Katrina Daschner – Kunsthaar in Unterwasserlandschaft
In der jüngsten Produktion der Künstlerin Katrina Daschner geschieht Irritierendes. Die toten Augen eines präparierten Vogels treffen auf den sehr lebendigen Blick einer glitzernd geschminkten, neonfarben bestrahlten Schauspielerin (Hyo Lee), die durch einen kalten Wald streift. Im Mondlicht tropft schwarze Flüssigkeit auf ein nacktes Knie. Giftgrün beleuchtetes Kunsthaar fließt wie in Zeitlupe durch Unterwasserlandschaften, eine fluoreszierende Qualle lässt sich von Menschenhand streicheln. Fast fleischlich leuchten Korallen und Anemonen einem in Großaufnahmen so plastisch entgegen, als könnte man sie jederzeit berühren: eine Studie der Unheimlichkeit, intensiviert von dem filigranen elektronischen Sound-Design der Videokünstlerin Sabine Marte.
Die psychedelischen, zwischen Natur und Künstlichkeit flirrenden Bildwelten (Kamera: Hannes Böck& Caroline Bobek) in Daschners neuer, als Doppelprojektion konzipierter Filmarbeit – sie heißt "Golden Shadow" – sind das Herzstück einer Ausstellung, die am Donnerstag dieser Woche in der Kunsthalle Wien im MuseumsQuartier eröffnet wird. Die Daschner-Schau "Burn& Gloom! Glow& Moon!", kuratiert von Övül Ö. Durmuşoğlu (zu sehen bis 23.10.), führt in ein Paralleluniversum zwischen Horrorfilm, Meta-Theater und Burlesque. "Golden Shadow" ist ihr inzwischen zehnter Film mit der Performerin Hyo Lee, die Teil jenes Ensembles ist, das in Daschners Werken zugange ist. Die Menschen, die sie ablichtet, sind "Freundinnen, Mitstreiterinnen. Das ist mein Umfeld, aus dem heraus ich agiere."
Katrina Daschner, geboren 1973, arbeitet an der Schnittstelle von Film, Installation, Performance und Skulptur. "Meine Bildsprache speist sich natürlich extrem aus der bildenden Kunst", sagt die Künstlerin im profil-Gespräch. "Aber die Höhle des Kinos ist mir manchmal lieber." Den Kunstbetrieb empfinde sie "häufig als zu modisch". NFTs wird es von ihr so bald nicht geben, das fashionable Kürzel bringt sie vorläufig nur zum Lachen.
Die Wiener Ausstellung wird das Flüchtige ihrer Filmszenerien auch in den Raum spiegeln; es wird Fotocollagen und Haarskulpturen, gehäkelte Gadgets und überdimensionale Installationen (wie eine Vagina dentata) zu sehen geben. Die Frage nach der Position des zuschauenden Subjekts treibt Katrina Daschners Kunst: Wer ist noch Publikum, wer schon selbst darstellend aktiv? Wie sind Bühnen definiert? Wo beginnt die Zone off stage? Wohin (und woher) blicke ich? Vorhänge sind in Daschners Filmen omnipräsent, sie markieren einen – allerdings trügerischen – Übergang zwischen Kunst und Wirklichkeit. Schließlich die bange Frage: Was ist hier "echt", was gemacht? Die Qualle in "Golden Shadow" etwa ist nicht echt, obwohl man sie dafür halten könnte, sie ist nur ein transparenter Köder: eine Kunstqualle in der Kunsthalle, auch dies eine Premiere.
Das Element des Theatralischen durchdringt Katrina Daschners Arbeit. Die Schönheit, die sie zelebriert, bricht lustvoll mit allen Herrschaftsnormen. Die sinnliche Gewissheit, mit der sie das Spiel der Texturen und Metamorphosen orchestriert, ist verblüffend. Daschners Werke sind sanft bewegte Bilderrätsel, die allerdings über besondere Schlagkraft verfügen; denn sie sind, bei allem dunklen Lyrismus, auch Agitationsstücke: Widerreden gegen die Normierung von Körpern und gegen ein binäres Geschlechterverständnis, gegen jene (a)sozialen Zuschreibungen, die Menschen zu Kategorien machen.
