„Hoffe sehr auf sein Comeback!“ – Der umstrittene Regisseur Jakov Sedlar über seine Filmhymne an Sebastian Kurz
Die Posse um die allgegenwärtigen filmischen Bestandsaufnahmen zur Karriere des ehemaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz ist um ein bizarres Kapitel reicher. Seit gestern bekannt wurde, dass nach Kurt Langbeins kritischem Polit-Dokument „Projekt Ballhausplatz“ und Sascha Köllnreiters linientreuer „Kurz“-Laudatio morgen ein drittes, erneut liebedienerisch gefärbtes Filmporträt des Jungunternehmers veröffentlicht werden soll, wird über die Umstände spekuliert, unter denen dieses entstanden sein könnte. Die beiden an jenem so überraschend aufgetauchten Film Hauptbeteiligten erhellen das Mysterium nur teilweise; vor allem Regisseur Jakov Sedlar verstrickt sich, von profil telefonisch kontaktiert, in Widersprüche, was die Genese seines Kurz-Projekts betrifft.
Die Autorin Judith Grohmann, die vor vier Jahren als Sebastian-Kurz-Biografin wegen ihrer starken Nähe zum Noch-Kanzler Aufsehen erregte, verfasste für den ambitioniert betitelten Film „Sebastian Kurz – The Truth“ das Drehbuch. Demnächst soll er auf der Streaming-Plattform Vimeo abrufbar sein. In Sedlars Film, sagt Grohmann, tauchten „keine Menschen auf, die durch ihr Zutun irgendwie profitieren könnten“. Neben Kurz selbst seien darin vor allem Interviewpartner aus Israel, Frankreich, Kanada und den USA vertreten. Sebastian Kurz sei Sedlar für ein Interview zur Verfügung gestanden. Einen „gefälligen“ Film habe man nicht im Sinn gehabt, er gelte vielmehr einer speziellen Seite des Titelhelden, nämlich dessen „Engagement für die jüdische Gemeinschaft, seinem Kampf gegen den Antisemitismus". Die Zusammenarbeit mit Jakov Sedlar, der Kurz und sein Umfeld „erst durch mich kennengelernt“ habe, sei äußerst angenehm und produktiv verlaufen.
Unter Strom
Der kroatische Filmemacher und Produzent Jakov Sedlar ist ein umtriebiger Mann; seit den mittleren 1980er-Jahren hat er mehr als 60 Werke, neben seinen dokumentarischen Arbeiten auch Spielfilme, Fernsehproduktionen und Musikvideos gedreht. Er steht in dem dringenden Verdacht, in manchen seiner Produktionen mittels fake news und Faktenmanipulation Geschichtsfälschung betrieben und nationalistische Propaganda verbreitet zu haben. Vor allem sein Dokumentarfilm „Jasenovac – Die Wahrheit" von 2016, der die Ereignisse im kroatischen Konzentrations- und Vernichtungslager Jasenovac neu beleuchten will, habe die Verbrechen der faschistischen Ustascha trivialisiert. Er selbst betont auf die Frage nach seiner politischen Haltung, dass er „alles andere als ein Revisionist" sei. Dieses Label sei ihm von „pro-jugoslawischen Leuten, die Kroatien hassen", unterstellt worden. Er habe 23 Filme „mit israelischer Thematik" hergestellt, habe 14 Filmpremieren in Israel gefeiert. Er könne profil gerne Fotos zusenden, die ihn mit „legendären jüdischen Persönlichkeiten wie Ezer Weizmann, Ariel Scharon und Schimon Peres" zeigten.
Nun also legt Sedlar erneut eine sehr selektive Art der „Wahrheit“ über Sebastian Kurz vor: Er habe diese in 68 Minuten Film gegossen, wie er im profil-Gespräch erklärt. Sedlar spricht schnell, wie unter Strom, legt seine Antworten als nervöses Stakkato an. Die Frage, wie und wozu dieser Film entstanden sei, beantwortet er so: Er habe eben „Interesse an den Dingen, die Herr Kurz zustande brachte“. Denn „in der gegenwärtigen politischen Landschaft haben wir keine wirklich großen, genuin charismatischen Figuren mehr.“ Kurz jedoch besitze Charisma, und er habe „in seiner kurzen Karriere Großartiges erreicht“. Zweitens arbeite Sedlar, wie er sagt, viel in Israel, daher rühre sein „spezielles Interesse an Kurz’ Kampf gegen den Antisemitismus in Europa und der Welt. Da leistete er wirklich Fantastisches! Dieser Teil seiner Arbeit ist nicht bekannt genug.“ Weil er Kurz’ Biografie „so spannend fand“, habe er begonnen, an dem Film zu arbeiten.
