Kulturtipp

Muslim* Contemporary: Zu muslimisch für Österreich?

Muslimischen Künstler:innen in Österreich fehlt ein Ausdrucksforum. Das Festival „Muslim* Contemporary“ schafft Abhilfe und hält der Gesellschaft den Spiegel vor. Bis zum 9. November gibt es die Gelegenheit, hinzusehen.

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Asma Aiad, Co-Gründerin von der Community-Plattform „Salam Oida“ und Initiatorin von Muslim* Contemporary, fällt auf. Pinkes Kopftuch, Bluse, Blazer. Ihr Auftritt ist so lebendig wie die Botschaft der Ausstellung. Die Kuratorin wirkt aufgeregt. Denn die Contemporary unter dem Motto „Spieglein, Spieglein an der Wand. Sind wir zu muslimisch für dieses Land?“ ist mehr als „nur” eine Kulturveranstaltung. Es ist ein antirassistisches, multidisziplinäres, intersektional-feministisches Projekt. Ein Festival, das laut den Veranstalter:innen „Österreich fehlte – und das es immer noch braucht“. Ziel ist es, durch Kunst, Workshops, Kulinarik und Wissen die Vielfalt des muslimischen Lebens in Österreich zu vermitteln. 

Von der Ausnahme zur Gemeinschaft

Während ihres Studiums an der Akademie der bildenden Künste fiel Asma Aiad häufig auf, dass sie „in sehr vielen Räumen als Ausnahme gesehen wurde”: „Ich war als muslimische Frau jemand, der nicht in das System passt.“ Als sie die Chance bekam, einen eigenen Raum zu bespielen, wollte die Künstlerin keine Einzelausstellung, sondern ein Gemeinschaftsprojekt schaffen.

So entstand Muslim* Contemporary: Was als dreitägiges Event in Wien begann, ist nun ein dreiwöchiges Festival in den vier Bundesländern Wien, Steiermark, Vorarlberg und Kärnten; 17 Künstler:innen und über 40 Personen aus der Community beteiligen sich daran. In verschiedenen traditionellen Kulturinstitutionen finden die Veranstaltungen statt. „Wir wollen Orte für uns beanspruchen, wo wir nicht wirklich gerne gesehen werden,” so die Kuratorin. Kunst passiere eben auch und vermehrt außerhalb der österreichischen Hochkultur: „Sie findet in Community-Räumen, in Parks oder auch Online statt.”

Mit einem offenen Aufruf versuchen die Kurator:innen jede:m eine Möglichkeit zu geben, sich an den Ausstellungen zu beteiligen. Über 30 Bewerbungen zeigen das Interesse der muslimischen Künstler:innen. Bisher ist die Community in der österreichischen Kunst- und Kulturszene stark unterrepräsentiert und das obwohl über 700.000 Muslim:innen in Österreich leben. Institutionelle und strukturelle Diskriminierung bleiben Teil ihres Alltags. 

Die Gesellschaft im Spiegel

Die Fakten sprechen für sich: Eine aktuelle EU-Studie zeigt, dass Muslim:innen in Österreich von allen 13 untersuchten Ländern am stärksten von Diskriminierung betroffen sind. 74 Prozent der befragten Muslim:innen berichteten, in den letzten fünf Jahren in Österreich Diskriminierung erlebt zu haben. Schweden hingegen verzeichnet mit 23 Prozent den niedrigsten Wert und belegt damit den letzten Platz.

Für die Kurator:innen von Muslim* Contemporary ist der EU-Bericht keine Neuigkeit. „Diese Fremdzuschreibung und Entmenschlichung ist ein tägliches Phänomen. Alle sehen es und alle schauen weg,“, so Esma Bošnjaković, Kuratorin der Muslim* Contemporary. Auf Instagram unter dem Profilnamen „Strudelworte“ bekannt, erreicht sie mit ihren Comics und Illustrationen Tausende von Abonnent:innen. Sie fordert: „Es wird langsam Zeit, dass sich die Gesellschaft selbst in den Spiegel schaut. Diskriminierung und Entmenschlichung haben eine lange Geschichte. Dafür gibt es genug Beweise.“ Sie verweist auf die Dokumentationsstellen wie den vom Verein ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit), der strukturelle Diskriminierung und entsprechende Erfahrungsberichte zugänglich macht.

Über die Selbst- und Fremdwahrnehmung und den eigenen Stellenwert in der Gesellschaft zu reflektieren, dazu lädt das Motto der Contemporary „Spieglein, Spieglein an der Wand. Sind wir zu muslimisch für dieses Land?” ein. 

„Allein, wenn man sich anschaut, wie Muslim:innen in Wahlkampfkampagnen als Zielscheibe benutzt werden und mit dieser Instrumentalisierung sogar Wahlen gewonnen werden, spiegelt für mich die innenpolitische Realität wieder”, erklärt Kuratorin, Online-Aktivistin und Sozialwissenschaftlerin Anahita Neghabat den Titel des Festivals. Neghabat ist es auch, die die Instagram-Seite „Ibiza Austrian Meme“ betreibt und dort innenpolitische Ereignisse, Diskriminierung und Rassismus durch humorvolle Memes thematisiert und kritisiert.

Sie erreicht online Tausende – genauso wie das Festival die Gesellschaft erreicht.

Ein Projekt der Community für alle 

Die Nachfrage ist enorm – der Workshop in Graz war binnen Minuten ausgebucht, die Veranstaltungen sind gut besucht. Es ist nicht nur die kostenlose Teilnahme, die das Festival so erfolgreich macht. Das Besondere sind die diversen Künstler:innen, die wie das Publikum Menschen sind, die in traditionellen Kulturinstitutionen oft fehlen. Muslim* Contemporary schafft es, ohne gezielte Marketingstrategien eine breite Gemeinschaft anzusprechen. Von Anfang an sei das Projekt „community-basiert” gewesen. Es ist auch keine Veranstaltung, „wo nur Künstler:innen eingeladen werden, die sich bereits etabliert haben,” erklärt Anahita Neghabat. Denn nur so entstehe ein Raum für vielfältige Geschichten und Perspektiven.

Celeste Ilkanaev