Newsletter

Kampf um Frauenrechte im Iran: Die Zeichnerin Marjane Satrapi unterläuft in einer neuen Graphic Novel die Zensur

Die "Persepolis"-Zeichnerin Marjane Satrapi legt mit ihrem neuen Band ein erbittertes Plädoyer für Frauenrechte im Iran vor: Die von ihr herausgegebene Comics-Anthologie "Frau Leben Freiheit" bezieht Stellung gegen die Mullahs.

Drucken

Schriftgröße

Das Buch „Frau, Leben, Freiheit“ (Rowohlt), herausgegeben von der iranisch-französischen Comiczeichnerin Marjane Satrapi, Schöpferin des Welterfolgs "Persepolis", ist ein so fernes wie ganz nah vernehmbares Echo auf eine Mordtat. Satrapi, 54, versammelt in der Graphic Novel 21 Zeichnerinnen und Zeichner aus Iran, Europa und Amerika, die Nachricht geben aus einem Land, das von einem allmächtigen Regime hinter analogen wie digitalen Zensurmauern kaserniert wird. 

Politischer Hintergrund des Buchs: Am 13. September 2022 wurde die iranische Studentin Mahsa Amini von der Sittenpolizei in Teheran in Gewahrsam genommen. Ihre angebliches Delikt: Sie soll ihren Hidschab, das vorgeschriebene Kopftuch, nicht „ordnungsgemäß“ getragen haben. Mahsa war an jenem Dienstag mit ihrer Familie auf der Rückreise aus dem Urlaub zurück in ihre Heimatstadt Saqqez, Provinz Kurdistan. Laut Aussagen ihres jüngeren Bruders wurde sie gewaltsam in einen Polizeiwagen gezerrt und zur Polizeistation Vozara gebracht, wo sie so heftig geschlagen wird, dass sie kurz darauf kollabierte und ins Koma fiel. Auf einem Foto, das Mahsas Familie verbreitete, ist eine bewusstlose junge Frau im Spitalsbett zu sehen, Schläuche in Mund und Nase, weiße Schleifen im schwarzen Haar. Am Freitag, dem 16. September, erklären Ärzte des Kasra-Krankenhauses in Teheran Mahsa für tot.
Das Foto der Schwerverletzten im Krankenbett verbreitete sich rasch über diverse Online-Kanäle – und lösten in dem autokratisch regierten Mullah-Staat ungeahnten öffentlichen Protest aus, die erste feministische Revolution der iranischen Geschichte, die von Männern unterstützt wurde. „Frau, Leben, Freiheit“, ursprünglich ein Slogan der Arbeiterpartei Kurdistans, skandierten die Demonstrierenden auf Irans Straßen. 
 

Man soll sich nicht täuschen: Die glubschäugigen Strichmännchen und niedlich skizzierten Kopftuchträgerinnen, die in „Frau, Leben, Freiheit“ auftreten, kennen nur eine Botschaft, unerbittlich: endlich Frauenrechte, hinweg mit der erdrückenden Tradition der Frauenfeindlichkeit! 
Der Schriftsteller James Joyce lag wohl richtig, als er sinngemäß sagte: „Die Geschichte ist ein Albtraum, aus dem man zu erwachen sucht.“ Für die Frauen im Iran – wie für viele andere Frauen auf der Welt – währt der Dauerschrecken einer misogynen Männerwelt schon viel zu lange.

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.