 303 S., EUR 25,70

Vor knapp zehn Jahren erschien profil mit einer Titelstory über Glattauer: „Kürzlich besuchte Daniel Glattauer in Kopenhagen das ‚Noma‘, eines der besten und teuersten Restaurants der Welt“, war damals zu lesen: „Er orderte ein Gericht mit schwarzen Tupfen obenauf. Die Punkte im Essen waren Ameisen zum Würzen und Verfeinern. Die Rechnung war exorbitant hoch. Er habe sich das halt mal geleistet, vertraute der Schriftsteller später einer Freundin an: Das Essen sei absurd teuer und ‚eh ganz gut‘ gewesen. ‚Man sah es seinem Gesicht aber an, dass ihm ein Schnitzel im Wirtshaus ums Eck genauso recht gewesen wäre‘, so die Vertraute. Die Episode erzählt viel über den Bestsellerautor.“

Früher war definitiv nicht alles besser. War es gemütlicher?
Glattauer
Natürlich. Allein der Mangel an Möglichkeiten – siehe Konsum und Kommunikation – sorgte für eine gewisse Gemütlichkeit. Um alles, was nicht erreichbar war, musste man sich keine Sorgen machen. Heute kann man fast alles kaufen und sich überall einbringen, was für Stress sorgt und auf Kosten der Lebensqualität geht. Corona war eine Wahnsinnskeule, die uns im Nachhinein noch auf die Köpfe drischt. Zugleich kamen die Lockdowns vielen entgegen: „Ah, das ist mal ganz was anderes! Endlich kein Stress mehr!“ 
Sie gelten als freundlicher Zeitgenosse. Der Shitstorm, der Ihnen um die Ohren schlägt, müsste erst noch erfunden werden. 
Glattauer
Weit gefehlt. Auch als vermeintliches Liebkind von allen, das mit der Aura des Erfolges ausgestattet ist, bleibt man ein Ziel mit großer Angriffsfläche. Man hat online sehr schnell ein Hackl im Kreuz.
Wurden Sie anonym schon „Arschloch“ geschimpft?
Glattauer
Ja. Das geht an einem nicht spurlos vorbei. Wer sagt das? Warum in aller Welt?
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„Die spürst du nicht“ ist Ihr erster Roman seit neun Jahren. Sind Sie traurig, dass Sie in der Zwischenzeit ein wenig Ruhm und Bekanntheit verloren haben?
Glattauer
Eben nicht. Es war neu, dass es um mich her plötzlich sehr ruhig geworden ist. Ich habe diese Zurückgezogenheit sehr bald zu genießen begonnen. Wenn jemand aus einem gewissen Geltungsbedürfnis heraus Kunstwerke schafft, dann ist das großartig. Diese Geltungssucht ist mir vollkommen fremd. Ich bin der Mann im Hintergrund. Selbst in meinem Freundeskreis bin ich der nette Kerl, der am Tisch zumeist zuhört. Oft habe ich das Gefühl, ich bin mir selbst eine Insel. Ich brauche nicht viele.

Glattauer schützt sein Privatleben. Seit Jahrzehnten ist der ehemalige „Standard“-Journalist liiert, er lebt abwechselnd in Wien und im Waldviertel, ist gern auf Reisen und hasst es, auf Gesprächspodien zu sitzen. Menschen, die ihn gut und lange kennen, sagen, der Erfolg habe ihn kaum verändert, er wisse jetzt nur genauer, was er nicht wolle. Die roten Teppiche hat er immer gemieden, die öffentliche Aufmerksamkeit überlässt er gern anderen. Vor knapp zehn Jahren gab er in profil zu Protokoll: „Ich möchte auch in hohem Alter für andere erträglich sein. Ich will keine Redemaschine werden, die nicht zuhören kann.“

In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitungen“ wurden Sie einst als der „Mann mit dem großen Herzen“ bezeichnet. „Die spürst du nicht“ verhandelt die Themen Migration und Rassismus. Werden Leserinnen und Leser enttäuscht sein?
Glattauer
Durchaus. Natürlich tut mir das leid, weil enttäuschen will ich niemanden. Dennoch kann ich nur über Themen schreiben, die mir ein Anliegen sind. Viele meiner früheren Romane waren buchstäbliche Herzensangelegenheiten. Liebe und Beziehungen waren in Abstufungen – vom ersten Verliebtsein bis in die Jahre gekommene Romanzen im Theaterstück „Die Wunderübung“ – wichtige Angelegenheiten. Liebe interessiert mich noch immer. Schreiben möchte ich aber nicht mehr darüber.  
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Glattauers „Gut gegen Nordwind“ (2006), die moderne Version des Genreklassikers Briefroman im Gewande einer E-Mail-Korrespondenz zwischen den liebestollen Protagonisten Emmi und Leo, wurde in Hardcover und Taschenbuch über zwei Millionen Mal verkauft und in mehr als 40 Sprachen übersetzt; vom Fortsetzungsroman „Alle sieben Wellen“ (2009) wurde eine Million Exemplare veräußert. Glattauers Romanstoffe waren am Theater und im Kino zu sehen: „Der Weihnachtshund“, Glattauers Romandebüt von 2000, und sein Psychokrimi „Darum“ (2002) wurden verfilmt; die Theateradaptionen der E-Mail-Liebeleien zählten lange Zeit zu den meistgespielten Stücken an deutschsprachigen Bühnen. 

