Literatur

Huckleberry Finns berühmte Geschichte, einmal komplett umgedreht

In seinem neuen Roman legt US-Autor Percival Everett die Lauffeuer des Menschenhasses schonungslos offen.

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„James“, Percival Everetts neuer Roman, ist das Buch einer Menschenjagd, die Geschichte eines Entrechteten, der seinen Platz in einer Welt der Brutalität und Rohheit sucht. „James“ ist halb Anklageschrift, halb Neuschreibung eines Klassikers, den jedes Kind kennt: In „Huckleberry Finns Abenteuer“ (1885), niedergeschrieben von Mark Twain (1835–1910), wird vom Unterwegssein des jungen Huck berichtet, der in Begleitung des Sklaven Jim durch die schweren Wasser des Mississippi kreuzt. Bereits Twains Roman, der noch immer als Jugendlektüre verkannt wird, steckt voller Gesellschaftskritik, vor allem am systematischen Rassismus in den USA – mit einer Ausnahme: Hucks Weggefährten Jim gestand Twain über weite Strecken die Rolle des schwerfälligen Simpels zu. In allem gebotenen Ernst kehrt Everett in „James“ die Perspektive um. Während die weißen Herrenmenschen entlang der Ufer des Mississippi wüten, erweist es sich, dass der Sklave James lesen und schreiben kann – und als beredter Icherzähler die Geschichte seiner Flucht an Hucks Seite erzählt. Everett, geboren 1956 in Fort Gordon, US-Bundesstaat Georgia, Professor für Englisch an der University of Southern California und Autor wuchtig-zorniger Werke wie „Ausradiert“ (2001; dt. 2008) und „Die Bäume“ (2021/2023), hat mittels dieses Totalschwenks mit „James“ einen Roman geschrieben, der in die Herzen und Köpfe reicht. Sechs Sätze aus einem Meisterwerk, das Menschenverachtung und Rassenwahn unnachgiebig offenlegt.

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.