Kulturminister Thomas Drozda: „Bei mir hebt er das Telefon ab“
INTERVIEW: STEFAN GRISSEMANN
profil: Sie werden vermutlich froh sein, nach den vielen Wahlkampfpannen Ihrer Partei – und nur Tage nach der Verhaftung des SPÖ-Beraters Tal Silberstein – hier über Kultur reden zu können. Thomas Drozda: Absolut. Tatsächlich ist es so, dass ich bei meinem Amtsantritt vor 15 Monaten schon dachte, es gibt da die Kür und die Pflicht. Als Kür habe ich die Kunst betrachtet, als Pflicht den Rest meiner Arbeit. Ich hatte immer gehofft, mich mehr mit der Kür beschäftigen zu können als mit der Pflicht. Also ja, reden wir über die Kultur, die ich nicht nur koordiniere, sondern unmittelbar und operativ verantworte.
Es ist notwendig und richtig gewesen, sich auch von allen zu trennen, die mit Silberstein gearbeitet haben.
profil: Den quasi als Wahlkampfmanager agierenden Kanzleramtsminister muss ich aber noch fragen, wie sehr er Silberstein retrospektiv als Fehlbesetzung einstuft? Drozda: Ich bin nicht Quasi-Wahlkampfmanager, auch wenn ich diese Zuschreibung nicht loswerde. Wir arbeiten als Team, der Klubobmann ist da ebenso involviert wie der Bundesgeschäftsführer. Als Regierungskoordinator bin ich natürlich stark für Inhaltliches, für die Themenentwicklung mitverantwortlich. Die inhaltliche Positionierung geht selbstverständlich von niemand anderem als dem Kanzler aus. Die Causa Silberstein will ich nicht mehr kommentieren, weil der Kanzler bereits klar gesagt hat, dass der Schnitt vollzogen ist. Es ist notwendig und richtig gewesen, sich auch von allen zu trennen, die mit Silberstein gearbeitet haben.
profil: Die Kür könnte Ihre einzige Pflicht sein: Viele Kunstschaffende wünschen sich einen Minister, der exklusiv der Kultur verpflichtet wäre – und nicht wie Sie auch noch Medien, Verfassung und Kanzleramt betreuen muss. Wünschen Sie sich das nicht manchmal selbst? Drozda: Wenn Sie mich persönlich fragen, ja, das hätte Vorteile. Aber am Ende sind das Standing in der Kultur und die Budgetverhandlungsposition deutlich stärker, wenn man auch in der Funktion des Finanzverhandlers ist. Überspitzt formuliert: Bei mir hebt der Finanzminister das Telefon ab – weil er nicht wissen kann, ob ich ihn gerade in kulturellen oder anderen Fragen behelligen will.
profil: Ich glaube, Rudolf Scholtens Anrufe hat Finanzminister Lacina in der Regel auch angenommen. Drozda: Scholten hatte neben der Kultur die Bildungsagenden, als diese noch gut dotiert waren. So konnte er zwischen den Ressorts umschichten. Heute wäre ein Bildungs- und Kulturressort von Mangelbewirtschaftung geprägt. Kultur, Medien und Verfassung stellen im Sinne der Wahrnehmung der Sache der Kunst und der Durchsetzungsfähigkeit keine schlechte Kombination dar. Meine persönlichen Präferenzen sind da eher zweitrangig.
profil: Sie haben sich verärgert gezeigt über die letzte Woche erschienene profil-Polemik zu den Nullsätzen der Kulturpolitik. Drozda: Nennen wir es Unmut.
Am Ende werde ich an meinen Taten und Ergebnissen zu messen sein. Das Vorurteil, ich interessierte mich nur für die Tanker der Repräsentationskultur, ist längst ausgeräumt.
profil: Halten Sie die in Wahlkampfzeiten zu beobachtende Verflachung der Inhalte und die Banalisierung der kulturpolitischen Rhetorik denn nicht für ärgerlich? Drozda: Eine über 200-seitige neue Programmatik im Sinne eines Plans für Österreich muss eine gewisse Breite signalisieren, hat zwangsläufig deklaratorische Momente. Am Ende werde ich an meinen Taten und Ergebnissen zu messen sein. Das Vorurteil, ich interessierte mich nur für die Tanker der Repräsentationskultur, ist längst ausgeräumt. Ich kümmere mich um die freien Gruppen ebenso wie um Kunststipendienbezieher. Meine Festspielreden in Salzburg und Bregenz wurden sehr positiv aufgenommen, sogar von Vertretern der Opposition. Aus solcher Zustimmung und dem Lob freier Kulturveranstalter beziehe ich persönliche Motivation – wie ich mich eben auch persönlich ärgere, wenn ich mich, wie in Ihrem Kommentar, ungerecht behandelt fühle. Diese menschliche Eigenschaft habe ich mir in den letzten 15 Monaten nicht abgewöhnt, und ich würde sie mir auch in den nächsten fünf Jahren nicht abgewöhnen.
profil: Kann man das dünnhäutig nennen? Drozda: Vielleicht, aber es ist eben so: Ich ärgere mich, weil ich an unsere Ideen und mein Team glaube. Ich habe eine emotionale Beziehung zu meiner Arbeit, und wenn ich bemerke, dass in Ihrem Magazin gemutmaßt wird, die Politik insgesamt gehe an den wesentlichen Fragen und Themen vorbei, dann verstehe ich zwar das Vorurteil, aber angesichts unserer vorgelegten 200 Seiten wäre es wohl eher an Sebastian Kurz zu adressieren.
