Philip Glass im profil-Interview

Komponist Philip Glass: "Wir sollten Donald Trump dankbar sein"

Philip Glass, US-Komponist, über neue Pläne, neue Fans und den wachsenden Widerstand gegen US-Präsident Donald Trump.

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INTERVIEW: OTMAR LAHODYNSKY

profil: Sie haben immer die Grenze zwischen der sogenannten E- und U-Musik bekämpft. Gibt es diese Unterscheidung noch? Glass: Das ist eine interessante Frage. Unter Komponisten meiner Generation spielen diese alten Kategorien keine Rolle mehr. Heute gefällt meine Musik aus den 80er Jahren vielen jungen Menschen, weil sie so unbelastet von musikalischer Geschichte ist. Die jungen Leute sind heute auch viel freier als zu meiner Zeit. Damals gab es die Zwölfton-Musiker, die Stockhausen-Anhänger oder John Cage. Und dann waren Komponisten so wie ich. Da wurden wir gefragt, he, was macht ihr da eigentlich? Aber sie waren eigentlich schon am Ende des Weges. Sie sagten, dass sie Musik für die Zukunft schrieben, aber in Wahrheit komponierten sie Musik der Vergangenheit. Stockhausen schrieb wunderschöne Musik, aber sie passte nicht mehr in die Zeit. Als ich als junger Mann nach Paris kam, hörte ich Chorwerke von Stockhausen oder Xenakis. Ich wusste, dass deren Zeit vorbei war, nur sie wussten es noch nicht. Sie haben uns manchmal vorgeworfen, dass wir ihre Gegner seien. Aber das waren wir nicht. Wir waren ihnen einfach voraus.

profil: Manchmal reagiert das Publikum noch immer sehr konservativ. Bei einem Konzert in Köln vor einem Jahr spielte der Cembalist Esfahani mitten unter Bach ein Stück von Steve Reich. Ein wütendes Publikum zwang ihn, damit aufzuhören. Glass: Seltsam – ich schrieb ein Stück basierend auf Bach’s Präludium. Bei der Aufführung hat niemand Buh gerufen.

profil: Bei der Eröffnung der Elb-Philharmonie in Hamburg wurde Anfang dieses Jahres ihre Symphonie „Low“ nach Werken von David Bowie und Brian Eno aufgeführt. Da gab es nur Jubel. Glass: David Bowie war ja gerade gestorben. Ich war 51 Jahre alt, als ich ab 1988 mit David Bowie zusammen gearbeitet habe. Ich sagte ihm: David, ich möchte gerne Musik von dir und Brian Eno in eine Symphonie einbauen. Sie fanden das für eine gute Idee und so machten wir es. Später sagte mir David, dass er die Heroes-Symphonie von mir besser fand, weil sich die Low-Symphonie von seiner Musik weniger unterschied. Vor kurzem habe ich eine Einladung vom Los Angeles Philharmonic Orchestra bekommen, eine weitere Symphonie nach Musik David Bowies und Brian Enos zu komponieren. Das wird meine 12. Symphonie sein, aber ich bin noch nicht fertig damit. Ich verwende Musik von der Platte Lodger von David und Brian. Ich mache immer gerne Trilogien. Diese wird im nächsten Jahr abgeschlossen sein.

profil: Planen sie weitere Opern? Glass: Ja, ich arbeite an einem Stück von Maurice Sendaks Buch „In the Nightkitchen“ für das Festival von Manchester. Es wurde eigentlich als Kinderbuch geschrieben, aber wir werden es anders inszenieren. Dann plane ich noch eine Oper nach einem Roman von Doris Lessing, von der ich schon zwei Werke vertont habe. Sie wird „Memoiren einer Überlebenden“ heißen. Das wird meine fünfte Trilogie sein. Ich mache Sachen immer gerne drei Mal.

Philip Glass

profil: Sie haben enge Beziehungen zu Oberösterreich, besonders zum Bruckner Orchester und deren langjährigen Chefdirigenten Dennis Russel Davies. Sie spielten gerade bei den Salzkammergut-Festwochen in Gmunden eine Klavierkonzert mit ihren Werken. Wird es weitere Kooperationen geben? Glass: Ich habe mit Dennis sehr viele Werke hier aufgeführt . Für Linz habe ich eine Oper über Kepler geschrieben und für die Eröffnung des neuen Musiktheaters die Oper „Lost“. Der Librettist Peter Handke wollte es aber „Evidence for things disappeared“ nennen. Es war schon eine Überraschung für mich: wenn ein Opernhaus eröffnet wird, dann spielen sie meistens „Die Meistersinger“ zum x-ten Male, aber die Linzer wollten eine neue Oper. Ich habe das gerne gemacht, aber unter einer Bedingung: Am Ende der Oper sollten alle Mitarbeiter des Theaters auf der Bühne stehen.

profil: Was halten Sie eigentlich von Präsident Donald Trump und seinen Einfluss auf die Kultur? Glass: Es ist wunderbar. Erstmals werden sogar Kinder politisiert. Auch meine Kinder spielten die ganze Zeit Videospiele. Jetzt gehen sie auf Demonstrationen und engagieren sich für Politik. Mein 14-jähriger Sohn rief mich nach der Wahl von Trump an - ich war gerade in Prag. Ich sagte ihm: Demokratie ist wertvoll, aber wir Amerikaner haben während vieler Jahre nicht sehr viel dafür getan. Nun müssen alles nachzahlen. Wir sollten Trump dafür dankbar sein, dass er uns aufgerüttelt hat und wir uns wieder wichtigen Dingen zuwenden. Derzeit unterstützen Trump weniger als 30% der Amerikaner. Trump will den Klimaschutz loswerden oder die Gesundheitsversorgung oder alle Verträge mit anderen Staaten. Trump wollte Amerika grösser machen, aber in Wahrheit macht er das Land klein und angsterfüllt. Nach 75 Jahren, in denen die USA zu den führenden Nationen der Welt gehörte, finden wir uns nun auf der Toilette. Das wollen die Amerikaner nicht.

profil: Das entspricht nicht der Rolle der USA in der Welt. Glass: Die Österreicher, Deutschen oder Italiener würden es auch nicht mögen, wenn man ihnen plötzlich sagt, wie schrecklich ihr Land ist. Trump schimpft immer noch über Obama, obwohl der schon über ein Jahr nicht mehr Präsident ist. Bei uns gibt es die Gewaltenteilung zwischen der Legislative, der Exekutive und der Justiz. Trump hat das ignoriert. Er glaubte, er brauche nur etwas zu sagen und es wird so gemacht wie er es wünscht. Jetzt erleben wir einen Push Back, und spätestens in 4 Jahren wird es für ihn und seine Anhänger ein großes, bitteres Erwachen geben.

Zur Person:

Philip Glass, 80, zählt mit Steve Reich und Terry Riley zu den Begründern der „Minimal Music“, die auf repetitiven Klangmustern aufbaut. Glass schrieb Opern wie „Einstein on the beach“ oder „Lost“ (Libretto: Peter Handke), elf Symphonien, Werke für Klavier und Violine, sowie Filmmusik (Koyaanisqatsi, Kundun, Truman Show). Zusammenarbeit mit Ravi Shankar, David Bowie und Brian Eno, sowie mit dem Dirigenten und Pianisten Dennis Russel Davies und dem Bruckner-Orchester. Vergangenen Dienstag gab Glass bei den Salzkammergut-Festwochen in Gmunden, bei denen er erstmals 2002 auftrat, ein Galakonzert mit eigenen Klavierwerken gemeinsam mit den Pianisten Dennis Russell Davies und Maki Namekawa.