Nerd, Könner, Kind: Dirigent Mäkelä mit Sibelius in Wien
Von Manuel Brug
Klar, geradlinig, leuchtend, metrisch ruhig dahinlaufend, ja schwebend: So klingt ab dem ersten, dezenten Paukenschlag die 7. Sinfonie von Jean Sibelius. Und auch dessen lyrische 6. Sinfonie erfuhr vergangenen Sommer beim Musik- und Tanzfestival von Granada eine ähnlich inspirierte, sorgfältige, nie überinterpretierende Wiedergabe unter dem jungen Finnen Klaus Mäkelä.
Mäkelä, der gern im Anzug und mit sauber gefaltetem Einstecktuch am Pult steht, dirigiert mit ausdrucksvoll elastischer, aber kontrollierter Gestik. Dabei ist er gerade erst 26 Jahre alt – zudem ausgebildeter und noch gelegentlich aktiver Cellist; einer der letzten Schüler des legendären Lehrers Jorma Panula, seinerseits inzwischen 91. Den Mäkeläs liegt die Musik in den Genen. Klaus’ Vater ist Cellist, seine Mutter Pianistin. Sein Großvater ist Geiger und Bratschist, seine Schwester tanzt im finnischen Nationalballett. Er soll schon als Zwölfjähriger gewusst haben, dass er Dirigent werden wollte. Seit drei Jahren verfolgt er seine Karriere international.
Seit Herbst 2020 ist Klaus Mäkelä nun Chef des Oslo Philharmonic Orchestra, 2021 hat er zudem – ein Jahr früher als vereinbart – das Orchestre de Paris übernommen. Muss das alles jetzt schon sein? So mag man fragen und an so manches früh überforderte, dann rasch verglühte Dirigententalent denken. Bei ihm, der sich in jedem Gespräch als wacher, leidenschaftlicher, auch fokussierter Partner erweist, möchte man unbedingt dafür sein. Einer wie er muss spielen dürfen, braucht ein kontinuierliches Orchester zum Üben und Reifen. Denn er hat erstaunlich viel zu geben und zu sagen, erweist sich als kluge, sympathische Mischung aus Nerd, Könner und Kind. Und er weiß sehr genau, welch große Orchester er da zur Handhabung überlassen bekommen hat, kann diese aber auch erstaunlich virtuos und mit einem frühvollendet eklektischen Geschmack bedienen.
2021 hat ihn der britische Musikkonzern Decca exklusiv engagiert. Es ist dessen erster Dirigiervertrag seit 40 Jahren – den letzten bekam dort Riccardo Chailly. Mit mehr Vorschusslorbeeren wurde lange kein Dirigent mehr aufgebaut. In wenigen Tagen debütiert der junge Finne im Wiener Konzerthaus ausgerechnet mit Sibelius. Mäkelä lächelt diesen Umstand authentisch angstfrei weg, mit der Chuzpe der Jugend, die bei ihm nie leichtfertig oder überheblich wirkt, ein bisschen augenzwinkernd naseweis vielleicht, doch voll Enthusiasmus. Die Naivität des Anfängers ist ihm fern. Mäkelä ist zielstrebig und ausgebufft.
Sibelius Residency mit dem Oslo Philharmonic Orchestra: 21.–23. Mai im Wiener Konzerthaus