Multitalent: Marc-Uwe Kling
Interview

Marc-Uwe Kling: „Wir pinkeln gegen einen Waldbrand!“

Comic-Autor, Texter und Liedermacher Marc-Uwe Kling hat erstmals auch Filmregie geführt. Im profil-Gespräch bekennt sich das deutsche Multitalent zu seiner Interviewscheu, zu harter Witzkritik – und zum Nach-oben-Treten.

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Ein sprechendes Känguru, das Marx und Engels verehrt, angeblich einst für den Vietcong gekämpft hat, die Welt mit ätzenden Kommentaren behelligt und auch sonst zur kreativen Unverschämtheit neigt, ist Marc-Uwe Klings populärste Erfindung. Seit 2008 treibt das Beuteltier sein Unwesen, geboren in einer Radiosendung, schnell aufgestiegen zum literarischen Helden einer seit 2009 laufenden, vier Romane und etliche Hörbücher umfassenden Bestseller-Reihe; inzwischen ist das Känguru, das sich in seinen politischen Ansagen und sozialkritischen Breitseiten eher an Erwachsene als an Kinder richtet, auch der Star einer täglichen Comic-Reihe auf „Zeit online“ und einer Kinofilmserie, deren zweiter Teil ab 25. August in Österreich und Deutschland zu besichtigen sein wird.   

Man könnte meinen, Kling sei mit der multimedialen Verarbeitung einer solchen Figur ausgelastet. Aber diese Mühe scheint seine Lust auf Nebentätigkeiten nur noch zu vergrößern. Also veröffentlicht er – neben dem preisgekrönten Einsprechen seiner Texte auf Tonträger und dem Abhalten von Lesungen, Musik- und Kabarettabenden – großartige Kinderbücher wie „Der Tag, an dem die Oma das Internet kaputt gemacht hat“ (2018), „Das NEINhorn“ (2019) und „Der Tag, an dem Papa ein heikles Gespräch führen wollte“ (2021), allesamt kongenial illustriert von Astrid Henn. Und sogar einen ideologiekritischen Science-Fiction-Roman hat er bereits verfasst: „QualityLand“ (2017), eine in der Definition des Autors selbst „lustige Dystopie“. 

Mit dem Film „Die Känguru-Verschwörung“ (Österreich-Kinostart: 25. August) hat der Autor und Performer Kling nun auch noch sein – erstaunlich souverän bewältigtes – Regiedebüt ins Auge gefasst. Für das folgende Interview, das per Videokonferenz geführt wurde, sitzt Kling, die Trademark-Schiebermütze auf dem Kopf, im Berliner Garten seiner Produktionsfirma parat, um aufgeräumt Auskunft zu erteilen über sein Werk und seine Weltsichten, passend zu einem Film, der sich satirisch mit Verschwörungstheorien, Rechtsextremismus und der Klimakrise befasst. 

„Apropos Klimakrise“, sagt Marc-Uwe Kling während unseres Gesprächs und unterbricht kurz, um sich ein bisschen Schatten zu suchen, weil die Sonne derart brutal auf ihn herabbrennt. 

Sie ließen die Welt via Twitter unlängst wissen, dass die Erfahrung Ihrer ersten eigenen Filminszenierung „ziemlich stressig, aber irgendwie geil“ gewesen sei. Bitte um Präzisierung!
Kling
Ich hatte schon befürchtet, dass es extrem anstrengend sein würde – aber es war noch viel anstrengender! Filmregie gehört zu den mühevollsten Dingen, die man noch machen will. Es gibt wohl anstrengendere Tätigkeiten, aber da hat auch niemand mehr Interesse daran, sie zu verrichten. Natürlich hat das alles auch Riesenspaß gemacht – vor allem das Schneiden, wenn man merkt: Okay, die Dinge kommen doch zusammen, da wird was draus.
Sie haben bezweifelt, dass der Film Form annehmen würde?
Kling
Während des Drehs war ich als Anfänger in dieser Angst: Oh Gott, kriegen wir das irgendwie zusammengeschnitten? Oder ist das totaler Murks, den wir da unter immensem Zeitdruck abliefern? Diese Angst hatte ich bis zum zweiten oder dritten Schnitttag, an dem wir beschlossen, uns kurzfristig nicht auf den Film als Ganzes zu konzentrieren; wir wollten nur mal dafür sorgen, eine Szene zum Laufen zu bringen. Wir nahmen die Sequenz mit Michael Ostrowski in der Küche, in der er Eierkuchen backt. Denn ich hatte immer das Gefühl, die Szene sei superlustig, wir hatten so viel Spaß am Set; dann sahen wir das Material , und ich war entsetzt: Wieso überträgt sich das nicht? Von dem Moment an, als mir die Szene so lustig erschien, wie ich sie beim Drehen empfunden hatte, war ich entspannt. Ab da wusste ich, wir kriegen das alles hin.
Es muss auch mühsam gewesen sein, sich am Set ständig das fehlende Känguru vorzustellen, das ja erst später dazu animiert wurde.
Kling
Ich hätte mir auf jeden Fall einen deutlich einfacheren Debütfilm aussuchen können. Da hab ich mir viel aufgeladen für einen ersten Film.

