Literatur

Neuer Roman des Bestsellerautors: „In einem Zug“ von und mit Daniel Glattauer

Kein österreichischer Gegenwartsautor verkauft mehr Bücher als der Wiener Daniel Glattauer. Sein neuer Roman erzählt vom Leben und Lieben, Schreiben und Scheitern.

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Los geht’s an einem diesigen Dienstagvormittag. Der Himmel über Wien, eine graue Betondecke, der Blick in die Welt wie durch eine Milchglasscheibe. Daniel Glattauer, 64, steht auf Bahnsteig eins des Bahnhofs Wien-Heiligenstadt und wartet auf den Zug, Wollmütze auf dem Kopf, dunkelorangene Daunenjacke.

Schnellbahn S 40 schiebt sich pünktlich um 10.11 Uhr in den Bahnhof. „Auf nach Tulln“, sagt Glattauer. Eine Minute darauf sitzt er bereits im Zug mit Zielbahnhof Tulln Donau Stadt, Bahnsteig zwei, 46 Minuten Fahrzeit, zwölf Halte. Glattauer wählt einen Fensterplatz. Bald geht die Stadt ins Land über, die urbane Enge öffnet sich zur Weite, Einfamilienhäuser liegen im von Ausfallstraßen durchfurchten Niemandsland wie Bauklötze auf grünbraunem Teppich. Man könnte den Mann am Fenster, klobige Hornbrille und wacher Blick, für einen freundlichen Pädagogikprofessor auf Dörfer- und Städtetour halten.

Glattauer ist neuerdings viel via Eisenbahn unterwegs. Sein Faible für Haupt- und Nebengleise hängt auch mit seinem neuen Roman zusammen: „In einem Zug“ ist ein Konversationsstück auf Schiene, ein zufälliges Kennenlernen im Viererabteil, die Geschichte einer Fahrt von Wien-Hütteldorf nach München, ein vier Stunden Erzählzeit umfassender respektive 205 Seiten starker Roman – mit den Zwischenstationen (und gleichlautenden Kapitelüberschriften) Sankt Pölten, Amstetten, Linz, Wels, Attnang-Puchheim, Vöcklabruck, Salzburg, Rosenheim und Zielpunkt München Hauptbahnhof. Viel Österreich in einem Roman, der vom Leben und Lieben, Schreiben und Scheitern eines Starautors namens Eduard Brünhofer erzählt. Brünhofer ist ein Mann spätmittleren Alters, bekannt und bewundert für seine Liebesromane, der nach Jahren peinigender Schreibblockade auf dem Weg nach München ist, um seinem Verlag Ideen für ein neues Buch zu präsentieren. Es wird, so viel sei verraten, eine berufliche Irrfahrt samt unversehens abrollendem Tête-à-Tête mit der Mitreisenden Catrin werden, einer jungen Frau, die als Physio- wie Psychotherapeutin gewissermaßen für Leib wie Empfindungsleben zuständig ist. In mancher Hinsicht ist Daniel Glattauer, der Schriftsteller im Zug nach Tulln, das Original. Brünhofer, der Liebesromanautor auf dem Weg nach München, dessen Name mehr nach obersteirischem Forstgehilfen als nach Romantico-Romancier klingt, wirkt in etlichen Facetten wie eine Glattauer-Kopie, allerdings in griesgrämiger, alkoholseliger Grundstimmung. „In einem Zug“ ist der erste Roman Glattauers, in dem der Autor offenkundig und großzügig Autobiografisches mit Erfundenem mischt.

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.