Kleiner großer Widerstand
Kommenden Freitag, 13. September, ist der Besuch von Mélanie Berger-Volle im „Haus der Geschichte Österreich“ (hdgö) am Wiener Heldenplatz geplant. An diesem Tag spricht die 102-Jährige, die in ihrer Heimatstadt Saint-Étienne zuletzt die olympische Fackel gen Paris trug, über ihre Erinnerungen an den Nationalsozialismus und die Notwendigkeit von Widerstand und Ungehorsam. (Die Veranstaltung ist leider bereits ausgebucht.) Jahrzehntelang erzählte Berger-Volle in ihrer Wahlheimat Frankreichs Schülerinnen und Schülern von ihrem Leben als Widerstandskämpferin gegen den NS-Terror, von einem Leben, das in Wien seinen Anfang nahm. Bereits als Jugendliche engagierte sie sich gegen die Dollfuß-Schuschnigg-Gewaltherrschaft; mit 15 Jahren klebte sie Anti-Hitler-Flugblätter an Wiens Häuserwände; nach dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland floh sie im Alter von 16 Jahren – als Jüdin und Kommunistin doppelt in Gefahr – mit 70 Schilling im Rucksack über Belgien bis in den Süden Frankreichs. Bald flog ihre Widerstandsgruppe auf; sie wurde verhaftet und zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt; nach halsbrecherischer Flucht entkam sie aus dem Marseiller Gefängnis und schloss sich der Résistance an. Inzwischen ist Mélanie Berger-Volle eine der wenigen Zeitzeuginnen, die vom Damals erzählen können.
Zugleich erscheint das Buch „Die kleine Sache Widerstand“ (Czernin) des ehemaligen „Spiegel“-Journalisten Nils Klawitter. „Wie Melanie Berger den Nazis entkam“, verheißt, ein wenig reißerisch, der Untertitel. „Die kleine Sache Widerstand“ selbst ist ein Dokument sorgfältiger Beschäftigung mit einem vielfach von der Historie zerschnittenen Lebenslauf. „Melanie gehörte zum Fußvolk des Widerstands“, notiert Klawitter: „Zur anonymen Masse derer, die dem Irrsinn von Diktatur und Krieg ihr Leben entgegenstellten.“
„Die kleine Sache Widerstand“ ist zugleich faszinierender Lebensbericht, ein Abtauchen in finstere Zeiten mit deutlichem Verweis auf die Brandgefährlichkeit der Wiederkehr faschistoiden Handelns und Denkens, schließlich Beleg einer kleinen Zeitenwende: Endlich lenkt sich der Blick verstärkt auf all jene, denen keine Ehrendenkmäler errichtet wurden, die damals unter Todesgefahr versucht hatten, Sand ins perfide Getriebe des NS-Menschenhasses zu streuen.