Isabella Rossellini: "Gute Fotografie schüchtert mich ein"

Die Schauspielerin und Regisseurin Isabella Rossellini erweitert ihr kreatives Spektrum und moderiert nun eine Foto-Castingshow. Ein Gespräch über Kunstgrenzen, Models und Smartphone-Bilder.

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profil: Wie überredete man Sie denn dazu, als Moderatorin der Show „Master of Photography“ aufzutreten? Haben Sie je einen Job dieser Art gemacht? Isabella Rossellini: Ja, als ich noch sehr jung war und in Italien lebte, in den 1970er-Jahren, moderierte ich eine Sonntagnachmittag-Comedy-Show für das italienische Fernsehen. Sie war sogar sehr erfolgreich, doch dann begann ich zu modeln und zog nach New York. Meine Karriere als Fotomodell erwies sich als derart zeitaufwendig, dass ich keine Zeit für Fernsehjobs mehr hatte. Aber irgendwann begann mich der Produzent, der nun „Master of Photography“ hergestellt hat, zu verfolgen; er rief mich alle zehn Jahre an und meinte, wir müssten gemeinsam eine Show machen, am besten eine Serie. Und plötzlich ergab es sich, dass ich Anfang 2016 zwei Monate lang frei war. Also nutzte ich die Gelegenheit, mich erneut als Zeremonienmeisterin einer TV-Show zu versuchen.

profil: „Master of Photography“ entstand für den neuen Spartensender Sky Arts. Worum soll es in dieser Castingshow gehen? Rossellini: Zwölf talentierte Menschen aus ganz Europa, ausgewählt aus Tausenden von Einreichungen, sind aufgefordert, Großstädte zu durchstreifen und dort gültige Bilder zu finden. Es geht von Rom nach Paris und von Berlin nach Stockholm. Dabei stellen sich sehr verschiedene Aufgaben: Mal müssen sie Denkmäler oder Landschaften fotografieren, dann wieder Akte oder Porträts. Und am Ende jeder Episode wird es natürlich hart – wenn einer der Kandidaten eliminiert wird.

profil: Das Projekt wirkt fast schon zu ambitioniert: die Kunst der Fotografie als Basis einer Unterhaltungssendung? Rossellini: Die Kunst ist vom Entertainment ja nicht scharf getrennt. Aber es stimmt schon: Hier geht es erstmals in einer solchen Show nicht um Sänger, Tänzer oder Models, um Performer vor der Kamera, sondern um jene dahinter. Und es geht auch um die Frage, wie viel an Autorenschaft in einer Fotografie stecken kann.

Jeder Mensch braucht und benützt Fotografie

profil: Das klingt schon spröde: Bildkomposition statt Schlagergesang? Rossellini: So unvergleichbar ist das nicht. Fotografie ist eine Kunst, aber Singen kann das auch sein.

profil: Wie legen Sie den Tonfall Ihrer Show an? Ernsthaft oder komödiantisch? Rossellini: Sehr emotional, auch heiter – und unglaublich spannend. Mittlerweile ist das Fotografieren sehr einfach geworden; jeder kann mit seinem Smartphone passable Fotos herstellen. Aber wir alle wollen darin ständig besser werden und lernen, wie man zu aufregenderen Bildern kommt. Man muss ja nicht gleich einen Beruf daraus machen. Es reicht schon, bessere Fotos für seine Facebook-Site schießen zu wollen. Insofern hat diese Serie ein gigantisches Zielpublikum, denn jeder Mensch braucht und benützt Fotografie.

profil: Aber ist diese Flut von Amateurfotos, mit der wir alle täglich behelligt werden, nicht auch eine Gefahr für die Kunst? Ihre Kandidaten zielen vermutlich ein wenig höher als nur in Richtung Instagram oder Facebook. Rossellini: Klar, unsere zwölf Fototalente wollen allesamt Profis werden. Einige arbeiten bereits sehr professionell damit, andere sind noch sehr jung oder wollen aus einem bürgerlichen Beruf zur Fotokunst übertreten. Wir haben etwa einen Anwalt im Team und eine Tänzerin, die sich infolge einer Verletzung neu orientieren will. Da finden sich viele hochinteressante Hintergrundgeschichten.