profil: Sind Sie nicht selbst unzufrieden, dass Ihr Kulturressort gerade drei von 209 Seiten einnimmt? Wieso geben Sie der Kultur in einem derart entscheidenden Papier nicht mehr Gewicht? Drozda: Es geht um die Inhalte, nicht um die Quantität. Das Programm der SPÖ ist im Wesentlichen ein Wirtschafts- und Sozialprogramm, ein Staatsreformprogramm. Natürlich gibt es auch in der Kultur viel zu tun; aber ein schweres Erbe habe ich nicht übernommen, keine besonders reformbedürftige Situation vorgefunden – von Einzelproblemfeldern abgesehen. Um Österreichs Kulturlandschaft, für die wir jährlich 450 Millionen Euro aufwenden, werden wir weltweit beneidet. Wir bewegen uns in der Top-Liga, haben allererste Leute in den Führungspositionen, daher muss man, wenn man ein Reformprogramm verfasst, nicht primär über die Kultur schreiben. Auch wenn mir bewusst ist, dass wir vor allem die Situation der Freien Szene weiter verbessern müssen.
profil: Sie sind zufrieden mit dem kulturellen Status quo? Mit einem radikal unterdotierten innovativen Film? Mit Bundesmuseen, die laufend doppelgleisig agieren? Sogar Ex-Mumok-Chef Köb spricht inzwischen – in einem „Kurier“-Interview – von „unhaltbaren“ Zuständen und „unüberlegter Ankündigungspolitik in Vorwahlzeiten“. Wieso lassen sich die Programme der Museen nicht koordinieren? Drozda: Ich bin etwa mit dem Museen-Weißbuch, das ich in Auftrag gegeben habe, sehr zufrieden. Man muss einen Museums-Masterplan ins Gesetz schreiben. Es muss eine professionellere Akkordierung geben. Mein Initiativantrag ist vorbereitet, man könnte das im September noch beschließen. Es kann nicht sein, dass am Ende immer die, die am lautesten schreien, die besten Karten haben.
profil: Was ist nun mit dem Film Preservation Center? Die operative Führung hätte doch bis Juni ausgeschrieben werden sollen. Die Bauphase sollte bereits laufen. Drozda: Wir sind da leider hinter dem Zeitplan. Das hängt auch damit zusammen, dass Hans Hurch kurz vor seinem Tod noch bei mir war, um die geplante Struktur dieses Analogfilmzentrums zu besprechen. Das Gespräch hat mich so nachdenklich gemacht, dass ich mein Team gebeten habe, den Plan noch einmal auf seine Praktibilität zu durchleuchten.
profil: Es ging um die Standortfrage? Drozda: Ja, aber auch um die Frage, an welche Institution man es andockt – und um die Gesellschaftskonstruktion. Hurch hat mich daran erinnert, dass ich einmal gesagt hatte: „Keep it simple.“ Und was ich da vorhätte, sei nicht mehr „simple“. Wir müssen zudem das Geschäftsmodell, auch die Wahrscheinlichkeit von Auslandsaufträgen, neu überprüfen.
profil: Diese Verzögerung gefährdet das Projekt nun. Das hätten Sie noch vor der Wahl in gangbare Wege leiten müssen. Drozda: Meinetwegen hätte es keine Neuwahlen geben müssen, diese Entscheidung hat der junge Mann getroffen. Mit den Konsequenzen müssen wir nun leben.
profil: Ihre Idee einer 30-Prozent-Quote für Austropop und Austrokino erscheint populistisch; die nötige Parteinahme für avantgardistische Formen fehlt dagegen. Drozda: Für den Film schwebt mir die Bündelung in einem schlagkräftigen Ressort vor. Es ist tatsächlich absurd, wenn das Wirtschaftsministerium Gelder für Hollywood-Dreharbeiten in Wien zur Verfügung stellt, während der innovative Film sich mit 2,2 Millionen begnügen muss.
Am Ende geht es nicht darum, Dinge zu initiieren, für die sich die Fachwelt auf die Schultern klopft und anschließend auf ein gutes Glas Bordeaux geht, sondern darum, Pläne umzusetzen, mit denen man ein Publikum bildet, erzieht, fordert, ohne es zu überfordern.
profil: Ihren Plan eines Fotomuseums haben Sie voreilig präsentiert. Die Fotografie ist mit bald 200 Jahren Geschichte ein nahezu unüberblickbares Feld. Abgesehen davon, dass die digitale Fotografie ein völlig anderes Medium ist als die analoge. Drozda: Ich habe dazu keine abgeschlossene Meinung. Es gibt mehrere Möglichkeiten, und es muss auch kein Museum sein, ein guter Ausstellungsraum wäre auch denkbar. Es geht darum, jene Institutionen zu vernetzen, die Fotosammlungen besitzen, diese aber selten zeigen.
profil: Für Arbeiten auf Papier, also auch für Fotografie, ist die Albertina zuständig. Drozda: Ja, und dort gibt es eine tolle Sammlung, die auch im Haus bleiben soll. Ich will ja keinen 20-stöckigen Bunker für die Fotografie bauen, in dem dann sämtliche Bestände des Landes gelagert werden sollen. Aber es gibt ein Publikum für Fotografie, es ist eine niederschwellige Kunstform – und dem Vorwurf, ein Fotomuseum sei anachronistisch, begegne ich gelassen, denn es sind nicht die unbedeutendsten Städte, wie London und New York, in denen Institutionen dieser Art gerade gebaut werden. Am Ende geht es nicht darum, Dinge zu initiieren, für die sich die Fachwelt auf die Schultern klopft und anschließend auf ein gutes Glas Bordeaux geht, sondern darum, Pläne umzusetzen, mit denen man ein Publikum bildet, erzieht, fordert, ohne es zu überfordern.
Lesen Sie dazu auch: Wir sollten auch einmal ernsthaft über Kulturpolitik reden. Nur: mit wem? Stefan Grissemann über das arg limitierte Kunstverständnis der österreichischen Parteien.