Julia Niemann und Daniel Hoesl drehen sarkastische Filme über Geld, Macht und Verbrechen. Ihre jüngste Satire lässt einen Superreichen als Serienkiller auftreten. Eine Begegnung mit dem Wiener Regieduo.
Mit einer Frage beginnt diese Erzählung: „The point is, who will stop me?“ Der Satz ist Ayn Rands berühmtem Roman „The Fountainhead“ entnommen – und der Größenwahn, der im Zweifel an der Existenz einer Instanz liegt, die einem noch Einhalt gebieten könnte, ist der Ausgangspunkt jener schwarzen Kinokomödie, die da „Veni Vidi Vici“ heißt.
Gleich zu Beginn wird ein Mountainbiker vom Rad geschossen, einfach so. Der Schütze ist ein Sunnyboy (gespielt von Laurence Rupp), Familienvater mit viel Tagesfreizeit, die er als Milliardär asozial zu genießen weiß. Sein Butler (Markus Schleinzer) beherrscht die Logistik der Spurenverwischung nach den Morden, die sein Chef im Grünen begeht. Die Polizei verdächtigt den Ehrenbürger nicht, alle dringlichen Hinweise auf die Identität des Killers bleiben unbearbeitet.
Das amoralische Leben der Superreichen wird in Daniel Hoesls und Julia Niemanns „Veni Vidi Vici“ zum Serienkillerlustspiel überhöht. Die Bilder dieser Luxusexistenz sind glatt, aseptisch, fast werblich: Ein Indoor-Swimmingpool lädt im Stadtpalais zum Rundendrehen im Wohnzimmer, ein Fuhrpark weißer Autos zu mörderischen neuen Ausflügen. „Ich kann alles tun, ich komme mit allem durch“, konstatiert der Hausherr: „Wo bleibt der Aufstand?“ Und die empathiefreie Tochter des Hauses (Olivia Goschler) eifert dem Vater nach. „Steht auf, ihr Würstchen dieser Erde“, meint auch sie: „Ihr könnt mich jederzeit stoppen. Sonst seid ihr vielleicht die nächsten.“ Der Irrsinn nimmt kein Ende.
Wollen die Mächtigen der Finanzwelt in Wahrheit nur in ihre Grenzen gewiesen werden? „De facto loten sie aus, wie weit sie gehen können“, sagt Regisseur und Drehbuchautor Hoesl. „Sie finden immer neue Wege, die Gesetze zu umgehen. Das ist auch eine Haltung der Avantgarde. Wie kann ich allen anderen stets um einen Schritt voraus sein?“ Ein Spielsüchtiger, meint Co-Regisseurin Niemann, sei auch erst dann befriedigt, wenn er alles verloren habe. „In der Finanzwelt steckt eine ähnliche Psychologie.“
Kino in der Ära des Narzissmus
Drei Filme haben Niemann und Hoesl bislang miteinander fabriziert, wobei die Zuständigkeiten variieren. Umtriebig sind sie beide: Die Autorin und Regisseurin Julia Niemann, 37, hat ihre Filmkarriere nach einem Philosophiestudium 2015 begonnen, mit der Low-Budget-Comedy „WinWin“, als Produzentin und künstlerische Partnerin Hoesls. Vier Jahre später legte das Regieduo einen Dokumentarfilm über das jährliche Treffen der globalen Wirtschaftselite in Davos vor. Inzwischen entwickelt Niemann TV-Serien und etwa einen Psychothriller über das Zeitalter des Narzissmus; seit zwei Jahren arbeitet sie zudem mit dem argentinischen Filmemacher Gastón Solnicki.
Daniel Hoesl, 42, begann seine Kinolaufbahn bereits vor 20 Jahren als Regieassistent Ulrich Seidls. 2013 gewann er mit seinem Regiedebüt „Soldat Jeannette“ den Tiger Award des Filmfestivals in Rotterdam. Für „Veni Vidi Vici“ hat Hoesl das Drehbuch verfasst, inszeniert wurde wieder gemeinsam. Gegenwärtig arbeiten beide getrennt voneinander an diversen Projekten. Hoesl hat, wie er berichtet, unlängst einen sehr persönlichen schwarz-weißen Essayfilm in Italien über Europas größtes Casino gedreht. Das Buch stammt von dem Dramatiker Thomas Köck, die Musik von der Band Ja, Panik.
Antikapitalistischer Aktivismus
Die Mördersatire „Veni Vidi Vici“ haben Hoesl und Niemann nun bewusst zugänglicher als frühere Arbeiten gestaltet. Man habe sich „aus dem Altbekannten herauswagen“, mehr in Richtung Entertainment gehen wollen, „damit das Werk kein solipsistisches Experiment bleibt.“ Die symmetrienbetonende Fotografie des Kameramanns Gerald Kerkletz zeugt von Sterilität und Anonymität. Die Welt des Geldes hat keinen Namen und keinen Ort.
