"Love", der neue Film von Gaspar Noé wurde beim Cannes Filmfestival vorgestellt.

"Love" von Gaspar Noé: Sperma und Tränen

Explizit verzweifelt: In Gaspar Noés Arthouse-Porno "Love“ gähnt ein ästhetisch-gedankliches Vakuum.

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Der argentinisch-französische Regisseur Gaspar Noé, 52, stilisiert sich gern zum Schockfilmer, zum kompromisslosesten Tabubrecher des europäischen Autorenfilms: Mit Filmen wie dem Vergewaltigungsdrama "Irréversible“ (2002) und dem Drogentrip "Enter the Void“ (2009) gelang es ihm wenigstens phasenweise, diesem Ruf gerecht zu werden. "Love“, Noés vierter Spielfilm, kann von Verstörung dagegen nur noch träumen:

Er habe es darauf angelegt die körperlichen und emotionalen Exzesse eines jungen Liebespaares wiederzugeben.

Seine mit 135 Minuten Laufzeit schwer überdimensionierte Liebeswahnsinnsstudie, in der ein postpubertärer junger Regiestudent (Karl Glusman) und seine psychisch instabile neue Freundin (Aomi Muyock) in eine Ménage a trois mit der netten Nachbarin schlittern (Klara Kristin), hat außer ein paar expliziten Sexszenen und ironischen Inserts nichts zu bieten - die Dialoge sind beschämend nichtig, Story und Inszenierung monoton, und die Darsteller agieren tatsächlich auf Industrieporno-Niveau. Die Idee, den Film in knalligen Farben und im 3D-Verfahren (mit burlesker Ejakulation in Richtung Kamera) zu drehen, fügt dieser Arbeit an Eleganz und Intelligenz leider wenig hinzu.

Er habe es darauf angelegt, so Noé, die körperlichen und emotionalen Exzesse eines jungen Liebespaares wiederzugeben, eine Amour fou, ein "zeitgemäßes Melodram“ herzustellen. Nichts davon ist aufgegangen. Noés junger Protagonist fantasiert davon, Filme aus "Blut, Sperma und Tränen“ zu inszenieren. Man muss angesichts dieses Werks leider sagen: kein guter Plan.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.