„Motherland“: Die stressigste Geburtenstation der Welt
Hier kommen also all die Babys auf die Welt. Fabella Memorial Hospital, Manila, Philippinen. Im Minutentakt wird in einer der größten Geburtenstationen der Welt entbunden und gestillt. Hochschwangere Frauen kommen in letzter Minute noch in den Kreissaal, lachen, weinen und kreischen – teils vor Freude, teils vor kaum erträglichen Schmerzen. Auf den Gängen herrscht stets reges Treiben. Tagein, tagaus, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Wenn es stressig wird, kommt im Durchschnitt alle zwölf Minuten ein Neugeborenes auf die Welt. Das sind oft mehr als 100 Geburten an einem einzigen Tag.
Schauplatz des Dokumentarfilms „Motherland“ (Bayang Ina Mo) ist ein öffentliches Krankenhaus in Manila. Regisseurin Ramona S. Diaz folgt in der Tradition des Cinéma vérité drei philippinischen Frauen und ihren Neugeborenen durch den Geburtenalltag. Diaz ist stille Beobachterin, verzichtet auf Interviews; die eindringlichen und unmittelbaren Szenen sprechen ohnehin für sich.
Als Zuseher findet man sich als Teil der Geburtenmaschinerie wieder. Die Filmcrew fängt das tägliche Chaos in unmittelbaren Bildern ein: Entbindungen werden beiläufig gefilmt, Doppelbelegungen von Betten und überfüllte Flure scheinen hier niemanden zu stören. Die täglichen Besuchszeiten sind für die Stationsleitung eine logistische Großleistung. Einmal geht ein Neugeborenes verloren, taucht dann wieder auf. Für Frühchen gibt es im Armenkrankenhaus keine teuren Inkubatoren. Man hilft sich mit Bändern und schnallt die zu früh geborenen Babys einfach direkt an die Mutter. Manchmal sind sie nicht größer als die Hände ihrer eigenen Mütter. Die tapferen Hebammen sind hier vor allem Vertrauenspersonen: es geht um Aufklärung, Verhütung, Bildung, Lebens- und Familienplanung. Über die Lautsprecher informieren Krankenschwestern über ausreichende Hygienemaßnahmen und geben Lebensweisheiten weiter.
Dabei ist „Motherland“ nicht nur ein Porträt einer der größten Geburtenstation der Welt, der Film gibt Einblick in einer von bitterer Armut und strengem Katholizismus geprägten Gesellschaft. Die jungen Frauen, meist nicht älter als Anfang oder Mitte 20, sind hier nicht zum ersten Mal. Meist haben sie schon mehrere Kinder zu Hause. Wie sie die Kinder ernähren werden, wissen sie nicht. Ihre Männer, die sich kaum die Busfahrt zur Station leisten können, verdingen sich als Tagelöhner oder sind arbeitslos.
Die Station ist ein Rettungsanker für werdende Mütter. Sie stammen allesamt vom Rand der Gesellschaft. Mütter, so jung, dass sie selbst wie Kinder wirken. Dennoch zeichnet „Motherland“ ein Abbild einer positiven Generation junger Frauen, die, obwohl sie kaum wissen, wie sie ihre vielen Kinder ernähren oder für die notwendige Medizin aufkommen können, kaum ihren Humor und ihr Lebensglück verlieren.
Der Film fängt diese positive Haltung ein. Jede Geburt birgt ein neues Leben, eine neue Geschichte. Mehr kann man sich von einem Film nicht wünschen.