Nachruf auf Hans Hurch: Abgang eines großen Streitbaren
In einem römischen Hotelzimmer ereilte Hans Hurch am Sonntagvormittag der Herztod. In die italienische Hauptstadt war er gereist, um den US-Regisseur Abel Ferrara, den der Viennale-Direktor gut kannte, zu besuchen, mit ihm Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu besprechen. So starb Hurch gleichsam mitten in der Arbeit, die er so liebte: in der Ausarbeitung eines möglichst persönlichen, der politischen und gesellschaftlichen Gegenwart dennoch sehr konkret entsprechenden Programms für sein Festival. Seit 1997 hatte Hurch die Viennale geleitet, die er damals von Alexander Horwath, dem nunmehrigen Filmmuseumschef, übernahm. Volle 20 Jahre lang hat Hurch das Festival, anhaltend erfolgreich, geführt (und er wollte es noch dieses und nächstes Jahr tun, ehe er seinem Nachfolger den Platz räumen wollte) – und er begriff diesen Job nicht einfach nur als Zusammenstellung der wichtigsten, international meistdiskutierten Filme des jeweiligen Kinojahres, sondern als regelrecht künstlerische Profession – er sah sich als eine Art „Autor“ eines ganz bestimmten Blicks auf das Kino.
Seinen filmkünstlerischen Abneigungen verlieh Hans Hurch, geboren im oberösterreichischen Schärding, gern polemisch Ausdruck; und er legte sich dabei auch medienwirksam mit Regisseuren wie Michael Haneke, Ulrich Seidl, Michael Glawogger an; seine Vorlieben, geschult an den klassischen Werken John Fords, Roberto Rossellinis und dem spröden Kino Danièle Huillets und Jean-Marie Straubs (mit denen er in den 1980er-Jahren mehrmals gearbeitet hatte), machte er aber ebenso transparent. Die vehemente öffentliche Kritik, die er zuweilen übte, richtete er nicht nur an Kreative, sondern mit besonderer Inbrunst auch an die Kulturpolitik, aber das Feiern außerordentlicher Regie-Positionen vergaß er darüber nicht.
Widerborstiger Stichwortgeber
Hans Hurch war ein streitbarer Geist, der sein Charisma und seinen durchaus anarchischen Humor strategisch dazu benutzte, die Härte mancher seiner (bisweilen auch überzogenen) Einschätzungen zu mildern. Seine prononcierten Meinungen und Interventionen, mit denen er genüsslich auch seine Festivaleröffnungsreden garnierte, die er ironisch „Predigten“ nannte, werden dieser Stadt, diesem Land schmerzlich fehlen; denn bei allem Sinn für heitere Zuspitzung bestach der oft hochmoralische Ernst, mit dem er als widerborstiger Stichwortgeber und Freund der kulturpolitischen Frontalattacke argumentierte. Es ging ihm, wenn er sich zu Wort meldete, in aller Regel wirklich um etwas, und in der Rolle des sarkastischen Mahners erscheint er unverzichtbar, hierzulande sogar einzigartig.
Nur 64 Jahre wurde er nun alt. Hans Hurchs Ableben kam überraschend, weil seine Vitalität bis zuletzt ungebrochen erschien; tatsächlich litt er länger schon an Schlafapnoe und Herzbeschwerden. Aber er ging eben nicht nur mit anderen, sondern auch mit sich selbst hart, nachlässig um. Dass der langjährige Präsident der Viennale, der ehemalige Hollywood-Produzent Eric Pleskow, inzwischen 93, jenen Festivaldirektor, den er über alles schätzte, überleben würde, damit konnte niemand rechnen.