Die Kunsthallenschau bildet einen vorläufigen Höhepunkt in der Karriere der Künstlerin. Bereits 2010 fand zwar eine ähnlich große Ausstellung im Centre d'art Passerelle in Brest statt, in Österreich gab es jedoch bislang nie eine größere. Der berufliche Einstieg der gebürtigen Hamburgerin, die seit bald drei Jahrzehnten in Wien ansässig ist, ging Anfang der 1990er-Jahre schief. In Berlin begann sie, um Kostümbildnerin zu werden, eine Ausbildung zur Herrenschneiderin an der Staatsoper Unter den Linden. Sie schmiss ihre Lehre nach anderthalb Jahren. "Ich war 19 und hatte viele lustige Ideen, wollte nicht um 5.15 Uhr aufstehen, um wenig später im weißen Kittel mit Nadel in der Hand in einer Werkstatt zu stehen. Meine Ausbildnerin hat immer gesagt: Fräulein Daschner, Sie sollen nicht denken, sondern tun, was ich sage.'" Die Näharbeiten für Opernproduktionen befriedigten sie nicht, die Lust am Theatralischen blieb. Ihre künstlerische Sozialisierung hatte in ihrer Kindheit stattgefunden, in den Theatern und den Kinos, in die sie ihre Großtante mitgenommen hatte. "Diese Räume, die Glamour-Höhlen waren, regten meine Fantasie an. Auch großartige Ausstellungen prägten mich; ich weiß noch, dass ich 1995 am selben Tag eine monumentale Show von Cindy Sherman in den Deichtorhallen und den "Heidi"-Zyklus von Paul McCarthy & Mike Kelley im Hamburger Kunstverein gesehen habe. Das löste eine Explosion in mir aus."
In Wien studierte sie bei Brigitte Kowanz Bildhauerei, stillte ihr "Grundbedürfnis", mit Textilem und Skulpturalem zu hantieren. Auf das streng Taktile ihrer Arbeit hat Katrina Daschner konsequent hingearbeitet: Sie nennt es "Anfassen mit den Augen". Sie fragte sich, wie man dies visuell erzeugen konnte, "ohne ins Voyeuristisch-Pornografische zu kippen. Es sollte im Gegenteil ein ganz feines Abtasten der Dinge sein, die zarte Bewegung des Stofflichen, die Belebung von Objekten oder Oberflächen feiern". Daschners raffinierte Ästhetik scheint den verführerischen Objekten
und Modeschmucktexturen der feministischen Künstlerin Linda Christanell ebenso verbunden zu sein wie Matthew Barneys surrealen Filmwelten; Daschner tendiert ebenso wie der Amerikaner dazu, Hollywood-Choreografien, vor allem jene des Musical-Innovators Busby Berkeley, zu variieren. Sie könne die Assoziation mit Barney schon nachvollziehen, "aber ich fühle mich ihm gar nicht verwandt. Mir sind seine Arbeiten, bei aller Faszination, zu slick. Und auch zu hetero."
Die kreativen Bezugspunkte, die ihr selbst einfallen, führen anderswohin: zur Künstlerin Toni Schmale etwa. "Und ich fühle mich dem Filmemacher Aki Kaurismäki sehr verbunden. Weil er auch ein Ensemble, eine soziale Familie hat, mit dem er seit Jahrzehnten arbeitet. Ich kann mit den Abgründen, von denen er erzählt, viel anfangen." Es habe übrigens vor Jahren einen Moment gegeben, erzählt sie noch, "da dachte ich, ich möchte einen Spielfilm machen. Davon bin ich wieder abgekommen. Der klassische Spielfilm ist nicht meine Welt. Ich hätte allerdings irrsinnige Lust, einmal eine Oper zu inszenieren."
Auch wenn Schnitzlers "Traumnovelle" für viele ihrer Filmarbeiten Pate stand: "Mich tragen eher meine Werke selbst, von einem zum nächsten. Dazwischen gibt es Phasen des vermeintlichen Nichtstuns. Eine serielle Faulheit ist in mir, die mich auch an den Rand des Depressiven bringen kann. Man meint, es herrsche Stillstand, aber eigentlich schließt man etwas ab, das muss man aushalten, danach geht es wieder weiter. Je älter ich werde, desto besser kann ich mit diesen Phasen umgehen."
Die Labels Queerness und Feminismus, die ihr oft zugeschrieben werden, trägt sie mit Stolz: "Wir können uns diese Begriffe nicht aus der Hand nehmen lassen, denn es war ein Kampf, sich all das zu erarbeiten." Und: "Glamour verbinde ich ganz klar mit widerständiger Queerness. Nicht mit dem, was in der 'Gala' steht." Woke war Katrina Daschner schon, als das Wort noch gar nicht existierte. "Jetzt erst greift im Mainstreamkino langsam die Idee, dass man beispielsweise schwule Figuren nicht dauernd mit Hetero-Darstellern besetzen muss. Das ist für mich seit Ewigkeiten klar. Jede meiner Darsteller*innen bringt Teilaspekte ihres Lebens mit ein. Sie sind Expert*innen ihrer selbst. Das ist gelebte Erfahrung, nicht bloß gespielte lesbianhood. Das wäre ein bisschen cheesy."