Kultur

Machtmissbrauch in Theater- und Filmbranche: Schluss jetzt!

Immer wieder Österreich: Eine TV-Reportage des Senders NDR erhebt massive Missbrauchs- und Gewaltvorwürfe gegen den Schauspieler und Regisseur Paulus Manker sowie gegen den Film- und Fernsehmacher Julian Pölsler.

Drucken

Schriftgröße

Es ist wohl kein Zufall, dass Österreichs Kulturszene in dem investigativen Fernsehdokument, das die deutschen TV-Reporterinnen Kira Gantner und Zita Zengerling „Gegen das Schweigen“ genannt haben, eine unrühmliche Hauptrolle spielt. Denn an dem alten Glauben an das Genialische in der Kunst, das die Wutanfälle, Demütigungen und Übergriffe von Regisseuren und Schauspielstars auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rechtfertige, hält man im traditionskulturversessenen Österreich vielleicht bedingungsloser fest als anderswo. (Antithesen bestätigen die Regel: Der Umstand, dass ein misogyner Provokateur wie Till Lindemann, Frontmann der deutschen Band Rammstein, auch nach vielfachen Vergewaltigungs- und Ausbeutungsvorwürfen noch Stadien füllen und dort ein offenbar ungerührtes Fan-Publikum bedienen kann, stößt vor den Kopf.)

Um „Machtmissbrauch bei Theater und Film“, so der Untertitel der einstündigen Dokumentation, geht es: Eine fast dreijährige Recherche liegt dem NDR-Projekt zugrunde, rund 200 Betroffene hat man dafür interviewt, 40 davon intensiver, die meisten anonymisiert. Rund 15 mutige Menschen aber – Schauspielerinnen und Schauspieler, auch Film- und Bühnentechniker sowie andere Kulturbetriebskräfte – haben sich bereit erklärt, mit ihren Namen und unverpixelten Gesichtern vor die Kamera zu treten, um von Dingen zu berichten, die ihnen in Ausübung ihrer Berufe widerfahren seien. Die Doku wird am 11. März im Programm des NDR ausgestrahlt werden, aber bereits jetzt ist sie in einer 15 Minuten längeren Fassung via ARD-Mediathek online abzurufen. Und sie behandelt tatsächlich Aufrüttelndes: den Machtrausch von Regisseuren und prominenten Darstellern, ihre routiniert betriebene sexualisierte Gewalt, unerbetene Annäherungen, Tritte und Schläge vor Publikum, auch gegen Frauen, Entlassung und Denunziation im Fall von Widerstand und Widerreden.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.