Dieser Tage findet die "Viennacontemporary", die wichtigste heimische Messe für Gegenwartskunst, statt.

Kunst: Österreichs junge Galerienszene boomt

Wiens Galerienszene boomt. Engagierte junge Händlerinnen bauen mit viel Energie Künstlerkarrieren und eine neue Sammlergeneration auf.

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"Das ist völlig falsch verputzt!“ Auf der Baustelle ereifert sich ein Mann lautstark. Dass in den weitläufigen Souterrain-Sälen, in denen an diesem Vormittag offenbar etwas gehörig schiefging, in nur zehn Tagen eine neue Galerie eröffnen soll, ist kaum vorstellbar: Die Wände sind roh, die Böden von Abfallmaterial bedeckt. Auch das Entrée wirkt eher wie eine Übergangslösung; eine provisorische Rampe führt in die Räumlichkeiten. Galeristin Lisa Kandlhofer scheint dennoch nicht sonderlich nervös zu sein. Bisher jedenfalls sind der 31-Jährigen alle Projekte geglückt. So wird auch der mehrere hundert Quadratmeter große Ausstellungsraum nahe dem Wiener Schwarzenbergplatz pünktlich fertig werden.

Dass Lisa Kandlhofer eine derart große Galerie an zentralem Standort eröffnet, dürfte es eigentlich gar nicht geben, wenn man vielen Exponenten der Wiener Kunstszene Glauben schenkt. Denn gebetsmühlenartig wird beklagt, dass es an jungen Galerien mangle, stattdessen längst etablierte Player - wie etwa Emanuel Layr - noch immer als Nachwuchs gälten; dass jungen Künstlerinnen und Künstlern die kommerzielle Vertretung fehle, die sie begleite und ihnen helfe, eine Karriere aufzubauen; dass demzufolge auch der Nachwuchs an Kunstsammlern zu wünschen übrig lasse. Tatsächlich ist es keineswegs leichter geworden, in der Hauptstadt eine Galerie zu eröffnen. Die Mieten steigen, der Markt ist eng - was freilich wiederum mit der bereits vorhandenen Dichte an hochkarätigen Galerien in Österreich zu tun hat.

Aufbauarbeit

Doch bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass derzeit eine ganze Reihe junger Galeristinnen - tatsächlich handelt es sich zumeist um Frauen - in den vergangenen Jahren neue Räume eröffnet haben und Aufbauarbeit für Kunstschaffende ihrer Generation, also die Zobernigs, Lassnigs und Wurms von morgen, leisten. Erst seit wenigen Monaten bespielt Nathalie Halgand, zuvor Mitinhaberin einer Street-Art-Galerie, gediegene Altbauräumlichkeiten nahe dem Naschmarkt in Wien. Einige Gehminuten davon entfernt, in der Schleifmühlgasse, betreibt Barbara Pretterhofer ihre Galerie "unttld contemporary“. Und in der Gumpendorferstraße im 6. Wiener Gemeindebezirk bietet auch Agnes Reinthaler Werke junger Künstler an. Zudem sind sie alle, so wie Kollegin Kandlhofer, dieser Tage auf der "Viennacontemporary“, der wichtigsten heimischen Messe für Gegenwartskunst, vertreten. Halgand tritt mit einer Solopräsentation des Deutschen Simon Mullan an, Reinthaler wird in der Zone1, der Nachwuchsabteilung der Messe, die Künstlerin Ulrike Königshofer, Jahrgang 1981, präsentieren. Kandlhofer zeigt die Deutsche Frauke Dannert, und Pretterhofers "unttld contemporary“ gewährt Einblicke in ihr Galerieprogramm - unter anderem mit den konzeptuell arbeitenden, um 1980 geborenen Künstlern Tim Plamper, Samuel Schaab und Sofia Goscinski. Auch abgesehen von der "Viennacontemporary“ sind die jungen Händlerinnen fleißig auf (vor allem internationalen) Kunstmessen unterwegs. Pretterhofer: "Die ‚Viennacontemporary‘ ist wichtig. Auf anderen Messen aber, etwa in Brüssel und Turin, verkaufe ich weitaus besser.“ Kandlhofer betont: "Man darf den internationalen Diskurs nicht außer Acht lassen, sonst läuft das Geschäft nicht.“ Auch die meisten etablierten Kunsthändler erzielen einen Großteil ihres Umsatzes durch Verkäufe ins Ausland. Im Fall Pretterhofers, die an diesem Nachmittag noch Sammler aus Belgien erwartet, sind es schätzungsweise 60 bis 70 Prozent der Einkünfte.