Dani Levy hatte den Vorgängerfilm inszeniert; die Komödie „Die Känguru-Chroniken“, die im März 2020, genau eine Woche vor dem bundesweiten Lockdown, in die Kinos kam, erreichte trotz Pandemie allein in Deutschland fast 800.000 Menschen. Es lag nahe, nun Kling, der sich selbst als „absoluten Perfektionisten“ bezeichnet, persönlich ans Werk gehen zu lassen. Und siehe, die Übung ist gelungen: „Die Känguru-Verschwörung“ ist deutlich inspirierter und anarchischer als der Vorgängerfilm geraten, zeugt zudem von einer unbändigen Liebe zum populären Kino; Kling stopft Romantic Comedy, Mediensatire, Buddy Movie, Italo-Western, Horror-, Action- und Katastrophenfilm in den Multifunktionsmixer und drückt entspannt den Startknopf.

profil: Wieso haben Sie erst jetzt Regie geführt? Stand das beim ersten Känguru-Kinofilm, der 2020 erschien, nicht im Raum?
Kling: Nein, stand nicht zur Debatte. Ich hätte mich auch gar nicht getraut, das einzufordern. Nach dem Schreibprozess am neuen Film hab ich nun doch zu signalisieren gewagt, dass ich übrigens Interesse hätte, das diesmal selber zu machen. Und ich hörte nur: Mach doch! Das hat mich natürlich sehr gefreut.

profil: Es ging wohl auch darum, die Kontrolle über Ihr eigenes Material zu behalten.
Kling: Immer. Ich bin ein totaler Kontrollfreak. Deshalb war es beim ersten Film für mich so schwierig, plötzlich nicht mehr im Fahrersitz zu sitzen. Für einen Autor, der bislang gewohnt war, alle Entscheidungen treffen zu können, war das problematisch. Deswegen war ich vermutlich auch ein schwieriger Partner für Regisseur Dani Levy. Ich weiß, meine Sachen wirken manchmal so hingerotzt, aber auch dieses Hingerotzte ist 20 Mal überarbeitet. Insofern war die Erfahrung schön, die Kontrolle zu bewahren – so weit das bei einem Filmdreh geht, denn natürlich entgleiten einem die Zügel auch immer wieder, sobald man sich in der realen Welt befindet. Und dann beispielsweise feststellt, wie beschissen reguliert ein Flughafen als Drehort ist.

Wie bleibt man kritisch sich selbst, dem eigenen Witz gegenüber? Comedy ist ja eine Frage des Timings. Droht man, wenn man seine Pointen im Schreibprozess immer wieder lesen muss, nicht auch die Distanz zu verlieren?
Kling
Da hat mir die Stand-up-Routine, die ich mir früh angeeignet habe, immer geholfen. Das Publikum ist Teil meines Lektorats, auch wenn ich jetzt, nach weit über tausend Auftritten, nicht mehr so viel auf die Bühne gehe. Das hat mein Timing geschult. Ich hätte den Film auch gerne unzählige Male vor Publikum getestet und die Ergebnisse ausgewertet. Aber das kostet Geld und Ressourcen, die wir nicht hatten. Aber ja, Timing ist entscheidend: Der Film ist jetzt so schnell, dass man ein zweites Mal reingehen und jede Menge neuer Witze entdecken kann.
Das Kino selbst ist ein wesentliches Thema Ihrer Genre-Kreuzung. Würden Sie sich selbst als filmverrückt bezeichnen?
Kling
Ich gehöre zu denen, die es furchtbar fanden, als die Internet Movie Database einst in die Welt getreten ist. Denn sie beraubte mich der Funktion, die ich in meinem Freundeskreis hatte: stets zu wissen, wer in welchem Film gespielt hatte, wer Regie geführt hat. Ich saß schon als Jugendlicher mit dunklen Augenringen in der Schule, weil ich am Abend davor noch zwei Filme gesehen hatte.
Welche Einflüsse waren für Sie zentral? Monty Python haben Sie oft erwähnt, aber gab es auch westdeutsche Humorvorbilder? Loriot?
Kling
Loriot ist natürlich großartig. Aber er war nie so wichtig für mich wie Monty Python, wie Bill Wattersons Comic „Calvin & Hobbes“. Beim Schreiben war Kurt Vonnegut für mich eine gewaltige Inspiration, auf Filmebene waren es die Coen-Brüder.

