Kino

Lebe lieber lesbisch: Kat Rohrers Liebeskomödie „What a Feeling“

Beziehungsanbahnung unter Frauen: Das zwischentonfähige Protagonistinnen-Duo Caroline Peters und Proschat Madani setzt sich in "What a Feeling" über die allzu breit angelegte Comedy spielerisch hinweg.

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Wenn der Partner plötzlich Zeit braucht, um seine „innere Mitte“ wiederzufinden, und sich am 20. Hochzeitstag ohne Vorwarnung aus der gemeinsamen Ehe verabschiedet, ist kurzfristig Nervenkrise angesagt. Aber die von solchen Irritationen Ereilte, eine Ärztin namens Marie Theres, weigert sich, daran zu verzweifeln, denn jede Krise bietet bekanntlich auch die Gelegenheit zur Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit. 
Eine gewisse Konfusion herrscht auch im Leben der wehrhaften Handwerkerin und Hobby-Rapperin Fa. Der exiliranischen Familie, aus der sie stammt, verschweigt sie ihr lesbisches Doppelleben, und der viele Gelegenheitssex, den sie hat, fordert tägliches Improvisationstalent. In ihrer Stammkneipe, der altmodischen „Pussycat“-Lesbenbar, kommt sie schließlich der schwer alkoholisierten Marie Theres näher – wie auch der Aussicht auf ein (eigentlich gar nicht angestrebtes) Beziehungsleben.

Die Wiener Filmemacherin Kat Rohrer „What a Feeling“, nach Irene Caras Eighties-Schnulze betitelt, packt – ohne stärkeres Interesse an thematischer Vertiefung – viel Problemstoff in ihren Film, neben Kulturclash, Homophobie und Sexismus sind beispielsweise auch die feministischen Demonstrationen gegen das iranische Regime Teil der Handlung. Ihre satirischen Einlassungen legt die Regisseurin und Autorin extrabreit an, und die sozialen Fronten sind von Anfang an und auf den allerersten Blick geklärt: hier die guten, moralisch integren Protagonistinnen, dort die weltanschaulich unterbelichteten Spießbürgerinnen und Übergriffstäter. Der Erzählton ist „beschwingt“, der Lauf der Ereignisse „turbulent“, die Inszenierung funktional; alles folgt – in anderen Worten – streng der seit den 1950er-Jahren gültigen Gebrauchsanweisung zur Herstellung eines populären Liebeslustspiels. Die einzige Subversion liegt in der Verschiebung von boy meets girl auf girl meets girl.
Das alles wäre somit kaum in größerem Rahmen berichtenswert, wäre da nicht die geradezu bezwingend sympathische Besetzung: Proschat Madani und Caroline Peters verpassen dem zentralen Liebespaar eine noch die absehbarsten Pointen mit Leben erfüllende Mischung aus Empathie, Souveränität und Befürwortung menschlicher Schwächen; Barbara Spitz erfreut zudem als abgeklärte, ihre allabendliche Chaos-Kundschaft im britisch-wienerischen Jargon dirigierende Bar-Chefin.  
Ob „What a Feeling“ tatsächlich Österreichs erste queere Frauenkomödie ist, als die sie gegenwärtig vermarktet wird, müsste erst noch näher erforscht werden. Vermutlich ist sie immerhin die erste hierzulande, die wirklich im Mainstream angekommen ist; im innovativen Kino dieses Landes, in diversen Underground-Satiren sind lesbische Beziehungen glücklicherweise schon seit Jahrzehnten kein Tabu mehr. Dass es im hiesigen Unterhaltungsfilm immer noch viel zu wenige Beispiele für weibliche Lebensstile gibt, die von den Trampelpfaden des Heteronormativen abweichen, ist allerdings unbestritten. Insofern kommt dieser Film historisch gesehen fast schon zu spät. Aber gut, dass es ihn nun gibt. 

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.