Festival

Moralische Kraft: Robert Carsen, der neue "Jedermann"-Regisseur

Der Kanadier Robert Carsen inszeniert den Salzburger „Jedermann“ heuer neu. Porträt eines Hofmannsthal-Enthusiasten.

Drucken

Schriftgröße

Ein Gespräch, das Robert Carsen vor einigen Jahren mit Markus Hinterhäuser geführt hat, gab den Ausschlag. „Offenbar hat er sich daran erinnert, dass wir damals über Hugo von Hofmannsthal gesprochen hatten; ich hatte mich fasziniert gezeigt von der Modernität jenes Autors – und wie viele Dinge er antizipiert hat.“ So erklärt sich der Regisseur den Umstand, dass er den Zuschlag bekam, den „Jedermann“, die Festspiele-Cashcow, neu zu inszenieren. Carsen, der viel beschäftigte Kanadier, der lange schon in Paris lebt, konnte und wollte. Er beerbt damit Michael Sturminger, dem Hinterhäuser nach sieben Jahren „Jedermann“-Regiedienst 2023 plötzlich das Vertrauen aufgekündigt hatte.

Carsen hat in Salzburg bereits vor 20 Jahren sein Glück im Zeichen Hofmannsthals versucht: mit einer „Rosenkavalier“-Inszenierung, die freilich nicht groß reüssierte und nach einem Sommer wieder verschwunden war. „Ich war aber von meinem Konzept überzeugt, habe es später für London und New York noch einmal variiert“, erklärt der 70-Jährige, der freilich, über den Hintereingang der Pfingstfestspiele, wo ihn Cecilia Bartoli gerne engagiert (zuletzt für Mozarts auch in den heurigen Sommer verlängerte „La clemenza di Tito“), doch noch regelmäßig an der Salzach zu arbeiten begann.

Sinnlich und intellektuell

Seit Mitte der 1980er-Jahre gehört Carsen, ein so sensibler wie sinnlicher, stets auch intellektueller Künstler, zu den gefragten Regisseuren Europas. Mit einer unglaublich bunten Palette an Werken: Er hat Galas an der Opéra de Paris und für Pina Bausch inszeniert, Ausstellungen über die Firma Louis Vuitton, den Architekten Charles Garnier oder Marie Antoinette inszenierend visualisiert, hat Opern von Monteverdi bis zu Uraufführungen von Detlev Glanert oder Giorgio Battistelli realisiert, zudem Musicals in London und Paris herausgebracht, von Bernsteins operettenhafter „Candide“ über „Singin’ in the Rain“ bis zur Lloyd-Webber-Uraufführung „The Beautiful Game“ oder „Cabaret“ im Pariser Lido; er hat aber eben auch Theaterstücke wie Tom Stoppards „Rosenkranz und Güldenstern sind tot“, Brechts „Mutter Courage“ am Mailänder Piccolo Teatro oder soeben die „Ödipus“-Trilogie im antiken Open-Air-Theater von Syrakus bearbeitet. Sein Longseller ist Brittens „Sommernachtstraum“ von 1991, der bis heute in aller Welt gastiert.

Der gelernte Schauspieler, der stets auch für das Licht, oft für Bühne und Kostüme verantwortlich zeichnet, hat seinen Salzburger „Jedermann“ nun selbst besetzt: „Philipp Hochmair kenne ich schon lange durch gemeinsame Freunde, und auch Deleila Piasko als Buhlschaft ist entschieden meine Wahl. Ich möchte das Stück ernst nehmen, glaube fest an seine moralische Kraft, die ja schon in seiner Vorlage, im englischen ‚Every-man‘ steckt – und ich will unbedingt auch den Dom, der da vom Haus Gottes zum Haus Jedermanns wird, als schönste Kulisse der Welt rehabilitieren.“