profil: Ihr Film kreist um den grassierenden Irrsinn von Verschwörungstheorien, um „Querdenker“, Chemtrails-Paniker und Fake-News-Verbreiterinnen. Die verdienen zwar den Spott, sind aber auch ein simples Ziel. Denn Ihr Publikum, das kaum zu den Benebelten gehören wird, die meinen, die Erde sei flach, haben Sie damit automatisch auf Ihrer Seite.
Kling: Alles fing eigentlich mit der Klimakrise an, die mich seit Langem sehr umtreibt. Und ja, man kann sagen, in gewissem Sinne tun das alle Künstler: Sozial- und Öko-Kritik dieser Art ist immer ein wenig preaching to the choir. All jene, die das Känguru gut finden, wollen tendenziell eh etwas gegen die Klimakrise tun. Aber das kann ja nicht der Grund sein, nicht mehr über diese zu reden. Immerhin ist das die essenzielle Krise der Gegenwart. Man kann also gar nicht oft genug sagen, dass wir viel mehr tun müssen. Klimakrise! Klimakrise! Klimakrise! Denn wir tun immer noch viel zu wenig. Was wir bisher tun, gleicht dem Versuch, einen Waldbrand zu löschen, indem man dagegenpinkelt! Es ist außerdem unfair, diese Aufgabe den Individuen aufzubürden. Die Regierungen müssen die Verantwortung übernehmen, denn es reicht auch nicht, wenn 100 Leute gegen den Waldbrand pinkeln. Wir brauchen Löschflugzeuge, und die müssen von der Politik bereitgestellt werden. Ich wollte also Klimakrise und Känguru zusammenbringen. Aber Klima ist als Thema groß, schwer, nicht greifbar, wenig privat. Erst darüber kamen die Verschwörungstheorien in den Film. Die Idee war: Was wäre, wenn es im Umfeld meiner Protagonisten eine Person gäbe, die den Klimawandel leugnet? Damit wird das Thema für die Figuren handhabbar, auch komödiantisch. In diesen Verschwörungserzählungen ist so viel Stoff für eine Komödie, so viel Lächerliches, wenn man das mal auseinandernimmt. Der Rest hat sich gefügt.

Marc-Uwe Kling hat starke politische Überzeugungen, kommentiert in seinen tagesaktuellen „Zeit“-Comics auch deutsche Innenpolitik und den Ukraine-Krieg. Er führt den Kampf für einen (zumindest ansatzweise) besseren Planeten mit den Mitteln der Comedy. Naiv ist er nicht, er weiß um die beschränkten Weltveränderungspotenziale der Kunst. Aber er betrachtet seine populären Interventionen als Beitrag zum Diskurs – und mittelbar auch zum Aktivismus derer, die er damit erreicht.

profil: Wie bleibt man kritisch sich selbst, dem eigenen Witz gegenüber? Comedy ist ja eine Frage des Timings. Droht man, wenn man seine Pointen im Schreibprozess immer wieder lesen muss, nicht auch die Distanz zu verlieren?
Kling: Da hat mir die Stand-up-Routine, die ich mir früh angeeignet habe, immer geholfen. Das Publikum ist Teil meines Lektorats, auch wenn ich jetzt, nach weit über tausend Auftritten, nicht mehr so viel auf die Bühne gehe. Das hat mein Timing geschult. Ich hätte den Film auch gerne unzählige Male vor Publikum getestet und die Ergebnisse ausgewertet. Aber das kostet Geld und Ressourcen, die wir nicht hatten. Aber ja, Timing ist entscheidend: Der Film ist jetzt so schnell, dass man ein zweites Mal reingehen und jede Menge neuer Witze entdecken kann.

