Netflix-Erfolg "Squid Game": Mord am Spielplatz
Der Plot des südkoreanischen Serienhypes „Squid Game“ ist simpel: Hunderte hochverschuldete Menschen beteiligen sich an einem scheinbar infantilen Wettkampf, um einen millionenschweren Geldpreis zu gewinnen. Doch so unschuldig bleibt es nicht lange. Erste Aufwärmübung ist das Äquivalent zu „Der Hase läuft über das Feld“: Wer verliert, wird erschossen. Financiers des perfiden Entertainment sind Superreiche, die auf den Ausgang der Mörderspiele Wetten abschließen. Dieser Topos ist nicht ganz neu: Bereits in den 1920er-Jahren erdachte Richard Connell eine (1932 in Hollywood verfilmte) Kurzgeschichte namens „The Most Dangerous Game“; auch im Science-Fiction-Klassiker „Rollerball“ (1975) wurde man mit mörderischen Rollschuhspielen bei Laune gehalten, während die Buch- und Kinoreihe „The Hunger Games“ die Machenschaften diktatorischer Systeme auch für Jugendliche greifbar machte.
„Squid Game“ avanciert gerade zum größten Erfolg des Streaming-Giganten Netflix. Die infernalische Gewalt und großartig konstruierte Suspense sind nur der Hintergrund für pointierte Sozialkritik, die sich aktuelleren popkulturellen Phänomenen nähert. 2020 thematisierte die Oscar-gekrönte Klassenkampfsatire „Parasite“ die wachsende Ungleichheit im K-Pop-Mekka Südkorea. Auch in „Squid Game“ repräsentieren die Hauptfiguren marginalisierte Gruppen; es treten auf: eine nordkoreanische Überläuferin, ein spielsüchtiger Vater, ein aus Pakistan immigrierter und ausgebeuteter Fabrikarbeiter. Sie sind nicht nur die Gesichter einer Ära der wachsenden Privatinsolvenzen, sondern auch Projektionsflächen für ein Massenpublikum, das weit über Korea hinausreicht. Zum perfiden Voyeurismus kommt in „Squid Game“ eine lebensnahe Identifikationskomponente – und das ist äußerst gegenwärtig.
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