Die Akquise auf internationalen Messen ist allerdings kostenintensiv; Ausgaben im fünfstelligen Bereich für Stand und Nebenkosten sind üblich. "Die internationalen Messen sind für junge Galerien oft unerschwinglich, die Teilnahme kann einem fast das Genick brechen“, so Kandlhofer. Kollegin Reinthaler spricht gar von "russischem Roulette“. Immerhin erlauben Förderungen durch das Kulturministerium eine Beteiligung an internationalen Messen. Es wird jedoch vorwiegend die Teilnahme an etablierten Verkaufsausstellungen subventioniert. Jüngere haben es da schwer; so schnell wird man bei einer Art Basel oder der Frieze schließlich nicht akzeptiert.

Künstlersuche als Herausforderung

Die Risiken sind hoch. Das betrifft nicht nur Messeteilnahmen, sondern auch die Entscheidung, mit wem die aufstrebenden Kunsthändlerinnen zusammenarbeiten. Denn bei Newcomern, die noch nicht auf ein großes Werk verweisen können, lässt sich bestenfalls spekulieren, ob sie die Erwartungen erfüllen. Halgand: "Es ist eine Herausforderung, aktuell gehypte Kunst von jener zu unterscheiden, die aufgrund ihrer Qualität langfristig Bestand hat.“ Lisa Kandlhofer beobachtet Künstler üblicherweise über zwei Jahre hinweg, ehe sie an diese herantritt. Als Quellen für ihre Trüffelsuche dienen den Junggaleristinnen alternative Kunstfestivals, Kunstakademien, Messen, Zeitschriften, Empfehlungen sowie, immer öfter, Blogs. An Kunstschaffenden mangelt es nicht. Zwei Tage pro Woche könnte sie mit der Sichtung zugeschickter Portfolios verbringen, meint Pretterhofer.

Potenzielle Käufer machen sich jedoch rar. Während Millionenbeträge für in New York oder London versteigerte Kunstwerke kolportiert werden, operiert der überwiegende Anteil der Kundschaft mit Summen im vier- oder fünfstelligen Bereich. Und viele etablierte Sammler entwickeln ihre Kollektionen gemeinsam mit Stammgalerien. Für den Nachwuchs ist bei ihnen wenig zu holen. Pretterhofer: "Sammler, die sich auf konzeptlastige Arbeiten, wie ich sie anbiete, spezialisiert haben, werden bereits jetzt sehr gut bedient. Ich sehe das Potenzial eher bei den jüngeren.“

So setzt man auf Einstiegsdrogen: Schon um 130 Euro verkauft die Kunsthändlerin kleine Arbeiten von Lukas Janitsch; Kollegin Reinthaler bietet Fotografien von Gertrude Miesenböck für 350 Euro an. Mit solchen Summen verdienen zwar weder Künstler noch Galerie nennenswert, doch können auf diese Weise junge, noch nicht so finanzkräftige Käufer für ein neues Hobby begeistert werden. Halgand gründete sogar einen "Young Collectors Circle“, bei dem junge Sammler (und "alle, die es noch werden möchten“, wie es auf der Website heißt) vernetzt werden: "Wir veranstalten Talks mit etablierten Sammlern, fragen diese etwa, wie man eine Kunstkollektion aufbaut und worauf man dabei achten muss.“ Ihre Beobachtung: "Langsam verdienen die Leute aus meinem Umfeld genug Geld, um Kunst kaufen zu können.“ Auch Agnes Reinthaler gelingt es zusehends, eine Klientel aus Steuerberatern und Rechtsanwälten, die mit Mitte 30 ihre eigenen Kanzleien besitzen und diese standesgemäß ausstatten wollen, für die Kunst zu gewinnen. Lisa Kandlhofer kann auf einen Kundenstock verweisen, eröffnete sie doch bereits vor Jahren ihre erste Galerie. "Ich konnte damals viele junge Leute für die Kunst begeistern und ihnen das eine oder andere Werk verkaufen. Mittlerweile sammeln sie richtig, auch auf internationalen Messen.“ Man müsse sich die Nachwuchssammler eben selbst aufbauen: "Es gibt in der jungen Generation mehr Potenzial, als man meinen würde.“ Die Prognose straft all jene Lügen, die für die Zukunft des Kunsthandels immer noch schwarzsehen.

21. bis 25. September: Parallel Vienna 2016, Alte Post, Dominikanerbastei 11, 1010 Wien, parallelvienna.com

22. bis 25. September: viennacontemporary, Marx Halle Wien, Karl-Farkas-Gasse 19, 1030 Wien, viennacontemporary.at

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer