„Nervendämon“ & Walzermafia: Die Strauss-Dynastie als Seifenoper
Wien nach der Aufbruchsstimmung durch den Wiener Kongress in den Jahren 1814 und 1815: Die Stadt versank in Depression, Angst und Elend. Die rigorose Kontrollpolitik des Staatskanzlers Klemens Lothar Fürst Metternich hatte sie nicht nur in Massenarmut gestürzt, sondern auch „unter einen Mehltau von Überwachung, Zensur und Unterdrückung“ gelegt, wie der Kulturwissenschafter Michael Lemster in seiner kürzlich erschienenen Dynastie-Biografie „Strauss – eine Wiener Familie revolutioniert die Musikwelt“ schreibt. Eine auf 3000 Köpfe geschätzte Armee von sogenannten Naderern, also Spitzelamateuren, hatte den Auftrag, rund 300.000 Wiener und Wienerinnen auf Kaisertreue und revolutionsgesäubertes Gedankengut zu überwachen und sie gegebenenfalls sofort zu denunzieren. Hohe Steuern, leere Staatskassen, eine Art Hobby-Geheimpolizei und der Mangel an sozialem Auffangnetz setzten die Bevölkerung unter extremen Druck.
In diesem Klima der Angst und der existenziellen Bedrängnis bedurfte es einer eskapistischen Gegenbewegung. Die Revolution fand jedoch (noch) nicht in den Zeitungsredaktionen und Universitäten statt, sondern in den Wirtshaussälen, Vorstadtbühnen, Tanzsälen und Wohnzimmern. „Die ganze Stadt befindet sich in einem förmlichen Taumel von Musik und Vergnügungen“, zitiert Lemster einen Zeitzeugen, „der Kaiser hält sich und seine Familie sicher, solange seine Untertanen singen und tanzen.“ Ähnlich wie später NS-Propagandaminister Josef Goebbels war sich schon Metternich sicher, dass das Volk nur mit Amüsement betäubt und ruhiggestellt werden konnte.
Armut und Talent als Treibstoff: Johann Strauss Vater
Die Geschichte der wohl berühmtesten Dynastie in der weltweiten Historie des Musik- und Showgeschäfts setzt schaurig ein. Im eiskalten Donaukanal treibt an einem windgepeitschten Apriltag des Jahres 1816 ein aufgedunsener männlicher Leichnam, die einst grüne Weste bereits schwarz. Es ist der 50-jährige Leopoldstädter Bierwirt Franz Borgias Strauss. Es ist von Suizid auszugehen: Der beleibte Mann stand bei vielen Brauereien in der Kreide, Steuerforderungen taten ihr Übriges, um ihn in eine völlig aussichtslose Situation zu stürzen. Was seinen damals zwölfjährigen Sohn Johann zum Vollwaisen machte, denn fünf Jahre zuvor war bereits dessen Mutter Barbara Dollmann mit nur 41 Jahren am „schleichenden Fieber“ gestorben.
Von den sechs Strauss-Kindern sollten nur Johann und seine Schwester Ernestine das Erwachsenenalter erreichen. Unstillbare Existenzängste waren in der Kindheit von „Schani“ – so Johanns Kosename – also ständiges Inventar. Doch eines lernte er im Chaos einer von „Tranklern“, Bettgehern, Dienstboten, Handwerkern und Frauen, denen oft nur die Heirat oder die Prostitution zum Überleben blieb (drei von zehn Kindern waren damals unehelich), bevölkerten Leopoldstädter Wirtshausstube: Mit Musik erreichte man Macht, Aufmerksamkeit, und man verhalf den Menschen zur Flucht aus ihren erbärmlichen Existenzen. Gegen den Obolus einer warmen Mahlzeit spielten die sogenannten Bratl-Geiger, oft Familienväter, die sich so ein Zubrot holten, im „Heiligen Florian“ auf, und der kleine Schani hatte anschließend die Aufgabe, mit einem Zinnteller oder Hut ein paar Münzen für die Musiker einzusammeln.