Dessen Finanzierung, rund 350.000 Euro, hätten „kroatische, israelische und amerikanische Freunde, die meine Ideen verfolgen und meine Erzählungen schätzen“, aufgebracht. Aus Österreich habe ihn niemand kontaktiert. „Wir haben internationale Kontakte, von denen viele auch in meinem Film zu sehen sind“ – David Harris etwa, der Ex-Präsident des American Jewish Committee, Israels Staatschef Benjamin Netanjahu, der New Yorker Rabbiner Arthur Schneier und der französische Präsident Emmanuel Macron. Als Off-Erzähler verpflichtete Sedlar den Hollywood-Schauspieler Armand Assante („American Gangster“).
In der kroatischen Tageszeitung „Večernji list“ hatte er die Initiation seines Films kurz davor noch so rekapituliert: Die Idee sei „von mehreren“ Kurz nahestehenden Personen gekommen. „Sie kontaktierten mich vor mehr als einem Jahr mit dem Wunsch, erstmals eine vollständige Geschichte“ über Kurz’ Leben, „seine außergewöhnliche politische Karriere und seinen Beitrag zum Ansehen Österreichs in der Welt zu schreiben. Als ich sie fragte, wie sie zu mir gekommen seien, sagten sie, dass sie mehrere meiner Dokumentationen über wichtige israelische Politiker gesehen hätten und dass sie gerne etwas Ähnliches hätten.“
Aus Österreich sei aber kein Geld in seinen Film geflossen, sagt Sedlar nun im profil-Interview. „Ich hatte mit niemandem aus Österreich Kontakt außer mit Judith Grohmann, Elli Köstinger und Sebastian. Das ist alles!“ Andere österreichische Politiker habe er schon deshalb nicht in seinen Film genommen, weil „dies ein kleines Land“ sei, wo jede und jeder alle anderen kenne. Sein Film aber, gedreht in Wien, Jerusalem, New York und Los Angeles, biete eine Art „globale Perspektive“ auf Kurz.
„Ein politischer Held? Absolut!“
Judith Grohmann habe er in Zagreb vor eineinhalb Jahren erstmals getroffen, ihr Wissen über Sebastian Kurz sei „immens“, sie kenne Details aus seinem Leben, die sonst kaum jemand parat habe. So sei die Idee zum Film seine eigene gewesen, denn „ich mag solche Persönlichkeiten, habe zahllose politische Filme über reale politische Figuren wie Julija Tymoschenko, Franjo Tuđman, Ariel Scharon und andere gedreht.“ Große Charaktere wie diese seien rar geworden. „Wir leben in einer Welt ohne echte politische Helden.“ Kurz aber sei „absolut“ ein solcher.
Unkritisch sei sein Porträt deshalb nicht. es biete vielmehr „ein echtes Bild“. Er habe mit Kurz „über beide Seiten“ gesprochen, „über alles, was in seinem bisherigen Leben passierte“. Im Februar und März 2023 habe er Sebastian Kurz zweimal in Wien getroffen, es seien „sehr nette Konversationen“ gewesen: „Er meinte vorab, ich könne fragen, was ich wollte.“
Die Korruptionsvorwürfe gegen Kurz bezweifelt Sedlar stark. „Ich glaube nicht, dass das stimmt. Aber schauen Sie, ich kenne diese Tatsachen nicht. Mich beeindruckt einfach alles, was er tat und erreichte, wie er über die Gesellschaft und sein Land spricht.“
Elf Monate habe Sedlar an seinem Film gearbeitet. Bis vor wenigen Tagen habe er nicht gewusst, dass es bereits zwei andere Kino-Kurz-Porträts gibt. Ob sein Protagonist ein Comeback plane, sei, so Sedlar, „schwer zu sagen. Ich hoffe es aber sehr.“ Denn große Persönlichkeiten wie ihn finde man „auf der ganzen Welt kaum. Die Politik, die österreichische ebenso wie die europäische, braucht Leute wie Sebastian Kurz.“ Ins Kino will Sedlar seinen Film übrigens nicht bringen: „Junge Leute konsumieren so etwas inzwischen lieber im Fernsehen.“