Musikerin Verifiziert: „Das muss nicht mehr vertuscht werden“
Von „Golf 4“ bis „Suzuki Swift“: Die Wiener Musikerin Verifiziert erzählt von ihrem Faible für Autos – und von einer späten Diagnose, die ihr viel Druck abnahm.
In Ihren Songs geht es um Herzschmerz, Entfremdung und schlaflose Nächte. Schreiben Sie autobiografisch – oder beobachten Sie Ihre Umgebung einfach sehr genau?
Verifiziert
Wahrscheinlich beides. Ich schreibe über die Dinge, die mich beschäftigen und mache aus meinen Gefühlen eine Art Gedicht. Ich bediene mich aber auch an den Erfahrungen anderer Menschen. Die Songs sind eine Coming-of-Age-Erzählung, sie spiegeln die letzten zehn Jahre wider.
Für Ihr Debüt haben Sie sich Zeit gelassen. Ihre neuen Songs wirken eingängiger.
Verifiziert
Die Veröffentlichung fühlt sich ein wenig wie eine Geburt an. Einige der Stücke trage ich schon lange mit mir herum, die mussten erst an mein aktuelles Ich angepasst werden. Heute weiß ich, dass ein Album nicht nur nach einem Genre klingen muss. Auf das Album haben es die Songs geschafft, bei denen ich selbst einen Ohrwurm bekommen habe.
Ihr Album nennen Sie jetzt knapp „adhs“.
Verifiziert
Ich leide seit Jahren an einem Tick in der Schulter, bin von einem Röntgen zum nächsten gerannt. Dass dieser Bewegungsdrang mit ADHS zusammenhängt, habe ich erst spät erfahren. ADHS wird bei Erwachsenen, vor allem bei Frauen kaum wahrgenommen. Es gibt einen enormen Gender-Gap, da ADHS hauptsächlich mit zappeligen Burschen im Kindergartenalter assoziiert wird. Mädchen werden weiterhin als brav, ruhig und süß sozialisiert, und ihre Hyperaktivität sorgt dann für eine ständige innere Unruhe. Die meisten Frauen mit ADHS werden erst Mitte 20 diagnostiziert, wenn sie merken, dass sie Probleme im Erwachsenenleben haben. Meine Diagnose hat mir viel Schwere genommen.
Hat die Generation Z einen weniger stigmatisierenden Blick auf die psychische Gesundheit von Menschen?
Verifiziert
Wir sind auf dem richtigen Weg. Therapien sind normal geworden, das muss nicht mehr vertuscht werden. Außerdem wissen die Menschen viel besser über psychische Erkrankungen Bescheid. In meiner Schulzeit gab es diese Art der Aufklärung noch nicht.
Für Sie war Musik lange Zeit nur ein Hobby. Um Erfolg ging es Ihnen anfangs nicht?
Verifiziert
Meine ersten Songs habe ich nur zum Spaß gemacht. Ich hätte nie gedacht, dass ich mit meiner Musik erfolgreich werden könnte, das Musikbusiness war eine weit entfernte Welt. Somit konnte ich auch nicht enttäuscht werden. Heute bin ich froh, dass es geklappt hat. Ich wüsste nicht, was ich sonst machen würde.
Wie gehen Sie mit Ihrer Vorbildfunktion für junge Fans um?
Verifiziert
Es war nicht meine Intention, Vorbild zu werden. Viele Mädchen und Frauen schreiben mir aber, dass sie sich jetzt auch trauen, Musik zu machen und Probleme anzusprechen. Das finde ich schön.
Hat sich Ihre Musik durch TikTok und Instagram verändert?
Verifiziert
Die sozialen Medien setzen Trends – sei das durch Sped-up-Versionen oder das Samplen alter Songs. Manchmal feiere ich diese Trends und poste selbst ein Video auf TikTok. Anpassen werde ich mich aber nicht.
Autos sind ein wiederkehrendes Thema in Ihren Texten und Musikvideos – von Ihrem ersten Song „Golf 4“ (2019) bis zur aktuellen Single „Suzuki Swift“. Ist das nicht anachronistisch?
Verifiziert
Ich fahre gerne Auto. Leider. Außerdem sind mir viele meiner Songtexte beim Herumfahren eingefallen. Immerhin kommt bei mir kein Lamborghini vor.
Interview: Philip Dulle
Verifiziert, 26,
wurde mit den Songs „Butterflies“ und „Schlaflos“ in Österreich und Deutschland bekannt. In Ihren Texten thematisiert die Wienerin, die sich privat Veri nennt, Verletzlichkeit und Selbstermächtigung. Für ihr Albumdebüt hat sie mit befreundeten Produzenten und Musikern zusammengearbeitet; zu hören sind auf „adhs“ unter anderem die Rapper Longus Mongus (im Song „Kater“) und Kid Kapri („Venedig“). Im Abschlusstrack „White Truck“, einer Ballade mit verwischten Gitarren-Versatzstücken, zeigt sie, wohin ihre künstlerische Reise als nächstes gehen könnte. Live kann man Verfiziert beim Frequency Festival (17.–19. August) in Salzburg erleben.