Wie er als Waisenkind – sein Vormund wurde der Kleidermacher Anton Müller, und er lernte das Handwerk des Buchbinders – zum ersten Walzerkönig und zu einem nahezu hysterisch verehrten Idol avancierte, darüber gehen die Meinungen der Biografen auseinander. Der legendäre TV-„Opernführer“ Marcel Prawy nennt in „Weltgeschichte im Dreivierteltakt“ das Geschenk seiner Eltern an den Erstgeborenen, „eine Mignon-Geige“ aus einer berühmten bayerischen Fabrik, auf der er sich selbst das Spielen beibrachte, als Initialzündung. Lemster vermutet, dass Johann noch während seiner Lehre Unterricht auf der Violine und in Musiktheorie erhalten hatte. Der Musikhistoriker Alexander Witeschnik verweist auf die Quelle eines Zeitzeugen, Strauss habe im Alter von 14 Jahren, noch während seiner Buchbinder-Ausbildung, als Bratschist in der Kapelle des Vorstadtoriginals Ignaz Michael Pamer angeheuert. Dieser war vor allem wegen seines exorbitanten Bierkonsums berühmt; sein Paradestück „Selige Erinnerungen an das gute Hütteldorfer Bier“ endete nach der 20. Wiederholung in der Regel mit einem alkoholbedingten, schluchzenden Zusammenbruch des Kapellmeisters.
In der Pamer-Kombo soll Schani auch Josef Lanner kennengelernt haben, der bereits eine kleine Musikertruppe anführte, die er zum Quartett erweiterte. Der blonde „Flachskopf“ und der „Mohrenschädel“ (so einer der vielen im Volksmund verfestigten rassistischen wie antisemitischen „Spitznamen“ für Johann Strauss senior und später auch den Junior) zogen zusammen. Anfangs waren sie so bitterarm, dass sie sich, so will es eine hartnäckige Anekdote, ein einziges Auftrittshemd teilen mussten.
Die Mutter als Förderin. Zerrüttete Verhältnisse
Sehr bald verstand Johann Strauss, dass er Lanner nicht brauchte, um seine Kräfte als „Nervendämon“, wie der 19-jährige Richard Wagner ihn nach dem Besuch eines Konzerts in den Sträußelsälen bezeichnete, lukrativ zu entfalten. Bald leitete er seine eigene Kapelle, begann selbst zu komponieren, auch weil der zum Alkoholismus neigende Lanner zunehmend kreativ erlahmte. Johann Strauss Sohn beschrieb den Verfall später in einem Vorwort zum Werk seines Vaters. Wenn Lanner sich „leidend und arbeitsunfähig fühlte“, also de facto verkatert war, gab er seinem weit genialeren Kollegen Bescheid: „Strauss, lassen S’ Ihna was einfallen.“ Die Ankündigung eines neuen Stücks musste eingehalten werden, denn miteinander konkurrierende Tanzkapellen prägten den Amüsierbetrieb der Stadt, und ohne neukomponierte Walzer, Polkas und Quadrillen durfte ein konkurrenzfähiger Kapellmeister gar nicht vor sein Publikum treten. Dass Strauss’ Stücke beim Publikum bald mehr Gejohle entfachen konnten, führte letztendlich zum Bruch der Freundschaft. Außerdem musste er sich selbstständig machen, um seine zukünftige Familie erhalten zu können: Die Vorstadt-Wirtstochter Anna Streim war 1825 kurz nach der ersten Begegnung bereits schwanger. Am 25. Oktober des gleichen Jahres wurde Johann Baptiste nach einer hastigen Heirat geboren, fünf weitere Kinder sollten folgen.
