"Nach der Flucht" von Ilija Trojanow: Rettung überall
Sechs Jahre war Ilija Trojanow alt, als seine Eltern 1971 aus dem kommunistischen Bulgarien nach Deutschland flohen und politisches Asyl erhielten. Im Jahr darauf zog die Familie nach Kenia. Der Vater hatte in dem Land einen Job als Ingenieur gefunden. Kosmopolit ist der mittlerweile in Wien lebende Autor Trojanow zeit seines Lebens geblieben. Er durchwanderte afrikanische Wüsten, reihte sich in Mekka in die Pilgerströme ein und beobachtete die Gläubigen am Ganges. Er bricht freiwillig zu seinen Reisen auf. Viele können das nicht.
Als literarischer Weltenbummler hat sich Trojanow, 51, einen Namen gemacht. "Die Welt ist groß und Rettung lauert überall“ lautete der Titel von Trojanows Debüt, in dem er die Erfahrungen seiner Eltern als Flüchtlinge beschrieb. In seinem neuen Buch "Nach der Flucht“ greift er das Thema abermals auf, hebt es aber auf eine allgemeinere Ebene. In kurzen, prägnanten Beobachtungen erweist sich der Autor als messerscharfer, durchaus provokanter Analytiker, der paradoxe Empfindungen auf den Punkt bringt. Wenn die Ehe zwischen Einheimischen und Fremden scheitere, sei die Differenz zwischen den Kulturen und Traditionen schuld, schreibt er: "Geht die Ehe zwischen zwei Einheimischen in die Brüche, liegt es an der Differenz zwischen zwei Individuen.“ Trojanow plädiert für offene Grenzen: "Alle zentralen Probleme können nur weltgemeinschaftlich gelöst werden. Der Nationalist im 21. Jahrhundert ist ein Apokalyptiker.“
Ilija Trojanow: Nach der Flucht. Fischer. 128 S., EUR 15,50