Glück im Chaos: Der neue Erzählband von Helene Hegemann
Snoopy, das Meer und ich", lautet der Titel der ersten von 15 Episoden, die Helene Hegemann, 30, in ihrem Erzählband "Schlachtensee" versammelt. Und wie immer bei dieser ungewöhnlichen deutschen Autorin liegen das Sanfte und das Krasse, Romantik und harte Realität überraschend nah beieinander. Eine Tochter macht da mit ihrem Vater Urlaub in Nordfrankreich, er gesteht ihr, dass er bald sterben wird; sie lernt einen Surfer kennen, reflektiert, wie man diese verträumt-vernebelten Surfer-Augen, in denen sich das Meer zu spiegeln scheint, bekommt. Um im nächsten Moment ernüchternd zu beschreiben, dass es sich um Bindehautwucherungen handelt, weil Surfer zu viel in die Sonne starren. Klaus Theweleits Theorieklassiker "Männerfantasien" (1977/78) zieht sich wie ein roter Faden durch das düstere, mitunter apokalyptische Buch, in dem es viel um die Angst vor Körperauflösung und faschistisch-männliche Zwangsvorstellungen geht. Gewalt ist omnipräsent, ebenso wie Tiere und deren bedrohter Lebensraum. Hegemanns Erzählungen, die sich quer über den Globus erstrecken, sind lustvolle Erkundungen des Chaos, immer wieder schlägt die Autorin Haken, überrascht und verwirrt mit ungewöhnlichen Bildern, lässt aktuelle Debatten einfließen und assoziiert in wüsten Gedankenketten. Das wirkt mitunter zwar aufgesetzt, wie in der Geschichte, die sich mit der Choreografin Florentina Holzinger beschäftigt und mehr Journalismus als Literatur ist. Trotzdem findet Hegemann stets einen ganz eigenen Tonfall, ihre Figuren sind verletzlich und altklug zugleich, unsympathisch und verdammt nah dran an einem selbst. Kein geringes Kunststück.