Doch das Biedermeier-Image der trauten Talente-Dynastie, die in wohliger Häuslichkeit gemeinsam musizierte, entsprach nicht einmal annähernd den Tatsachen. Vater Strauss wollte seine drei Söhne Johann, Josef und Eduard partout nicht im Musikgeschäft wissen, sondern in soliden Berufen sehen. Vermutlich hatte der Egozentriker auch die berechtigte Furcht, sich damit Konkurrenz aus dem eigenen Haus zu schaffen. Einmal, so heißt es in der Prawy-Biografie, habe der Vater dem Sohn Johann seine geliebte Geige einfach weggenommen. Anna hielt sich nicht an die Vorgaben ihres cholerischen, ständig überarbeiteten Mannes, der inzwischen ein 200 Mann starkes Orchester leitete, dessen Ruhm auch international Wellen schlug und Reisen erforderte. Anlässlich der Krönung der 19-jährigen Königin Victoria hatte Strauss Vater mit seinem 30-köpfigen Reiseorchester in England mehrere Konzerte gegeben und wurde nach seiner Rückkehr 1838 so euphorisch wie „ein österreichischer Napoleon“ (Marcel Prawy) gefeiert.
Anna, selbst durchaus musikalisch, förderte und forderte ihre drei Buben und setzte sich so über den Willen ihres Mannes hinweg. Im Salmannsdorfer Sommerhaus hatte Johann im Alter von sechs Jahren seinen ersten Walzer am Klavier komponiert, den die Mutter später unter dem Titel „Erste Gedanken“ transkribierte. Den Vater sollte er kaum zu Gesicht bekommen, denn der wohnte schon bald in einem anderen Apartment in der Taborstraße Nummer 17, wo er komponierte, mit seinen Musikern probte und abends von einem Tanzetablissement zum anderen raste, um den jeweiligen Ankündigungen, dass der Walzerkönig höchstpersönlich seine Musiker dirigiere und die Geige „wie ein wild gewordener Teufel“, so ein Zeitzeuge, traktiere, zumindest phasenweise gerecht zu werden.
Gleichzeitig gründete er eine „ungenierte“ Zweitfamilie mit der 19-jährigen Emilie Trampusch, einer Modistin. Mit ihr zeugte er weitere acht Kinder, von denen nur drei das Erwachsenenalter erreichen sollten. Strauss lebte mit ihr in einer winzigen Wohnung in der Kumpfgasse in der Wiener Innenstadt. Seine notorische Arbeitswut, die er mit mehreren Zusammenbrüchen am Pult vor Publikum bezahlen musste, war auch der Tatsache geschuldet, dass er zwei verschwenderisch geführte Haushalte mit insgesamt 14 Kindern zu finanzieren hatte. Emilie Trampusch war in den Klatschpostillen auch wegen ihrer „Putzsucht“ verfemt. Der Terminus betraf ihr Faible, sich mit „Brillanten“ aufzuputzen. Immerhin besaß Strauss senior den Anstand, die Vaterschaft all seiner außerehelichen Kinder anzuerkennen.
Psychokrieg zwischen Vater und Sohn
Der 15. Oktober 1844 elektrisierte ganz Wien, und schon am Nachmittag hatte sich die halbe Stadt per Fiaker und Pedes in die Hietzinger Vorstadt bewegt, wo das mit wirkungsvoller Vorreklame bedachte Debüt des 18-jährigen „Capellmeisters und Compositeurs“ Johann Strauss Sohn in Ferdinand Dommayers Casino (dem heutigen Kaffeehaus), so die Genrebezeichnung für ein Etablissement mit Ballsaal, bevorstand. Strauss hatte sich die amtliche Genehmigung, „durch Leitung musikalischer Unternehmungen seinen Erwerb zu suchen“, bereits ohne die ansonsten erforderliche Erlaubnis des Vaters eingeholt. Was auch damit zu erklären ist, dass seine gedemütigte Mutter Anna parallel dazu die Scheidung von ihrem Ehemann eingereicht hatte. Anna führte in Folge einen veritablen Rosenkrieg und ließ ihren betrügerischen Mann mehrfach wegen säumiger Alimente bei seinen Hofeinkünften pfänden.
