Jähzorn an der Josefstadt: Rechtsgutachten setzt Theaterchef Föttinger unter Druck
In wenigen Stunden wird der Wiener Theaterdirektor Herbert Föttinger als „Sonny Boy“ in Neil Simons 52 Jahre altem Edelboulevard-Stück, das im Original ja „The Sunshine Boys“ heißt, als Schauspieler auf der Bühne zugange sein und eine vorweihnachtliche Premiere an seinem Haus feiern.
Dabei wird Föttinger weder besonders sonnig noch sehr weihnachtlich zumute sein, denn seit September machen schwere Vorwürfe gegen ihn auch medial, ausgehend von einem Bericht im „Standard“, die Runde. Föttinger verbreite als Regisseur und Prinzipal „permanente Angststimmung“, herrsche vor allem jüngere Schauspielkräfte in oft vulgärstem Tonfall an, schrecke auch vor Drohungen und Handgreiflichkeiten keineswegs zurück. Andere an der Josefstadt beschäftigte Regisseure, hieß es, hätten sich ebenfalls missbräuchlicher Umgangsformen bedient.
Föttinger verteidigte sich mit seiner Theaterleidenschaft und seinen „mitunter hoch emotionalen“ Reaktionen; er neige eben dazu, „die inhaltliche Konfrontation zu suchen und hitziger zu debattieren, als es notwendig wäre“. Er entschuldigte sich bei all jenen, die er gekränkt, herabgewürdigt oder unter Druck gesetzt habe, und erklärte, an seinem Verhalten arbeiten zu wollen.
Damit war die Sache nicht vom Tisch. Der Stiftungsvorstand des Theaters ordnete eine interne Nachforschung zu den 18 vorliegenden Erfahrungsberichten von Theatermitarbeiterinnen und -mitarbeitern an. Sie soll morgen, Freitag, veröffentlicht werden. Wolfgang Renzl, Anwalt der von den mutmaßlichen Grenzüberschreitungen Betroffenen, war indes nicht untätig. Er gab ein Gutachten in Auftrag, das die juristischen Konsequenzen der geschilderten Vorfälle einschätzen, diese auch auf Entlassungsgründe hin überprüfen sollte. Die an der Universität Wien arbeitende Rechtswissenschaftlerin Michaela Windischgrätz hat dieses Gutachten erstellt, es liegt dem profil als „vorläufiger Text“ vor.
"Übergriffe an der Tagesordnung"
Die Autorin kommt darin zu dem Schluss, dass die Stellungnahmen der Betroffenen „ein Bild von struktureller Gewalt und Ausnutzung von Machtpositionen im Theaterbetrieb zeichnen“. Es werde „eine Atmosphäre der Angst“ geschildert, und es sei von „psychischem Stress“ die Rede, „Tätlichkeiten, Ehrverletzungen und sexuelle Übergriffe“ seien dort offenbar „an der Tagesordnung.“