Interview

Josef Hader über seinen neuen Film – und den Zustand der Welt: „Das Lachen ist mir vergangen“

Josef Hader, der bei der Berlinale demnächst seine Tragikomödie „Andrea lässt sich scheiden“ vorstellen wird, weiß wie kein Zweiter die Conditio humana zu beleuchten. Im profil-Interview denkt der Entertainer über Feminismus, Provinzpolizei, Männereinsamkeit und Wohlstandsverwahrlosung nach.

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In Berlins altehrwürdigem Zoo Palast wird es rundgehen. Denn in wenigen Tagen, am 18. Februar, steht dort die Weltpremiere von „Andrea lässt sich scheiden“ an, Josef Haders zweiter Regiearbeit nach „Wilde Maus“ (2017), in der „Panorama“-Sektion der Berliner Filmfestspiele 2024. Birgit Minichmayr gibt die Titelheldin, eine Landpolizistin, in diesem im Weinviertel gedrehten Film. Neben ihr treten die fabelhafte Maria Hofstätter und der zuletzt in Christian Petzolds „Roter Himmel“ sehr präsente Thomas Schubert auf – und Hader selbst als tragische Figur. Sein Cast erst, der ja stets „eine Mischung aus Intuition und Glück“ sei, so Hader, habe das Drehbuch aufblühen lassen. Es geht in „Andrea lässt sich scheiden“ um moralische Zwickmühlen und eine Katastrophe mit weitreichenden Folgen. In „Wilde Maus“ war Hader selbst das unumschränkte Zentrum der Ereignisse, nun aber musste es, in einer Story fern der Stadt, eine Frau sein: „Denn Frauen haben es am Land ungleich schwerer als Männer. Und beim Schreiben braucht man Schwierigkeiten, sonst funktioniert es nicht.“

Sieben Jahre sind seit „Wilde Maus“ ins Land gezogen. Wird er mit seiner nächsten Kinoinszenierung folglich bis 2031 warten? Er lacht zwar, aber sehr viel schneller wird es kaum gehen. Mit seinem aktuellen Programm, „Hader on Ice“ tourt er weiterhin durch den deutschsprachigen Raum. Und er brauche eben sehr lange, sagt er noch, um für sich „Neues zu finden“. Zwei spannende Filmrollen kommen außerdem 2024 auf ihn zu, danach hoffe er den Kopf fürs Schreiben wieder freizuhaben.

Diese Woche wird der talentierte Josef Hader 62 Jahre alt, aber seine schelmisch juvenile Art hält ihn alterslos, sein genuines, fast nerdiges Interesse an der menschlichen Psyche produziert unaufhörliche Neugier. Im Wiener Café Stein nimmt er Platz, gewohnt liebenswürdig widmet er sich, ohne jeden Zeitdruck, dem profil-Gespräch – kein Hauch von Selbstgefälligkeit durchkreuzt seine Ausführungen.

„Andrea lässt sich scheiden“, Ihr neuer Film, der von einem tödlichen Dilemma handelt, konterkariert die lustspielhafte Harmlosigkeit seines Titels konsequent. Wollen Sie Ihr Publikum in die Irre führen?
Hader
Ich bin mit diesem Titel schon auf Widerstände gestoßen, manche fanden die Ironie am Anfang nicht so cool. Mir gefällt, dass man, wenn man nach dem Film aus dem Kino geht und am Plakat vorbeikommt, noch einmal eine kleine Pointe hat. Im Englischen funktioniert er noch besser. „Andrea Gets a Divorce“, da schwingt das Unfreiwillige mit.
Sie locken die Menschen zwar unter falschen Prämissen ins Kino, aber der Titel hat seine eigene Doppelbödigkeit. Insofern passt er auch wieder.
Hader
Ich glaube, dass die Menschen bei mir eh schon mit Doppelbödigem rechnen, insofern werden sie nicht so enttäuscht sein. In den Testvorführungen ging das gut auf. Da gab es dieses spezielle Lachen, das auch in meinen Bühnenprogrammen passiert
Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.