Ihr Engagement, was ihren Ältesten betraf, hatte natürlich auch egoistische Gründe: Sein Ruhm sicherte ihr eine komfortable Existenz. Bis die Scheidung amtlich wurde, sollten noch zwei weitere Jahre vergehen. Jeder wusste, dass der erste Auftritt des Walzer-Prinzen einer Kriegserklärung an den Vater gleichkam, und dementsprechend berstend voll mit sensationslüsternem Publikum war der Dommayer-Saal. Der Biograf Alexander Witeschnik schreibt, dass der Senior, der sich an diesem Abend in der Kumpfgasse verschanzt hatte, seine Leute in diverse Amüsierbetriebe und Konzertlokalitäten schickte, um erpresserisch zu verhindern, dass man seinem Sohn je eine Bühne bieten werde. Witeschnik erwähnt auch ein belegbares Zitat des Vaters: „Jetzt will der Mistbub auch noch Walzer schreiben, obwohl er keinen Dunst davon hat.“ Dessen Karriereeinstieg aber geriet triumphal; der erste eigene Walzer – „Die Gunstwerber“ – musste vier Mal wiederholt werden, die „Sinngedichte“ gleich 19 Mal. Ein Orkan der Begeisterung brach „über den Funkensprühenden“ herein, „der da oben arbeitet wie eine galvanische Batterie“, so ein Kritiker.
In der „Österreichischen Morgenzeitung“ hieß es: „Gute Nacht, Lanner! Guten Abend Strauss Vater! Guten Morgen Strauss Sohn.“
Johann wird Jean & die Blüte der Walzermafia
Das Revolutionsjahr 1848 verstärkte den Graben zwischen Vater und Sohn. Während der Junior auch mit den Titeln seiner Kompositionen – „Revolutionsmarsch“, „Barrikadenlieder“ – politische Position bezog, zeigte sich der Vater kaisertreu. Doch tatsächlich hatten beide nur eine Gesinnung: die Alleinherrschaft im musikalischen Unterhaltungsgewerbe, ideologisch blieben sie situationselastisch. Der schwarz-gelben „Loyalität“ verdankte Strauss Vater seine bekannteste Komposition, den „Radetzky-Marsch“ (das Fixrepertoirestück bei jedem Neujahrskonzert) zu Ehren des – mittlerweile ob seiner brutalen Vorgangsweise umstrittenen – Feldmarschalls, der die Lombardei für Österreich zurückgewonnen hatte. Anlässlich eines Festbanketts sollte der Marsch unter dem Dirigat seines Schöpfers aus der Taufe gehoben werden. Doch Johann Strauss Vater konnte den Triumph nicht mehr erleben: Geschwächt von einer England-Tournee war er nach seiner Heimkehr in die Kumpfgasse zur Trampusch-Parallelfamilie von einem seiner Kinder mit Scharlach angesteckt worden und starb ausgelaugt im September 1849 im Alter von nur 45 Jahren.
Die mediale Stimmung, die sich während des Vorherrschaftskrieges innerhalb der Familie durchaus auch gegen den „undankbaren“ Junior gerichtet hatte, drehte sich daraufhin schnell. Strauss publizierte sogar hingebungsvolle Rechtfertigungsschreiben für seinen Karriereweg in der „Wiener Zeitung“: „Mich umschwebe der segnende Geist meines treuen Vaters …“ Und sehr bald erreichte die Massenhysterie für „Jean“ noch größere Dimensionen als für den Vater. Wie jener betrieb auch der paradoxerweise ungeübte Tänzer gesundheitlichen Raubbau, rauchte 20 Zigarren am Tag, erlitt Nikotinvergiftungen, schlief wenig und komponierte ununterbrochen, bisweilen so manisch, dass er seine Stücke auf Tisch- und Leintüchern oder auf seinen Manschetten niederkritzelte. Abends raste er von einem Vergnügungspalast oder Konzertsaal zum nächsten. Die Haare waren stets pechschwarz gefärbt und mit der Brennschere onduliert, das Outfit so schnittig wie erlesen.