profil: Das Kino selbst ist ein wesentliches Thema Ihrer Genre-Kreuzung. Würden Sie sich selbst als filmverrückt bezeichnen?
Kling: Ich gehöre zu denen, die es furchtbar fanden, als die Internet Movie Database einst in die Welt getreten ist. Denn sie beraubte mich der Funktion, die ich in meinem Freundeskreis hatte: stets zu wissen, wer in welchem Film gespielt hatte, wer Regie geführt hat. Ich saß schon als Jugendlicher mit dunklen Augenringen in der Schule, weil ich am Abend davor noch zwei Filme gesehen hatte.

profil: Welche Einflüsse waren für Sie zentral? Monty Python haben Sie oft erwähnt, aber gab es auch westdeutsche Humorvorbilder? Loriot?
Kling: Loriot ist natürlich großartig. Aber er war nie so wichtig für mich wie Monty Python, wie Bill Wattersons Comic „Calvin & Hobbes“. Beim Schreiben war Kurt Vonnegut für mich eine gewaltige Inspiration, auf Filmebene waren es die Coen-Brüder.

„Es gibt unerträgliche Kinderbücher. Da schlafen mir die Füße ein.“

Man erkennt in Ihrem Werk oft eine Gratwanderung zwischen Jugendkompatibilität und Erwachsenenanspielungen. Sollte Ihr Film für größere Kinder und Jugendliche ebenso gut funktionieren wie für ältere Menschen?

Kling
Meine Kinderbücher hab ich so geschrieben, dass sie auch Erwachsenen Spaß machen. Es gibt ja Kinderbücher, die ich unerträglich vorzulesen finde. Da schlafen mir die Füße ein. Ich glaube, das unterfordert auch die Kinder. Denn sie sind ja die ganze Zeit mit einer Welt konfrontiert, in der sie Dinge nicht verstehen. Erst durch Beobachten und Nachfragen lernen sie. Insofern finde ich, dass auch Kinderbücher Themen behandeln dürfen, die man nicht auf den ersten Blick als kinderkompatibel erkennt. Dann spricht man eben mit dem Kind darüber. Meine Erwachsenenbücher dagegen hab ich nie so konzipiert, dass sie auch Kindern gefallen könnten. Ich weiß, gerade beim Känguru ist das trotzdem passiert, aber das war nie der Plan. Natürlich: Ein sprechendes Tier, das Autoritäten frech infrage stellt, gefällt auch Kindern. Und die Känguru-Bücher sind sehr albern, da ist viel Slapstick. Dadurch funktionieren sie bei Kindern auf einer ganz anderen Ebene. Aber mitgedacht hab ich das nie, auch im Fall meines Films nicht.
Wie schalten Sie den Erwachsenen in sich aus, wenn Sie ein Buch für Kinder schreiben?
Kling
Ich hab gar nicht den Anspruch oder den Willen, den Erwachsenen in mir auszuschalten. Das Schönste ist doch, wenn die Dinge für Kinder und Erwachsene funktionieren.
Sie verstehen sich als prononciert linker Künstler. Ihr Känguru ist erklärter Kommunist und politisch bestens informiert. Für ein Mainstream-Produkt ist Ihr Film ideologisch erstaunlich explizit. Sind Sie nie mit Leuten konfrontiert, die da Bedenken haben? Die aus Breitenwirkungsgründen dafür plädieren, politisch mehr in die Mitte rücken?
Kling
Nein, gar nicht. Ich bin auch nicht zufällig bei der Produktionsfirma X Filme gelandet. Sie wurde von Künstlern gegründet, die großen Wert auf kreative Freiheit legen. Da hat mir nie jemand reingequatscht. Es gab nie den Vorschlag, mein kommunistisches Känguru in ein gemäßigt sozialdemo- kratisches zu verwandeln.
Sie haben Stand-up-Comedy gemacht und sind als Songwriter aufgetreten, Sie machen Lesungen, Podcasts und Filme, schreiben Kinderbücher, Comics und Romane, gestalten Hörbücher: Da ist ein regelrechtes Klingoversum entstanden. Dabei wollten Sie anfangs bloß studieren, Musik machen und mit heiterem Material auftreten. Wie ist es so weit gekommen, dass Sie praktisch Ihr eigener Konzern wurden?
Kling
Ich war zu neugierig auf all diese anderen Gebiete. Wenn ich mich für eines entscheiden müsste, was ich zum Glück nicht muss, dann würde ich wohl das Kinderbücherschreiben wählen. Denn erstens sind Kinderbücher relativ recht schnell verfasst, und zweitens hat man das netteste Publikum, das man sich vorstellen kann. Aber jegliche Kunst, die mir gefällt, weckt  in mir die Neugierde, es selbst zu probieren.
 Man könnte sagen: Kinderbücher zu schreiben bedeutet, den politischen Kampf an der Basis zu beginnen.
Kling
Klar. Es gibt ganze Generationen, die von Astrid Lindgren geprägt sind. Die hatte sicher einen guten Einfluss auf die Welt.
Das ist inzwischen durchaus strittig. Es gibt Leute, die auch „Pippi Langstrumpf“ heftig kritisieren, weil darin das N-Wort vorkommt und schwarze Menschen abwertend dargestellt werden.
Kling
Da bin ich Teil des Teams „Kontextualisieren“.
Man muss die Zeit der Entstehung jedes Textes mitdenken.
Kling
Genau. Marc Twain war progressiv, er hat den Weg bereitet für vieles, was danach kam. Man kann „Huckleberry Finn“ nicht mit der Brille von heute lesen, man muss sehen, was das Werk damals war. Und man kann jedem Buch einen Anhang verpassen, der erklärt, was in jener Zeit passiert ist.