„Die spürst du nicht“ kritisiert unverhohlen Österreichs Migrationspolitik. Enthüllt der Roman Ihre Sicht auf die Politik?
Glattauer
Auf jeden Fall. Bisher sah ich keinen Grund, mich öffentlich politisch zu äußern. Die Migration, wie sie in diesem Land gehandhabt wird, ist ein reines Politikum. So gesehen habe ich einen politischen Roman geschrieben. 
Im Buch schreiben Sie von der „heißen Kartoffel Migration“.
Glattauer
Das Thema wird die ganze Zeit nur herumgeschubst. Der größte Teil der Debatte dreht sich darum, wer aus welchen Gründen und in welcher Zahl zu uns kommt. Ein einzelnes Land oder eine einzelne Partei kann dieses Problem allein niemals lösen, auch wenn diese Partei vorgibt, Zäune und Mauern wären der Weisheit letzter Schluss. 
Nach dem einfachen Rezept: Balkanroute schließen, Problem gelöst? 
Glattauer
Bitte glaubt das ja nicht! Diejenigen, die es besser wissen, dürfen nicht müde werden zu wiederholen, dass dem nicht so ist. Die Bevölkerung ist nicht dumm. Es werden aber Ängste geschürt und Sündenböcke gesucht. Ein gewaltiges Problem lässt sich in zwei Worten lösen? „Balkanroute geschlossen.“ Nichts kann mehr passieren. Einfach lächerlich.
Welche Parteien bieten Ihrer Ansicht nach brauchbare Lösungen für die Problematik?
Glattauer
Ich bin entsetzt über die Feigheit vieler sozialdemokratischer und sogenannter christlich-sozialer Amtsträger, die mit dem Thema ganz anders umgehen müssten. In Wahrheit ist die Migration eine drängende Sorge auf zumindest europäischer Ebene. Der Roman berichtet über den kleineren Teil der Debatte: Wie gehen wir mit jenen Menschen um, die nach Flucht und Vertreibung bei uns gelandet sind? Überhaupt nicht gut! Im Gegenteil: Wir spüren sie nicht. 
In der griechischen Antike war ein „Asylon“ ein heiliger Ort, an dem Menschen Zuflucht suchen konnten. Inzwischen wird die sogenannte „Willkommenskultur“ von vielen verächtlich gemacht. 
Glattauer
„Wir schaffen das!“ Mit wie viel Spott und Zynismus wurde diese Aussage Angela Merkels belegt! Natürlich können wir nicht den gesamten afrikanischen Kontinent willkommen heißen, weil wir mit den damit einhergehenden Problemen niemals fertig werden würden. Ein jeder von uns kann aber im Kleinen jenen Menschen helfen, von denen wir nichts wissen wollen, weil wir sie nicht spüren.
Gemeinsam mit Ihrer Ehefrau Lisi betreuen Sie seit einigen Jahren drei unbegleitete junge Männer aus Somalia und ein afghanisches Mädchen. Wie hat sich dadurch Ihr Blick auf die Welt verändert?
Glattauer
Unsere Somali-Jungs, wie wir sie nennen, haben so unbarmherzige wie brutale Fluchtgeschichten hinter sich. Der Ausdruck „Asyltourist“ ist als Zynismus und Gemeinheit kaum zu übertreffen, suggeriert er doch, dass Menschen in böser Absicht zu uns kommen, um uns Geld wegzunehmen und auf Kosten des Sozialsystems zu leben. Das ist eine totale Verkehrung der Zustände. In Wirklichkeit ist jede einzelne Fluchtgeschichte eine tieftraurige Schicksalsgeschichte. 

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Glattauer schafft es mit Leichtigkeit, seinem tiefschwarzen Sujet Facetten von Witz und Humor abzutrotzen. Das liegt auch an seiner Art des Schreibens, die auf keiner Seite zur gigantischen Ego-Show neigt: Glattauer, dem Feinmechaniker der vielsagenden Alltagsbeobachtung, von der ausgehend er mit leichtem Schwung jeweils großflächige Mentalitätsbilder zeichnet, glückt in „Die spürst du nicht“ die Balance zwischen Katastrophenaufarbeitung und Komik.  

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"Ein Guter Mensch sein zu wollen ist überhaupt nichts Ehrenrühriges."

