Keanu Reeves und Carrie-Anne Moss im vierten Teil der "Matrix"-Saga
Film

"Matrix Resurrections": Was taugt die Matrix-Auferstehung?

Keanu Reeves und Carrie-Anne Moss befreien sich im späten vierten Teil der dystopischen Filmserie erneut aus der „Matrix“.

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Das „Matrix“-Universum hatte immer schon, obwohl ursprünglich nur fürs Kino erdacht, eine gefährliche Nähe zu den Oberflächen eines Videospiels. Insofern muss man Respekt vor der Selbstironie haben, die darin besteht, den Protagonisten der Serie, der sich auch in alterndem Zustand noch Neo nennt, zu einem legendären Game-Designer zu machen, der seit Jahrzehnten mit wachsender Depression an der technophilosophischen Evolution eines Spiels namens „Matrix“ arbeitet. Es geht darin, wie in den gleichnamigen Filmen von einst, um die Idee, dass all die Dinge, die wir als Welt und Wirklichkeit wahrnehmen, totalitär induzierte Hirngespinste sind – und die Menschen bewusstlose Sklaven einer unsichtbaren Maschinenautokratie. Gegen diese tritt eine furchtlose digitale Guerilla auf, eine Hacker-Gang, die mit dem Kopf durch die dünne Wand der Illusion will.

Als das von den Wachowski-Geschwistern geschriebene und inszenierte Action-Abenteuer „The Matrix“ 1999 in die Kinos kam, war ein weltweit interessiert bestauntes, aber keineswegs unisono gefeiertes Novum zu sehen, das technisch deutlich spektakulärer war als dramaturgisch oder darstellerisch. Mehr als zwei Jahrzehnte später ist der Film naturgemäß dennoch den Weg der absehbaren Verkultung gegangen, zum kleinen Klassiker des SciFi-Genres gereift. 2003 waren zwei Sequels nachgereicht worden, die nur noch ansatzweise höflich rezipiert wurden („Matrix Reloaded“ und „Matrix Revolutions“), dann war Schluss mit der Serie, und das Nachleben des Mythos in der Gaming-Industrie begann. 18 Jahre nach Teil drei erscheint nun aber der vierte in den Kinos, um nicht nur eine, sondern gleich mehrere Wiederauferstehungen zu feiern: „Matrix Resurrections“ bewegt sich eine halbe Stunde lang überraschend in Richtung selbstreflexive Entertainment-Industriekomödie, aber diese Spur erweist sich dann doch als falsch. Denn die eigentliche Vision für den Rest der Laufzeit (der Film nimmt zweieinhalb Stunden in Anspruch) ist weniger smarte Eigenpersiflage als retrofuturistische Markenpflege.

So geraten Keanu Reeves und Carrie-Anne Moss, die als Neo und Trinity immer noch ein sehr fotogenes Paar bilden, aus ihren unaufregenden Normexistenzen zurück in den Kampf um die niederschmetternde Wahrheit einer ausgebeuteten Menschheit. Und bald fädelt Regisseurin Lana Wachowski bloß noch Wiedererkennungsmotive und die „Matrix“-Signatur-Szenen einer ungleich laufenden Zeit aneinander: jene radikal gedehnten oder beschleunigten Momente, in denen asiatisierte Kampfszenen und der Flug der Projektile in extremer Zeitlupe zu genießen sind.

Die Wette, die mit diesem Film eingegangen wird, zielt auf dessen Aktualitätspotenzial: Kann eine in den späten 1990er-Jahren entworfene Dystopie in einer weit fortgeschrittenen digitalen Wirklichkeit noch genügend Gegenwartsnähe beanspruchen? Oder muss das Projekt zur B-Picture-Nostalgieübung verkommen? Die originale „Matrix“ hat immerhin 22 Jahre auf dem Buckel; in elektronischer Zeit sind das fast schon Jahrhunderte. Gemessen daran hat sich die spezielle Techno-Pastiche-Ästhetik der Franchise nicht schlecht gehalten; aber das mag auch daran liegen, dass Hollywoods Superhero- und Blockbuster-Kultur insgesamt eher der Rückschau und der Verklärung zuneigt als einem wirklich kompromisslosen Futurismus.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.