Klings Känguru kämpft an der Seite seines Autors (die von Dimitrij Schaad gespielte Filmfigur heißt tatsächlich Marc-Uwe Kling) gegen Nazis, Populismus, Tyrannei und die Zerstörung der Welt. Es hat ein loses Mundwerk und eine klare politische Agenda. Und es spricht mit dem typischen Kling-Sound: Eine fiktive Show rund um die selbst gebackenen Kekse seines Wohngenossen Marc-Uwe würde es „Baking Bad“ nennen, wie es mitteilt. Und wer in die Verlegenheit kommt, die moralischen Maßgaben seines Lebens neu überprüfen zu müssen, sollte seine „Prios checken“. Kängurumund tut Wahrheit kund. Was das Problem mit dem Internet sei, fragte das schlaue Tier unlängst in einem der von Bernd Kissel gezeichneten „Känguru-Comics“ – und verriet uns die einleuchtende Antwort: „Zu viele Links führen nach rechts.“

profil: Sie verstehen sich als prononciert linker Künstler. Ihr Känguru ist erklärter Kommunist und politisch bestens informiert. Für ein Mainstream-Produkt ist Ihr Film ideologisch erstaunlich explizit. Sind Sie nie mit Leuten konfrontiert, die da Bedenken haben? Die aus Breitenwirkungsgründen dafür plädieren, politisch mehr in die Mitte rücken?
Kling: Nein, gar nicht. Ich bin auch nicht zufällig bei der Produktionsfirma X Filme gelandet. Sie wurde von Künstlern gegründet, die großen Wert auf kreative Freiheit legen. Da hat mir nie jemand reingequatscht. Es gab nie den Vorschlag, mein kommunistisches Känguru in ein gemäßigt sozialdemo- kratisches zu verwandeln.

profil: Sie haben Stand-up-Comedy gemacht und sind als Songwriter aufgetreten, Sie machen Lesungen, Podcasts und Filme, schreiben Kinderbücher, Comics und Romane, gestalten Hörbücher: Da ist ein regelrechtes Klingoversum entstanden. Dabei wollten Sie anfangs bloß studieren, Musik machen und mit heiterem Material auftreten. Wie ist es so weit gekommen, dass Sie praktisch Ihr eigener Konzern wurden?
Kling: Ich war zu neugierig auf all diese anderen Gebiete. Wenn ich mich für eines entscheiden müsste, was ich zum Glück nicht muss, dann würde ich wohl das Kinderbücherschreiben wählen. Denn erstens sind Kinderbücher relativ recht schnell verfasst, und zweitens hat man das netteste Publikum, das man sich vorstellen kann. Aber jegliche Kunst, die mir gefällt, weckt  in mir die Neugierde, es selbst zu probieren.