Ich war wohl verschreckt, weil ich gesehen habe, wie virtuos man diese Kunst betreiben kann

profil: Hat Ihr Vater, der legendäre Regisseur Roberto Rossellini, dazu beigetragen, Ihr Interesse an der Fotografie zu wecken? Rossellini: Nun, er war ja Filmemacher, für Standfotografie hatte er nichts übrig – und ich habe selbst nie Fotos gemacht. Aber ich kenne den Beruf natürlich bestens, weil ich 25 Jahre lang als Model arbeitete und mit brillanten Künstlern wie Richard Avedon und Peter Lindbergh, Bruce Weber und Steven Meisel zu tun hatte.

profil: Warum wollten Sie denn selbst nie fotografieren? Rossellini: Ich war wohl verschreckt, weil ich gesehen habe, wie virtuos man diese Kunst betreiben kann – gute Fotografie schüchtert mich ein. Und möglicherweise wollte ich mich auch von meinem Vater absetzen, der als Regisseur natürlich auch eine Art Fotograf war. Kino ist ja nichts anderes als die Illusion von Bewegung, hergestellt aus 24 Standbildern in der Sekunde.

profil: Haben Sie an „Master of Photography“ auch kreativ mitgewirkt – oder nur moderiert? Rossellini: Meine Verantwortung war am Ende lediglich, die Gastgeberin zu spielen. Ich erkläre die Regeln, kommuniziere und vermittle, ich interviewe die Teilnehmer und befrage die Jury nach ihren Entscheidungen. Ich bin froh, dass ich unparteiisch bleiben konnte, denn es war oft wirklich schwierig, die stärksten Bilder auszuwählen.

profil: Ich frage das, weil Sie auch selbst Regisseurin sind und wohl Ideen hätten, wie man eine Show wie diese gestalten könnte. Rossellini: Ein Format wie dieses könnte ich nicht inszenieren. Das läge mir nicht – die vielen Kameras, die da vor allem Live-Action einfangen müssen, das ist ein ganz anderer Job.

profil: Sie mögen skurrile Filmprojekte, haben viel mit dem kanadischen Regie-Spinner Guy Maddin gedreht, traten 2015 in David O. Russells „Joy“ auf. Unlängst spielten Sie die Mutter des früh verstorbenen Stummfilmidols Rudolph Valentino. Rossellini: Ja, aber das ist ein eher experimentelles Werk, inszeniert von einem jungen russischen Filmemacher, der Valentino selbst darstellte. Ich spielte die Rolle bereits vor Jahren, aber der Regisseur bearbeitet den Stoff und sein Material offenbar immer weiter. Seine Methoden sind sehr ungewöhnlich.

profil: Wohin führt Sie Ihr kreatives Leben als Nächstes? Rossellini: Ich werde nach Vancouver fliegen, um in einer Serie für das Video-on-Demand-Portal Hulu aufzutreten. Sie heißt „Shut Eye“ und ist zunächst auf zehn Episoden beschränkt. Der Schwede Johan Renck, der übrigens David Bowies letzte Musikvideos gedreht hat, wird inszenieren. Und es wird natürlich, wieder einmal, eine Krimiserie sein.

Isabella Rossellini, 64, startete ihre beiden wesentlichen Karrieren verhältnismäßig spät. In den frühen 1980er-Jahren wurde sie als Model, als Schauspielerin 1986 mit ihrer Rolle in David Lynchs „Blue Velvet“ berühmt. Seither gilt die gebürtige Römerin, Tochter des Kinostars Ingrid Bergman und des Regisseurs Roberto Rossellini, als experimentierfreudige Partnerin exzentrischer Filmemacher. Seit 2006 inszeniert Isabella Rossellini, die seit Jahrzehnten in New York lebt, auch selbst Filme – satirische kurze Arbeiten mit Neigung zu animalischen Sujets. „Some of Me“, das schöne autobiografische Buch der Schauspielerin von 1997, wurde soeben neu aufgelegt: ein Werk der Erinnerungen an die berühmten Eltern, an Lebensabschnittspartner wie Martin Scorsese und David Lynch, ein Buch der kleinen Schwindeleien und Anekdoten aus dem Leben einer glühenden Tierfreundin.