Es wird viel gezielt in ihrem Film, auch aufs Publikum. Tatsächlich lege man symbolisch auf die Zuschauerschaft an, bestätigt Hoesl: „Wir wollten keinen Kill the Rich-Film machen, eher darauf hinweisen, dass die Reichen uns töten.“ Man spreche das Publikum direkt an, um einen antikapitalistischen Aktivismus „womöglich Realität werden zu lassen, um die Multitude endlich in Gang zu setzen“. Denn: „Mit der sozialen Spaltung wollen wir uns, auch als Arbeiterkinder, partout nicht abfinden. Wir sind auf uns selbst zornig, dass wir uns das alles bloß jammernd bieten lassen.“ Man müsse aktiv werden, radikale Umverteilungen einfordern.
Die Illusion, dass ihr Film „die Leute in den Marx-Lesekreis oder auf die Straße bringen könne, um die Paläste zu stürmen oder wenigstens die Erbschaftssteuer zu erzwingen“, hege sie natürlich nicht, ergänzt Niemann: „Aber ein Film kann Menschen wütend machen – auf die richtigen Leute.“ Und dies seien eben „die Privilegierten, die Milliardäre, die uns als Simulakren dienen, nicht als Feindbilder“, sagt Hoesl. Es gehe keineswegs um Neid. „Wir sind viele, es liegt in unserer Hand, die Gesetze ändern zu lassen.“ Weniger weh tue der Film, nur weil er als zynische Komödie gestaltet wurde, jedenfalls nicht, da ist sich Hoesl sicher („Trotz der Satire fährt unser Film in die Magengrube des Publikums“). Investoren gehören zu den Lieblingszielscheiben des Duos: Diese können per Mausklick die Entscheidung treffen, Stellen zu kürzen und dafür zu sorgen, dass Menschen ihre Lebensrealität verlieren – „gewissermaßen umgebracht werden“, wie Hoesl es formuliert. Und ebendies sei „die Mordmetapher“, sagt Julia Niemann. „Es wird ein Knopf gedrückt, und irgendwo geht eine Bombe hoch.“
Auch österreichische Milliardäre standen Pate für den Protagonisten in „Veni Vidi Vici“, im Grunde aber fänden sie „den Typus des amerikanischen Superstar-Billionaire am reizvollsten“, bekennt Niemann: Diese Superreichen seien „Meinungsführer, Galionsfiguren, Projektionsflächen für die eigenen Sehnsüchte. Das sind Leute, die sich allmächtig fühlen. Wenn man die eigenen Grenzen nicht mehr spürt, ist es schwer, ein Verhältnis zur eigenen Größe zu kriegen.“ Milliardäre geben oft „das erstrebenswerte Bild eines weißen Ritters ab, der keinen Makel zu haben scheint, aber auch satanisch agiert“, sagt Hoesl noch. „Und sie sind mächtig, weil sie Medien besitzen und erschreckenden Einfluss auf die Demokratie nehmen.“
Frisst das Geld sich selbst auf?
Die „schöpferische Zerstörung“, die der Ökonom Joseph Schumpeter (1883–1950) ausgerufen hat, ist ein Schlüssel zu „Veni Vidi Vici“. Er sei „ein großer Fan“ Schumpeters, bekennt Daniel Hoesl, denn dieser habe die Begriffe creative destruction, entrepreneurship und disruption erfunden. „Er war Wirtschaftsprofessor an der Harvard University, davor auch österreichischer Finanzminister. Er war zwar ein Marktapologet und ein Konservativer, prognostizierte aber die Ablösung des Kapitalismus durch den Sozialismus. Wenn nicht, so schrieb er, würde sich der Kapitalismus selbst auffressen.“
Hoesl und Niemann betreiben kein Kino der Identifikation, ihre Figuren rühren nicht ans Herz. „Wir steuerten mit der Besetzung dagegen“, sagt Julia Niemann: „mit der tollen Olivia Goschler, der großen Ursina Lardi und dem bezaubernden Laurence Rupp, der so sympathisch und gut aussehend ist, auch ein guter Vater ist. Wir wollten diese Killerfamilie so liebenswürdig wie möglich besetzen.“ Und Hoesl sekundiert: „Wir hegen einfach eine sympathy for the devil. Weil ich gerne auf Leute zugehe, die ich nicht mag. Sonst könnte ich ja das Haus nicht verlassen.“
Mit dieser satirischen Form der Misanthropie spielt Hoesl gern. Der Unterstellung, sein Film habe selbst menschenfeindliche Züge, begegnet er keck, mit charakteristisch trockenem Witz: „Wir leben in einer Zeit, In der Menschenfeindlichkeit langsam wirklich angebracht ist.“ Es braucht nicht viel, um in der lakonisch servierten Pointe ein Körnchen Wahrheit zu entdecken.
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Stefan Grissemann
leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.