Kultur

Kaufhaus Lamarr: Den Traumschlossträumen beim Scheitern zusehen

Wenig versinnbildlicht die Signa-Insolvenz eindrücklicher als die nach Hedy Lamarr, dem Weltstar aus Wien, benannte Bauruine auf der größten Shoppingmeile der Stadt. Eine Kurzzeitbeobachtung.

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Vier Stunden lang das reine Nichts. Ein Freitagnachmittag auf Wiens größter Einkaufsstraße, Höhe Mariahilfer Straße 10–18, die Bauruine „Lamarr“, René Benkos gescheiterter Luxustempeltraum. An diesem Nachmittag unter grauem Himmel tut sich hier: nichts. Kein Schlagbohrgetöse, kein Lkw-Rückfahrtsgepiepe, keine Bauarbeiterhelme, keine surrende Geschäftigkeit an jenem Ort, der als Luxury Department Store geplant war, dem die Wiener Schauspielerin und Erfinderin Hedy Lamarr (1914–2000) als Namenspatronin dienen und der im kommenden Jahr eröffnen hätte sollen. Kariöse Fassade, skelettartige Betonrippen, leere Fensterhöhlen, eine Kaskade an Graubetonschattierungen – als hätte ein Riese achtlos auf einem 7500 Quadratmeter großen Grundstück seine Bauklötze fallenlassen. Stellwände mit Hochglanzfotos, die Hedy Lamarr als Schauspielerin zeigen, umranken den festungsartig bewachten Platz. Auf einem der Fotos wurde ihr ein Schnurrbart verpasst; ein anderes zeigt eine von Sternen umkränzte Kinoheldin, eine Szene aus dem Film „Ziegfeld Girl“ von 1941. Es sind Fotos aus Hollywoods goldenem Zeitalter, als Stars noch himmelferne Gestalten waren. Die Fallhöhe zwischen René Benkos Griff nach den Sternen und der tristen Realität der Signa-Insolvenz versinnbildlicht hierzulande nichts eindrücklicher als die Fotos der Olymp-Bewohnerin Hedy Lamarr auf grauem Baugrund, auf dem alles stillsteht. Vieles ist hier außer Proportion geraten. Immerhin liegt in Lamarrs Blick von den Baustellenwänden etwas Triumphierendes.

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.