Nachruf: Peter Kern - Der letzte Wilde
Peter Kern war, wo immer er auf- und hintrat, ein Ereignis - und keineswegs nur physisch, mit seiner übermächtigen Leibesfülle, seinem schwarzem Kulturkampfanzug und seinem meist ironisch-provozierenden Blick. Die Kern’sche Angriffslust, dies- und jenseits des Kinos, war aus gutem Grunde ausgeprägt und stets unabdingbarer Teil seiner gegen alle Widerstände durchgesetzten Kreativität.
Dabei war Peter Kern, der sich gern brüllend zu Wort meldete und durchaus so weit ging, Mitarbeiter, Zuschauer und Kulturpolitiker - und unbedingt auch immer: sich selbst - öffentlich zur Schnecke zu machen, ein Widerständler mit Utopien, ein Choleriker aus Verzweiflung, dessen andere, liebevolle und liebesbedürftige Seite nicht immer wahrgenommen wurde.
"Lehre" bei Fassbinder
Die Kunst des Streitens hielt das Wiener Arbeiterkind ebenso in Ehren wie jene des Melodrams, des schönen Kitsches; die (Kern-)Fusion aus der sozialen Härte, von der er unablässig berichtete, und der weltfernen Anmut der Fiktion hatte er als Schauspieler bei Werner Schroeter und Rainer Werner Fassbinder gelernt. So machte er, wenn er nicht gerade am Theater auftrat, ab 1983 auch selbst Filme, legte zuletzt praktisch jedes Jahr eine neue wilde Arbeit vor, ohne nennenswerte Budgets, aber mit heftig politischem Anspruch, Leidenschaft und Herzblut. Und Regisseure wie Christoph Schlingensief wiederum lernten von ihm, wie viel Sprengkraft in der charmanten Subversion, in der spielerischen Radikalität liegt.
Eines der letzten Interviews, die Kern gab, führte er im Februar, am Rande der Berlinale, wo man seinen exzellenten Abschiedsfilm "Der letzte Sommer der Reichen“ zeigte, mit profil-Mitarbeiter Philip Dulle - und wieder teilte er lustvoll aus, wetterte gegen Europas Flüchtlingspolitik, gegen ORF und Song Contest ("Wir sind so abgeflacht, so verblödet“), gegen Hans Hurchs Viennale und gegen die Akademie des österreichischen Films ("ein Schmähtandlerbetrieb“). Es war nie leicht, den Übertreibungskünstler Kern zu lieben. Aber es war - und ist - bitter nötig. Am Mittwoch vergangener Woche starb der Filmemacher und Schauspieler Peter Kern 66-jährig nach langer Krankheit in Wien. Er wird fehlen.