Ans Eingemachte

Hermann Nitsch wird 80

Hermann Nitsch wird 80 Jahre alt.

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"Wenn jemand mit Eingeweiden von einem Stier arbeitet, dann ist für mich das Wort 'Dreckskünstler' ein sehr mildes Wort", sagte der niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ), als ihn profil im Juni zur Kunst des weltberühmten Aktionisten Hermann Nitsch befragte (profil 25/2018).

Diese würde er "aus religiösen Gründen" am liebsten einfach verbieten. In Nitsch sieht die FPÖ ein mittlerweile traditionelles Feindbild. Keinen Künstler hasst man dort inbrünstiger als den Altmeister, der am 29. August seinen 80. Geburtstag begehen wird. Schon Jörg Haider und Peter Westenthaler führten erbitterte Fehden gegen ihn. Aber auch Tierfreunde bekämpfen seine Aktionen vehement, etwa Brigitte Bardot, die den Maler und Aktionskünstler einmal als "österreichischen Caligula" denunzierte.

Und noch im Vorjahr sammelten Tierschützer Unterschriften gegen seine Ausstellung im australischen Tasmanien. 2015 kapitulierte das - privat finanzierte - Museo Jumex in Mexico City vor solchen Protesten und sagte eine Nitsch-Schau ab, die dann in Palermo gezeigt wurde. Prompt standen wieder Demonstranten vor der Tür und wetterten dagegen, dass Nitsch in seinen Aktionen mit Tierkadavern hantiert.

Ich möchte den Vorgang der Tötung, der ohnehin laufend geschieht, zeigen.

Noch immer polarisiert der alte Herr im schwarzen Anzug mit seiner Arbeit, die ans Eingemachte geht. Dabei ist er einer der renommiertesten Künstler des Landes. Das von ihm über Jahrzehnte entwickelte "Orgien-Mysterien-Theater" ist ein Gesamtkunstwerk, bei dem Stiere fachgerecht geschlachtet, ausgeweidet und Akteure auf Kreuzen getragen werden; das Publikum ist stets in hohem Maß involviert. Das Archaische, Ekstatische, Dionysische wird dabei ebenso fühlbar wie das Abgründige, Gewalttätige. "Ich sehe mich in der Tradition der dramatischen Dichter, und diese haben sich zu allen Zeiten mit dem Tod auseinandergesetzt. Ich möchte den Vorgang der Tötung, der ohnehin laufend geschieht, zeigen", sagte Nitsch einmal, der sich selbst als Tierschützer bezeichnet. Anlässlich seines runden Geburtstags führt er nun seine - bereits ausverkaufte - 155. Aktion auf.

Als Mitbegründer des Wiener Aktionismus, der international wohl bedeutendsten österreichischen Kunstrichtung der Nachkriegszeit, hat sich der Schlossbesitzer längst in den Kanon der Kunstgeschichte eingeschrieben. Bedeutende internationale Museen besitzen seine Werke.

Die Republik würdigte seine Verdienste mit Auszeichnungen: 2005 erhielt er etwa den Großen Österreichischen Staatspreis. 2007 richtete ihm das Land Niederösterreich ein eigenes Museum in Mistelbach ein. Der damalige Landeshauptmann Erwin Pröll durfte sich der politischen Unterstützung durch den Künstler sicher sein. Staatskünstler oder Bürgerschreck? Nitsch vereint perfekt beide Projektionsfiguren.

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer