Kino

Golden Globes 2024: Triumphzug für das nukleare Kino

Im Rahmen der ersten Post-Streik-Preisgala Hollywoods wurde in alle Richtungen ausgezeichnet; Christopher Nolans „Oppenheimer“ geriet zum Sieger des Abends, auch der Frankenstein-Varation „Poor Things“ und den Serien „Succession“, „The Bear“ und „Beef“ erwies man die Ehre.

Drucken

Schriftgröße

Jedes Jahr das gleiche Spiel: Hollywoods awards season beginnt mit einem Spektakel, dessen seit Jahren (wegen mangelnder Diversität und strukturellem Rassismus) angeschlagener Ruf seltsamerweise nicht zu einem merklichen Verlust an Bedeutung geführt hat. Zur alljährlichen Golden-Globes-Gala – die Preise werden seit 1944 von Vertreterinnen und Vertretern der Auslandspresse in Los Angeles vergeben – strömt die Film- und Fernsehprominenz weiterhin in erstaunlichen Scharen; und die hier gefällten Auszeichnungen werden immer noch als richtungsweisend für die einige Wochen später (heuer in der Nacht von 10. auf 11. März) stattfindende Oscar-Show betrachtet.

Insofern ist auch bei den kommenden Academy Awards ein Kantersieg des kraftstrotzenden und ohrenbetäubenden Prestigekinos zu prognostizieren; denn Christopher Nolans dreistündige Atombomben-Polithistorie „Oppenheimer“ räumte im Bereich „Drama“ bei den diesjährigen Golden Globes in den frühen Morgenstunden des 8. Januar im Beverly Hilton Hotel gleich fünf Auszeichnungen ab – als bestes Filmdrama, für die beste Regie, den differenziertesten Haupt- (Cillian Murphy) und den feinsten Nebendarsteller (Robert Downey jr.) sowie die beste, man müsste sagen: manipulativste Filmmusik (Ludwig Göransson).

Zwei der wichtigsten Preise in der Schiene „Komödie/Musical“ gingen an das derzeit wohl originellste Kinowerk, an Yorgos Lanthimos’ „Poor Things“: die Golden Globes für den besten Film und die beste Hauptdarstellerin, die Amerikanerin Emma Stone (mehr zu diesem Werk und zu Stones unglaublicher Performance werden Sie übrigens in der kommenden Ausgabe des profil finden). Als besten Haupt- und beste Nebendarstellerin im komödiantischen Fach erkannte man zwei ebenfalls virtuose Schauspielkräfte, die Alexander Paynes tragikomisches College-Panorama „The Holdovers“ tragen: Paul Giamatti und Da’Vine Joy Randolph.

Als bester, naturgemäß konkurrenzloser Animationsfilm wurde Hayao Miyazakis surreales Meisterstück „Der Junge und der Reiher“ prämiert. Zur besten fremdsprachigen Produktion erklärte man Justine Triets subtilen Ehekrimi „Anatomie eines Falls“, der auch in der Kategorie Drehbuch einen Globe erhielt. Greta Gerwigs globaler Blockbuster „Barbie“ wurde, obgleich neunmal nominiert, mit zwei Würdigungen abgespeist: mit dem neuen Preis für Kinematografie- und Kinokassenleistung und jenem für den besten Filmsong (von und mit Billie Eilish). Nur Martin Scorseses „Killers of the Flower Moon“ wurde, gemessen an der Zahl der Nominierungen, noch heftiger ignoriert: Lediglich Lily Gladstone wurde als beste Hauptdarstellerin eines Filmdramas geehrt.

In der Abteilung Fernsehen reüssierte die Serie „Succession“ gleich viermal: als bestes Drama mit dreifach preiswürdigem Schauspiel (Sarah Snook, Kieran Culkin, Matthew Macfadyen. Fast gleichauf, mit je drei Globes, reüssierten die Serien „The Bear“ (als beste Komödie, aus deren Ensemble zudem Ayo Edebiri und Jeremy Allen White hervorgehoben wurden) und der tragikomische Road-Rage-Hit „Beef“: zwei Tiefenbohrungen in den Irrsinn unseres Alltags, in das Chaos des Kochens und die eskalierenden Kleinkriege im Straßenverkehr.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.