Kino

Killer statt Loser: Umstrittener Film über den jungen Donald Trump in Cannes

Der Spielfilm „The Apprentice“, der die ersten Karriereschritte des Immobilienunternehmers fiktionalisiert, könnte ein juristisches Nachspiel haben: Eine Szene zeigt Donald Trump als Vergewaltiger seiner Ehefrau Ivana.

Drucken

Schriftgröße

Wie kann oder soll man Donald Trump in einem Spielfilm darstellen? Der iranisch-dänische Regisseur Ali Abbasi („Border“; „Holy Spider“) hat versucht, diese Frage zu beantworten – und ist damit naturgemäß im Wettbewerbsprogramm der nach spektakulärem Content stets gierenden Filmfestspiele in Cannes gelandet. Am gestrigen Montagabend kam im Festivalpalast an der Croisette also „The Apprentice“ zur Weltpremiere, zeitgerecht und passend zu den täglichen Nachrichten von den Prozessen und Wahlkampfvorbereitungen des alten Trump. 
Der Titel der kanadisch-dänisch-irischen Koproduktion spielt auf zweierlei an: einerseits auf die von Trump ab 2004 koproduzierte Reality-TV-Show, andererseits (und wichtiger) aber auch auf eines der herausragenden Talente des Unternehmers Donald Trump – die skrupellose Übernahme der profitablen Ideen anderer. Als gelehriger Schüler in den Fächern Menschenausbeutung, Egomanie und Durchsetzungskraft durchläuft er in „The Apprentice“ die tiefe Schule der Macht- und Korruptionspolitik.

Zwischen den mittleren 1970er- und den späten 1980er-Jahren bewegt sich die Erzählung dieses Films: Es sind die Lehrjahre eines überambitionierten Autokraten, dessen Eitelkeit zu Fettabsaugung und Haartransplantation – und dessen Aids-Panik zu bizarren Vorsichtsmaßnahmen führte. Wer nicht bereit sei, zum „Killer“ zu werden, bleibe eben ein Loser: Diese Cohn’sche Grundregel verinnerlichte Donald Trump bereits früh.
Sebastian Stan macht seine Sache als unsicherer Neo-Entrepreneur hervorragend; der Balanceakt einer Darstellung, die die Figur Trump ernst nimmt, zugleich aber deren Schwachstellen klar herausarbeitet, gelingt ihm bestens. Die spannendere Gestalt dieses Films ist jedoch der Mann, von dem Trump einst alles in Sachen Vulgarität, Impertinenz und Dämonie gelernt hat: Der bedenkenlos über Leichen gehende New Yorker Anwalt Roy Cohn, dargestellt von dem „Succession“-Star Jeremy Strong, nimmt Trump unter seine Fittiche, leitet dessen Aufstieg in die Wege, nicht ohne ihn zunächst einer Reihe von Demütigungen zu unterwerfen. 
Das alles ist – bei recht geringem Erkenntniswert – geschickt inszeniert, im involvierenden Stil aktueller Fernsehserien, der stilistischen Eigensinn und andere Ablenkungen von der Storyline tunlichst vermeidet: Regie ohne besondere Kennzeichen. 


Eine Szene freilich sticht dennoch ins Auge: Die Darstellung sexueller Gewalt, die Trump hier seiner Ehefrau Ivana (Maria Bakalova) antut, könnte demnächst noch ein gerichtliches Nachspiel haben. Denn zwar wurde diese Vergewaltigung 1989/90 in den Scheidungsunterlagen detailliert beschrieben, Ivana Trump aber ruderte drei Jahre später zurück und erklärte, sie habe damit keinen kriminellen Tatbestand anzeigen wollen. Sie habe sich in den sexuellen Beziehungen zu ihrem Mann in der Endphase ihrer Ehe lediglich „verletzt“ gefühlt, keine buchstäbliche Vergewaltigung erlebt. Donald Trump selbst bestritt eine solche selbstredend stets.
Und auch eine zweite Klagsdrohung stehe, einem Bericht des Branchenblatts „Variety“ zufolge, bereits im Raum. Der Milliardär und Trump-Financier Dan Snyder, der in Abbasis Film investiert hatte, weil er davon ausgegangen war, er werde ein positives Bild des Jungunternehmers zeichnen, sei nach Ansicht eines Rohschnitts des Werks empört gewesen und habe über seine Firma in den Schnitt einzugreifen versucht. Offensichtlich erfolglos. 
Ob und wann der Film in den USA in die Kinos kommen wird, steht übrigens noch in den Sternen. Bislang hat sich kein Verleihunternehmen gefunden, das „The Apprentice“ in jenem Land, das demnächst wieder von einem Präsidenten namens Donald Trump regiert werden könnte, zu veröffentlichen bereit wäre.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.