Daniel Kehlmann

"Haben Sie Angst vor Terror, Herr Kehlmann?"

Bestsellerautor Daniel Kehlmann im Interview.

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INTERVIEW: KARIN CERNY

profil: Ihr neues Stück "Heilig Abend“ ist eine Verhörsituation mit einer Terror-Verdächtigen. Was war die größte Herausforderung beim Schreiben? Daniel Kehlmann: Die Spannung zu halten - das geht nur, wenn das Machtgefälle sich immer wieder ändert. Deswegen habe ich auch sehr lange an dem Stück gefeilt - weil ich nach und nach erst herausgefunden habe, wie schwierig es überhaupt ist, ein Zweipersonenstück zu schreiben, das nicht ganz geradlinig und vorhersehbar auf seinen Schluss zuläuft.

profil: Wie viel mussten Sie recherchieren? Kehlmann: Ich habe mir zum Beispiel von Vera Lengsfeld, der ehemaligen DDR-Dissidentin, erzählen lassen, was für Techniken ihr Stasi-Verhörer in Berlin-Hohenschönhausen angewendet hat. Das war sehr hilfreich und auf schaurige Art inspirierend.

profil: Wollten Sie dezidiert politisch sein? Kehlmann: Ich wollte ein Stück schreiben, das in "Echtzeit“ verläuft. Und dann war die Frage: Was für eine Art Verhör kann das sein, worum kann es gehen? Es soll ja eine gewisse Fallhöhe haben, Taschendiebstahl wäre zu flach. Und so kam das politische Thema, die Überwachung, der Terror, die ungerechte Verteilung des Reichtums, ganz von selbst herein. Ich habe mit dem Schreiben angefangen, kurz nachdem Edward Snowdens Enthüllungen um die Welt gingen.

profil: Was hat sich seitdem verändert? Kehlmann: Als er an die Öffentlichkeit ging, meinte er, die amerikanischen Geheimdienste hätten zu viel Zugang zu unseren Daten. Das sei noch kein dringliches Problem, aber wenn einmal eine böswillige Regierung in den USA existieren sollte, könne es gefährlich werden. Damals, vor noch nicht langer Zeit, wirkte das wie reine Theorie. Jetzt, nur ein paar Jahre später, haben wir einen amerikanischen Alptraumpräsidenten, wie die Welt ihn noch nicht gesehen hat, und all das ist plötzlich sehr konkret. Wir haben uns viel zu sehr an die Beschneidung unserer Rechte gewöhnt.

profil: Sie haben eine Wohnung in New York und verbringen viel Zeit dort: Wie wird die Ära Trump aussehen? Kehlmann: Ich persönlich erwarte das Schlimmste. Er ist nicht nur bösartig, sondern auch inkompetent. Er ist nicht nur inkompetent, sondern auch wahnsinnig. Und die republikanische Partei wird ihn nicht aufhalten, sondern sich opportunistisch hinter ihn stellen. In New York, wo ihn ja fast niemand gewählt hat, erlebe ich nur auf allen Seiten Ratlosigkeit, Angst und Verzweiflung. Und alles davon scheint mir berechtigt. Die nächsten vier Jahre werden entweder schlimm oder sehr schlimm, oder sie führen zur größtmöglichen Katastrophe. Dass sie nicht schlimm werden, halte ich für ausgeschlossen.

profil: Sie sind viel unterwegs. Haben Sie beim Reisen Angst vor Terroranschlägen? Kehlmann: Natürlich, aber die befällt mich auch schon in der Berliner U-Bahn oder auf dem Times Square. Man kann ja nicht behaupten, dass die Menschen, die Angst vor dem Terror haben, paranoid sind. Der Terror existiert und ist fürchterlich real. In diesem Punkt hat natürlich auch der Polizist in meinem Stück nicht unrecht. Die Gefahren gibt es. Abgesehen davon halte ich es für eine Grundregel des Dramas, dass alle Personen darin auf ihre Art recht haben müssen. Selbst Donald Trump müsste in einem Drama auf seine Art recht haben. Aber das wäre ein Stück, das ich nicht schreiben will.

Daniel Kehlmann, 42, ist Bestsellerautor, von seinem Roman "Die Vermessung der Welt“ (2005) verkauften sich allein im deutschsprachigen Raum 2,3 Millionen Exemplare. 2011 wurde sein Bühnendebüt "Geister in Princeton“ im Schauspielhaus Graz uraufgeführt. Mittlerweile ist Kehlmann, der Regietheater ablehnt, im Theater in der Josefstadt fest verankert, wo auch sein jüngstes Stück "Heilig Abend“ ab 2. Februar zu sehen sein wird. Regie führt Hausherr Herbert Föttinger.

Karin   Cerny

Karin Cerny