Ein erster erschöpfungsbedingter Zusammenbruch verlangte nach einer Umstrukturierung des Walzerdampfers: Johann holte seine Brüder Eduard und Josef, einen Ingenieur, der eine Straßenkehrmaschine erfunden hatte, unter deren Widerwillen an Bord; der „fesche Edi“ litt zwar zeitlebens am Genie seines Bruders und konnte sein Publikum weder mit seiner Musik noch seinem Auftreten mitreißen, doch fügte er sich ebenso. Das Trio entwickelte sich zu einer „wahren Walzermafia“, wie Prawy schreibt, „sie ließen keine Einschüchterung, keine Drohung (…) ungenützt, um bei wichtigen Anlässen andere Kapellen auszuschließen.“
Jeans erste Frau, die um sieben Jahre ältere Mezzosopranistin Henriette „Jetty“ Treffz, die als illegitime Geliebte bereits sieben Kinder mit dem Bankier Moritz Todesco zur Welt gebracht hatte, war ihrem „Jeany“ seit der Hochzeit 1862 Managerin, mütterliche Frau, Krankenpflegerin, „beste Hausfrau und erstes Publikum“. Sie hielt jeglichen Alltag von ihm fern, begleitete ihn auf seinen Reisen und stürzte ihren Mann nach 16 Jahren Ehe durch ihren plötzlichen Tod nach einem Schlaganfall in tiefe Melancholie. Es sollten zwei weitere, ebenfalls kinderlose Ehen folgen: Nachdem Strauss die Annullierung seiner unglücklichen Ehe mit der Gesangsschülerin Lily Dittrich nicht durchzusetzen imstande gewesen war, trat er mit seiner späteren und dritten Frau Adele Deutsch zum evangelischen Glauben über und nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an, was in Wien naturgemäß zu einem Skandal führte.
Adele sollte ihren Mann um 31 Jahre überleben und war berüchtigt wegen ihres scharfen Tantiemenmanagements: Am 3. Juni 1899 starb Johann Strauss Sohn, 73-jährig, in seinem Palais in Wieden, bereits schwer von Rheumatismus, Gicht und schwindender Sehkraft gezeichnet. Er hinterließ an die 500 Kompositionen. Eduard, der einzige Überlebende der drei Brüder, setzte acht Jahre später einen Akt der Barbarei, der Musikhistorikern bis heute Rätsel aufgibt. Am 22. Oktober 1907 standen Rauchwolken über Mariahilf: Der 72-jährige Eduard Strauss ließ in einer Tonofenfabrik Wagenladungen von Partituren und Orchesterbüchern aller Strauss-Kapellen verbrennen; fünf Stunden lang dauerte die Aktion, die von ihm akribisch überwacht wurde. Ob sich hier der Hass auf den weitaus begnadeteren Bruder in irrationaler Weise manifestierte oder es sich um eine präventive Schutzmaßnahme wegen Urheberrechtsstreitigkeiten gehandelt hatte (die „Sträusse“ produzierten am Fließband und kopierten möglicherweise auch fremde Passagen für ihre eigenen Stücke), bleibt bis heute ein Mysterium.
Die posthume Zwangsarisierung durch Joseph Goebbels
Im saloppen Wiener Antisemitismus bezeichnete man Johann Strauss Sohn gerne als „den Jud mit der Fiedel“, oftmals wurden in Beschreibungen auch sein „afrikanisches Aussehen“ und „seine schwülstigen Lippen“ vermerkt. Familienforscher mussten dem Reichssippenamt in Berlin die Mitteilung machen, dass der Vorfahre Johann Michael, Großvater von Johann Strauß Vater, im Traubuch St. Stephan mit dem Vermerk „mosaischer Glauben“ verzeichnet war. Grund genug, um im NS-Kulturverständnis auch die Werke seiner Nachfahren aus dem Kanon völkischer Kultur auszumerzen. Doch Joseph Goebbels erkannte schnell, dass dies für den Musikbetrieb des „Dritten Reichs“ eine Katastrophe bedeuten könnte – und erklärte die Angelegenheit zur „geheimen Reichssache“. Er ließ den Eintrag entfernen, erst nach dem Zusammenbruch des Regimes wurde die Fälschungsaktion offenkundig.
Goebbels notierte folgende Begründung für das Unterlaufen der eigenen „Rassengesetze“: Er habe „keine Lust, den ganzen deutschen Kulturbesitz unterhöhlen zu lassen …“