„Ich überlege mir beim Schreiben immer, was die Tendenz eines Witzes ist. Worüber oder über wen wird gelacht? “

Woher kommt Ihre Lust am Spielen, am Synchronisieren und Hörbücher-Einsprechen? Nach über tausend Auftritten geht man vermutlich angstfrei auf die Bühne.
Kling
Total. Ich lebe in einer Bubble, in der sich viele Kunstschaffende, auch Bühnenmenschen tummeln. Ich finde es immer wieder skurril, dass viele Leute außerhalb dieser Blase Angst haben, vor großen Menschenmengen zu sprechen. Wenn ich darüber nachdenke, kann ich das natürlich verstehen, aber es ist mir als Fakt nicht präsent, weil es für mich so normal ist, dass man vor 2000 Leuten Witze erzählt.
Der österreichische Comedian Michael Ostrowski spielt, wie erwähnt, eine wichtige Rolle in Ihrem Film. Wie kam es dazu?
Kling
Michael war ein Glücksfall für diesen Film. Ich hatte mir die Figur, als ich sie schrieb, ganz anders vorgestellt. Der Casterin sagte ich zunächst, dass ich für die Rolle den jungen Danny DeVito brauche. Sie meinte nur, den gibt’s leider nicht – aber wie wäre es mit Michael Ostrowski? In diesem Moment wusste ich, dass sie recht hatte. Es war dann nur terminlich ein bisschen tricky, da Michael ja auch ein Tausendsassa und schwer verplant ist.
Sie lassen sogar sein steirisches Idiom intakt.
Kling
Klar, wir haben ja viel improvisiert. Eine der für mich tollsten Szenen ist der Dialog zwischen Dimitrij und Michael auf der Toilette. Diese Szene entstand unter irrem Zeitdruck, seitens der Produktionsfirma hieß es, wir müssten sie streichen, weil wir zeitlich bereits weit überzogen hatten. Ich wollte sie aber unbedingt noch drehen, ging also mit dem Kameramann Markus Nestroy, der übrigens auch Steirer ist, in diese superenge Toilette, und Markus hörte einfach nicht mehr auf zu drehen. Das alles entstand in einem Take. Im Schnitt war es ein Riesenkuddelmuddel. Aber die Szene wird von diesen beiden fantastischen Schauspielern getragen, die da einfach Spaß miteinander hatten. Irgendwann sagt Michael da, man sollte „nichts überhudeln“.
Für den deutschen Kinoeinsatz ist das eigentlich untertitelpflichtig.
Kling
Ja, und als Dimitrij ungläubig nachfragt, meint Michael nur: „Vom Hudeln kommen die Kinder.“ Alles komplett improvisiert.
Sie haben zwischen 2011 und 2020 alle Interviews verweigert. Wieso eigentlich? Sie machen das doch ganz gut.
Kling
Da gab es viele Gründe. Ich hatte keine Lust mehr, meine Sachen zu erklären. Und ich bin – auch wenn es absurd erscheint, da mein Filmheld ja so heißt wie ich – ganz gerne eine Privatperson. Ich freue mich über Aufmerksamkeit für meine Werke, aber persönlich hab ich gerne meine Ruhe.
Haben Sie schlechte Erfahrungen mit den Medien gemacht?
Kling
Ja, auch, vor allem am Anfang meiner Karriere. Die klassische Erfahrung ist die, dass man Leuten gegenübersitzt, die gar nicht wissen, was man tut, und natürlich auch das Buch, um das es geht, nicht gelesen haben. Dann wird es echt schwierig, ein interessantes Interview zu geben. Ich fürchte zudem immer, die Leute zu langweilen. Wenn ich mich an den Schreibtisch setze und eine Geschichte zehnmal überarbeite, dann ist die so präzise und knackig, wie ich das halt kann. In Interviews, wo man ja spontaner sein muss, stottere ich natürlich auch rum. Aber ja: Die Interviewsessions jetzt zum Film haben größtenteils Spaß gemacht. Vielleicht ist es ja an der Zeit, lieb gewordene Bequemlichkeiten zu hinterfragen. 
Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.