Was erfahren Sie durch Ihre Jungs über Österreich Neues? 
Glattauer
Einer hat Asyl bekommen, zwei den dritten verlängerten subsidiären Schutz, denn nach Somalia kann man nicht zurückkehren. Die Jungs haben in Österreich gemischte Gefühle. Jugendlichen fällt es zuerst nicht direkt auf, wenn man ihnen unfreundlich begegnet. Einer der Buben, die inzwischen erwachsene Männer sind, hat einen eher grimmigen Gesichtsausdruck. Er sagt oft, wie er darunter leidet, dass vor allem Frauen vor ihm Angst haben und die Straßenseite wechseln. Kleinkinder weinen manchmal, wenn sie die Jungs sehen. Und dann erst ihre schicken Schuhe. Da rumort es sofort in der Straßenbahn: „Aha, schau sie an, die Drogendealer!“ In Wirklichkeit wollen sie einfach auch etwas Schönes haben, auf das sie lange sparen mussten. 
Betrachten Sie das Leben mit diesen Jugendlichen als die reinste Idylle?
Glattauer
Überhaupt nicht. Manchmal will man sie auf den Mond schießen. Wir haben uns nie ein bestimmtes Ziel gesetzt. Wir wollen sie begleiten, für sie da sein. Wenn sie deppert sind, gibt’s Brösel. Einer der drei glaubte tatsächlich, ihm gebühre in Wien das Paradies auf Erden für die erlittene Quälerei auf der Flucht, was man wiederum als Unverschämtheit seinerseits deuten konnte. Er forderte das Schlaraffenland ein, was es natürlich nicht gibt. Es klappt auch nicht immer alles mit den eigenen Kindern. Warum soll es auf Anhieb mit Jugendlichen aus Afrika funktionieren? 
Es steht zu befürchten, dass sich die heimischen Fremdenhasser so oder so nicht umstimmen lassen werden. 
Glattauer
Es ist kein guter Zustand, wenn die Wurzeln von Menschen gekappt und in einen neuen Boden gesetzt werden. Den Hatern muss man deshalb sagen: Wartet ab, das geht nicht in einer Generation, das braucht länger. Österreich ist ein Zuwanderungsland. Immer gewesen. Punktum. Wir kommen alle von irgendwo anders her. Viele möchten aber rätselhafterweise unter sich bleiben. Dazu stelle ich mir ein paar Deix-Gesichter vor, schon hat man das Bild! Das ist selbstverständlich erschütternd, weil gerade das Fremde uns alle bereichert. 
In „Die spürst du nicht“ erzählen Sie Fluchtgeschichten mit erschreckenden Details: Dem Wasser wird Benzin beigemischt, um das Hungergefühl zu unterdrücken. Für die Schlepper sind Kinder „kranke Tiere“. 
Glattauer
Die Fluchtgeschichten im Roman setzen sich aus Versatzstücken der Erfahrungen der drei Jungs zusammen, die dieselbe Route genommen haben, auf der sie weit über 100 Tage unterwegs waren. Es hat lange gedauert, bis sie darüber sprechen konnten.
Sie bezeichneten sich einmal als „Fremdmenschenmöger“. Sind Sie auch ein sogenannter Gutmensch?
Glattauer
Ein guter Mensch sein zu wollen, ist überhaupt nichts Ehrenrühriges. Der Begriff hat längst eine böse, zynische Beinote bekommen: Du bist gut, du glaubst wohl, du bist etwas Besonderes, weil du dich so gut gebärdest, das ist doch nur geheuchelt! Man traut seinem Gegenüber das Gute nicht mehr zu. Als freundlicher Zeitgenossen macht man sich heute bereits verdächtig. 
Sie sind ausgebildeter Psychosozialberater. Was würden Sie Österreich, wäre es eine Person, raten?
Glattauer
Glaub ja nicht, dass du allein auf der Welt bist! Unser kleines schönes Land ist nicht der Nabel der Welt, was es nachweislich nie war und sein wird. Der forcierte Nationalismus bestimmter heimischer Parteien, die das Land zur Festung machen wollen, ist insofern sehr weit hergeholt. 
Werden Sie von Ihren Somali-Jungs „Papa“ gerufen?
Glattauer
Meine Frau Lisi nennen sie ganz gern „Mama“, wenn sie etwas von ihr wollen. 
Ist den Jungs Ihr Beruf als Autor bereits vertraut?
Glattauer
Die wenigen Lesungen, die sie besucht haben, fanden sie ganz okay. „Du bist ja berühmt“, meinten sie anschließend – in einer Sparte, die sie nicht interessiert. Bücher? Theaterstücke? Völlig uncool. 
Sollten Sie sich erneut neun Jahre mit Ihrem nächsten Buch Zeit lassen, wären Sie bereit über 70. Das sprichwörtliche Alterswerk?
Glattauer
Mindestens eine autofiktionale Autobiografie müsste her, jenes Genre, das derzeit hoch im Kurs ist. Gleichzeitig befürchte ich, dass ich nicht allzu viel zu erzählen hätte. Ich müsste versuchen, mich spannender zu machen, als ich bin. Ein Autorenleben ist auch nicht mehr das, was es einmal war. 
Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.