Kulturtipp: Der Plan und Andreas Dorau im Wiener Replugged
Die deutsche NDW-Legende Andreas Dorau, die gerne mit beunruhigender Kinderstimme Sing-along-Songs über Obdachlose, Depressive und Serienmörder intoniert, weiß Wien sehr zu schätzen, schon weil es in dieser Stadt „ein Todesmuseum“ gebe. (Dorau meint vermutlich das Bestattungsmuseum am Zentralfriedhof.) Nun kommt der Mann mit langjährigen Wegbegleitern – mit einer ebenfalls fast schon mythenumwobenen Band, die sich Der Plan nennt – für einen Abend zu Besuch. Im Wiener Replugged (Lerchenfelderstraße 23) spielen Dorau und Der Plan am Freitag, 4. Oktober, ab 20 Uhr eine „Double Headline“-Show, Tickets sind im Vorverkauf bereits für wohlfeile 22 Euro zu haben.
Der Pastorensohn Dorau, 55, erinnerte sich während eines profil-Interviews im Frühling 2015 an seine Anfänge: „Ich machte einfach die Musik, die mir nahe lag. Eine andere konnte ich nicht.“ Und: „Mein erstes Album ist auch, glaube ich, komplett in C-Dur gehalten – denn das war die Taste links von den drei schwarzen. Die war leicht zu finden.“ Er schrieb dieses Album 1980, mit 16, „während des letzten Urlaubs mit meinen Eltern“. Die Single „Fred vom Jupiter“ veröffentlichte er (wie das Album) 1981, als kaum 17-Jähriger. Der Erfolg, der anschließend über ihn hereinbrach, hat ihn nachhaltig beschädigt; es sei „traumatisierend“ gewesen. Seither hat er nie aufgehört, Musik zu machen, sein aktuelles Album („Das Wesentliche“) erschien vor vier Monaten. Seine „Erweckungserlebnisse“ habe er in Deutschlands musikalischen DIY-Szenen gefunden: Ende der 1970er-Jahre lernte er Holger Hiller (Palais Schaumburg) und den deutschen Musik-Underground kennen. Ein Jahrzehnt später stieß er auf Techno und House, „wo erneut Nicht-Musiker so taten, als seien sie Musiker. Es ging plötzlich nicht mehr um Komposition und musikalisches Handwerk, man gründete eigene Labels, suchte neue Images. Da bin ich ein zweites Mal aufgeblüht.“
Der Maler Albert Oehlen war einer seiner Mentoren, ebenso Die tödliche Doris, ein experimentelles Künstlerkollektiv. Der Plan gehörte ebenfalls zu Doraus Lehrmeistern: 1979 gegründet, gelten sie als die Urväter deutscher Pop-Avantgarde. Frank Fenstermacher, Kurt Dahlke (Pyrolator) und Moritz Reichelt nennen ihre leicht grotesken Songs „elektronische Schlager“. 2017, 13 Jahre nach ihrer letzten Veröffentlichung, überraschten sie mit einem neuen Album, das sie „Unkapitulierbar“ nannten.
Der geniale Dilettantismus lebt in ihnen fort – oder, wie es Dorau formuliert: „Eben waren es noch nur zwei Noten, jetzt klingt’s schon wie Musik.“ Als Kunstfigur sieht er sich übrigens nicht. Er habe sich nicht „erfunden“. Authentisch sei er „aber wohl auch nicht. Das klingt mir zu sehr nach altem Rotwein. Mit jedem neuen NDW-Revival werden Dorau „fürstlichste Gagen für irgendwelche Retro-Festivals geboten“. Aber dagegen ist er immun: „Da beiße ich dann eben jedes Mal auf einen Stock und sage nein.“ Umso schöner, wenn er nun, gemeinsam mit seinen Komplizen von Der Plan, in Wien auf die Bühne steigen wird.
Der Plan und Andreas Dorau Freitag, 4. Oktober, ab 20 Uhr Replugged Lerchenfelderstraße 23 1070 Wien