Hemmungslos offen für das Burgtheater
Seine „uneingeschränkt positive Energie“ habe sie davon überzeugt, den Schweizer Regisseur Stefan Bachmann, 56, als kommenden Chef am Burgtheater zu wählen, betonte Kunst- und Kulturstaatsekretärin Andrea Mayer bei der heutigen Pressekonferenz, die sich um die Neubesetzung des Hauses ab der Saison 2024/25 drehte. Dieser Funke werde auch auf das Publikum überspringen, davon ist Mayer überzeugt. Bachmann habe ihr glaubwürdig vermittelt, er sei „hemmungslos offen“ und verstehe sich als Brückenbauer zwischen Tradition und Avantgarde.
Stefan Bachmann (Mitte) mit Kunststaatssekretärin Andrea Mayer (links) und Bundestheater-Holding-Chef Christian Kircher (rechts).
Der ORF hatte gestern Abend schon geleakt, dass Stefan Bachmann dem glücklosen Martin Kušej nachfolgen werde. Bachmann ist in Wien kein Unbekannter, bereits unter Klaus Bachler und später unter Matthias Hartmann hat er den Spielplan an der Burg einst maßgeblich geprägt. Als Regisseur hat Bachmann stets ein gutes Händchen für herausfordernde österreichische Klassiker bewiesen: Seine Version von Elfriede Jelineks „Winterreise“ (2012) spielte auf einer steilen Wand, die Akteure mussten sich anseilen, um nicht in den Abgrund zu stürzen. Und am Ende dröhnte in Endlosschleife DJ Ötzis Après-Ski-Hit „Ein Stern, der deinen Namen trägt“.
Bereits mit seiner abgründig-pointierten Version von Wolfgang Bauers „Skizzenbuch“ (1996 bei den Wiener Festwochen), hatte Bachmann einen weitgehend vergessenen heimischen Autor wieder zurück auf die Bühnen gebracht. Ein genauer Blick auf die Theatertexte und eine popkulturelle Lässigkeit prägen die Inszenierungen dieses Regisseurs, der sich auf keine Handschrift festlegen lassen möchte. Selbst düstere Stoffe bekommen bei ihm eine verführerische Leichtigkeit, ohne dass die Substanz darunter leiden würde. Ironie und Pathos, Komik und Tiefgang – Bachmann vereint all das mühelos. Als Regisseur ist er zweifellos ein Gewinn für Wien. Es ist eine Art Heimkehr, er habe an der Burg „sehr gern und teilweise auch gut gearbeitet“, meinte Bachmann augenzwinkernd bei der Pressekonferenz.
Seit 2013 leitet Bachmann nun schon das Schauspiel Köln; aber anstatt, wie versprochen, dort ein generalsaniertes Theater übernehmen zu können, musste der Regisseur improvisieren und alternative Spielorte finden. Dadurch habe sich auch sein Blick auf das Theater verändert, erklärte Bachmann in der Antrittspressekonferenz, Begriffe wie Inklusion, Diversität, Nachhaltigkeit und Teilhabe seien „eine künstlerisch gelebte Realität geworden“. Die Fluktuation war allerdings hoch in seiner Intendanz in Köln, was oft ein Zeichen für interne Probleme ist. Auch die überregionale Strahlkraft fehlte weitgehend; anders als unter seiner Vorgängerin Karin Beier, die das Kölner Schauspiel zu einem Hotspot gemacht hatte, blieben Einladungen zu renommierten Theatertreffen aus.
2018 beklagten zahlreiche, in der Mehrzahl anonyme Mitarbeitende in einem Artikel im „Spiegel“ „toxische Atmosphäre“ und Mobbing durch Bachmanns Ehefrau, der Schauspielerin Melanie Kretschmann, die stets Hauptrollen spielte und am Haus auch selbst inszenierte. Sie wurde als „aggressiv und manipulativ“ beschrieben. Bachmann wird sich überlegen müssen, ob er am Burgtheater weiterhin als „totaler Familienmensch“ auftreten möchte. Staatlich subventionierte Kunstinstitutionen sind keine Gutshöfe, die vor allem familiär betrieben werden. Nepotismus ist am Theater viel zu weit verbreitet.
Bachmann betonte, ein Teamplayer zu sein, er habe die Vorwürfe sehr ernst genommen, Weiterbildungen in Sachen Führungskompetenz gemacht und einen Lernprozess gestartet. Auch Kunststaatssekretärin Mayer stellte klar, sie stehe für eine „strikte Trennung von beruflich und privat“. Und Christian Kircher, Geschäftsführer der Bundestheater-Holding ergänzte, Bachmann habe keinen Freischein, die Beschäftigung von Familienangehörigen müsse von ihm genehmigt werden. Was das konkret bedeutet, wird sich zeigen. Es wäre jedenfalls ein problematisches Signal, wenn Bachmann seine Ehefrau – selbst nur als Gast – an die Burg mitbringen würde.
Was künstlerisch zu erwarten sein wird, dazu wollte Bachmann vorerst trotz mehrfacher Nachfragen nichts verraten. Ein Blick in den Spielplan von Köln lässt vermuten, dass der bilderstarke deutsche Regisseur Ersan Mondtag, der auch im Gespräch um die Intendanz des Wiener Volkstheaters gewesen ist, sein Burg-Debüt geben wird. Die klugen feministischen Abende von Pinar Karabulut sind eine weitere Option, Bachmann hat die Regisseurin früh gefördert. Auch Matthias Köhler, ein spannender junger Regisseur, der zurzeit in der Wiener Off-Szene arbeitet (zuletzt: „Bent“ im Hamakom), war bei Bachmann aktiv. Man wünscht ihm eine größere Bühne, Bachmann könnte das möglich machen. Auch sein zentraler Schauspieler Bruno Cathomas wird wahrscheinlich nach Wien mitkommen.
Bleibt nur eine grundsätzliche Frage: Warum hat das Burgtheater inzwischen so viel an Glamour verloren? Früher hatten sich Theaterdirektoren in ihre Verträge angeblich eine Klausel schreiben lassen: Wenn die Burg ruft, bricht man überall seine Zelte ab. Mittlerweile haben selbst Favoritinnen wie Barbara Frey oder Karin Beier offenbar keine Lust mehr, sich diesen Tanker anzutun. Man kann nur hoffen, dass Stefan Bachmann Neugierde und Euphorie erhalten bleiben.