Im Rampenlicht: Startenor Jonas Kaufmann

König der Tenöre: Jonas Kaufmann beehrt die Osterfestspiele

König der Tenöre: Jonas Kaufmann beehrt die Osterfestspiele

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Der Begriff "Hochkonjunktur“ klingt im Fall des deutschen Tenorstars Jonas Kaufmann wie eine fahrlässige Untertreibung. Seine endlos anmutende Tour durch die wichtigsten Opernhäuser Europas ist das Ergebnis kluger Repertoireaneignung. 2013 hat der 45-jährige Münchner seinem ohnehin bunten Rollenverzeichnis gleich drei bedeutende italienische Partien hinzugefügt: den Manrico in Verdis "Troubadour“, den düsteren Räuber Dick Johnson in Puccinis Westernmärchen "Das Mädchen aus dem Goldenen Westen“ und einen heldisch-gleißenden, dabei verletzlichen Alvaro in Verdis "Macht des Schicksals“.

Italienische Reise

2015 geht Kaufmann noch klarer in die Offensive, schüttelt die Rollendebüts im schwersten italienischen Fach aus dem Ärmel. Eben hat er sich in London Umberto Giordanos Revolutionspoeten Andrea Chénier erobert. Ende Februar gab er in Rom erstmals den Radamès in "Aida“. Und nun wagt der Tenorissimo, was sonst kaum einer je, noch dazu als Debüt, an einem Abend gesungen hat: Unter Christian Thielemann singt er bei den Osterfestspielen Turiddu und Canio in Mascagnis/Leoncavallos Zwillingseinaktern "Cavalleria Rusticana“ und "Der Bajazzo“.

Es muss was Wunderbares sein

Kaufmann ist in seinem Fach gegenwärtig nicht einholbar. Sein Marktwert und Bekanntheitsgrad sind inzwischen so weit gestiegen, dass er in der Helene-Fischer-Show mit der Gastgeberin im Duett Benatzkys "Es muss was Wunderbares sein“ schmachtet, während sein 2010 erschienenes Interviewbuch aktualisiert und neu aufgelegt wird. Gleichzeitig startet er noch im Frühling, aus Anlass des Erscheinens seines Albums "Du bist die Welt für mich“ samt DVD, eine europaweite Operettentournee durch elf der größten Klassiksäle (am 14. Mai wird er auch im Wiener Konzerthaus gastieren). Ende Juni tritt er im Rahmen eines Open-Air-Konzerts mit Anna Netrebko in München auf.

Ein Darsteller auf Augenhöhe mit Film- oder Theaterschauspielern

Obwohl er Richard Wagners Werke aktuell ein wenig vernachlässigt, hat es einen stimmlich so virtuosen, ähnlich rollenflexiblen, regelmäßig an den großen Opernweltbühnen, zudem in Bayreuth und Salzburg bejubelten deutschen Sänger vor Kaufmann noch nie gegeben. Vor allem keinen, der allen großen Tenören von Enrico Caruso und Beniamino Gigli über Giuseppe di Stefano, José Cura und Marcelo Álvarez bis hin zu Domingo, Carreras und Pavarotti die Stirn bieten kann. Und dies nicht als gieriger Rollenfresser oder schneller Gagenkassierer, sondern auf besonders hohem künstlerischen Niveau. Das Überraschendste an Kaufmann aber ist seine darstellerische Variabilität. Er entwickelt seine Opernfiguren mit einer modernen Intensität, die berührt, bannt, verzaubert. Andere mögen lauter, protziger, "italienischer“ gesungen haben. Mit dem Klischee des dummen Tenors, des lachhaften Macho aus der Anekdotenhistorie der Oper hat Kaufmann endgültig gebrochen. Er ist ein Darsteller auf Augenhöhe mit Film- oder Theaterschauspielern.

Global gefeierte Karriere

Jonas Kaufmann fährt nun, in der Mitte des Lebens, die Ernte einer über zwei Dekaden reichenden, seit zehn Jahren global gefeierten Karriere ein. Fotositzungen für Glamour-Illustrierte gehören bei ihm längst zur Routine, er wirbt für Kleider, Autos, als Luxusuhren-Testimonial steht er in einer Reihe mit Domingo und Cecilia Bartoli. Er tritt in Spielfilmen auf (zuletzt neben John Malkovich in Michael Sturmingers "Casanova Variations“), denkt über die abgeschlossene Welt der Oper weit hinaus. In Italien hat man ihm - das spricht für seinen Status auch in der klassikresistenten Welt - jüngst sogar eine Affäre mit Madonna angedichtet.

Mindestens zehn Jahre wird der Sänger Jonas Kaufmann noch, wenn er emotional ausgeglichen bleibt und seinen harten Terminplan weiterhin so gut ausbalanciert, auf höchstem Niveau zu genießen sein. Glücklich all jene, die König Kaufmann dieser Tage auf seinem legitimen Tenorthron erleben können.