2Raumwohnung

Neue Alben: Der Plan, 2Raumwohnung, Hidden By The Grapes

Neue Alben: Der Plan, 2Raumwohnung, Hidden By The Grapes

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2Raumwohnung: Nacht und Tag (It Sounds)

Will man das neue Album des Berliner Elektropopduos 2Raumwohnung verstehen, muss man sich nur folgende Situation in Erinnerung rufen. Nirgendwo manifestiert sich der Unterschied zwischen „Nacht und Tag“ nämlich so deutlich, wie wenn man frühmorgens aus einem Club stolpert und die ersten Sonnenstrahlen sich rasiermesserartig durch die Straßen schneiden. Zwischen Euphorie und Katerstimmung liegen meist nur wenige Augenblicke. Für ihr Doppelalbum haben Inga Humpe und Tommi Eckart ihre zehn neuen Songs gleich in einer Nacht- und in einer Tag-Version veröffentlicht; einmal als reduzierte Retrobeats, dann als melancholische Gitarrenpop-Versatzstücke. Zusammengehalten werden sie von Humpes melancholischer Schlafzimmerstimme. Wer feiert, muss auch irgendwann schlafen. Egal, ob es dann Tag oder Nacht ist.

Der Plan: Unkapitulierbar (Bureau B/Indigo)

Natürlich ist es schön, neue Signale dieser untadeligen Band zu empfangen, die sich über die mannigfaltigen ästhetischen und klanglichen Abgründe der sogenannten "Neuen Deutschen Welle“ in den allerfrühesten 1980er-Jahren schon stil- und geschmackssicher hinwegsetzte. Andererseits verpflichtet der gute Ruf ja auch zu höherer künstlerischer Anstrengung - und die vermisst man auf "Unkapitulierbar“, dem jüngsten Album jener Avant-Pop-Truppe, die sich 1979 Der Plan genannt hat, bei aller Sympathie dann doch ein wenig. Das Trio, seit dem radikalen ersten Album ("Geri Reig“) aktiv, hatte 1993 den vorläufig letzten gemeinsamen Tonträger veröffentlicht. 24 Jahre später ist Der Plan nun also in Originalbesetzung wieder unterwegs, und man hört die vertrauten Manöver, die kindlich-minimalistische Elektronik, die monotonen Melodien, die gedrechselt naive Sprache, aber die Songs bleiben weitgehend reizarm. Nur an einer Stelle entfaltet sich der mysteriöse alte Dadaismus: in dem dunklen Rezitativ "Gesicht ohne Buch“. An die alten Plan-Idole, die kalifornischen Klangsurrealisten The Residents, verweist nur das kürzeste Stück der Platte, eine Ode für verstimmtes Piano namens "Ein Besuch bei N. Senada“. Der Rest ist heiter-beschwingte Erbmasseverwaltung.

Hidden By The Grapes: Blossom Tree (Wohnzimmer Records)

Zweifellos verzweifelt. Das Grazer Trio Hidden By The Grapes spielt unerwartet intensiven Gitarrenrock, der zwischen überraschenden Brüchen und Dynamikwechseln eine Intensität entwickelt, die man nicht mehr missen möchte. Wie das klingt? Soundcollagen irgendwo zwischen Dinosaur Jr., Swans und Sonic Youth. Für „Blossom Tree“ sollte man sich Zeit nehmen; man braucht gute Nerven und wird sich irgendwann gar nicht mehr von diesen unerhörten Songs lösen können.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Von 2009 bis 2024 Redakteur bei profil.