Neue Alben: Kendrick Lamar, Erfolg, Annisokay, Torpus & The Art Directors
Erfolg: Erfolg (Staatsakt)
Der neue deutsche Pop ist eigenwillig: Das Ein-Mann-plus-Frauenchor-Poetry-Experiment Erfolg (Motto: „Ich nenn' mich Erfolg, dann hab' ich immer Erfolg in meinem Leben“) mäandert auf elf Songs zwischen vorsichtig gezupften Indie-Gitarren, elektronischen Spielereien und nur ansatzweise euphorischen Ausbrüchen. Dass das Projekt des The-Chap-Musikers Johannes von Weizsäcker mit dem penetrant wiederkehrenden Erfolgs-Sujet dann doch noch die launige Kurve kratzt, ist vor allem dem letzten Song „Negativität“ zu verdanken: „Ich halt’s nicht mehr aus“, singt der Frauenchor und bringt die Misere launig auf den Punkt. (6.5/10) Ph. D.
Annisokay: Enigmatic Smile (SPV)
Ein Shouter, ein Sänger: Metalcore und Post-Hardcore waren Anfang der Nullerjahre die prägenden Stile im hart umkämpften Sektor zwischen Metal, Rock und Punk. Annisokay aus Halle in Sachsen-Anhalt versuchen nun, das todgeglaubte, zwischen Wut und Euphorie changierende Genre mit einer durchaus mit Pop-Elementen versehenen Mischung aus Post-Hardcore, Alternative-Rock und Metalcore-Versatzstücken wiederzubeleben. In den sozialen Netzwerken wird die junge Band seit ihrem Debüt „The Lucid Dream[er]“ (2012) energisch gefeiert, was wohl auch daher rührt, dass die Band neben ihrem eingängigen Screamo-Songs wirklich gute YouTube-Videos produziert. Da stört es auch nicht, dass man es bei aller Liebe zum Genre nicht schafft, wirklich neue, unverkennbare Akzente zu setzen. Die durchwegs jungen Fans dürfte das nicht stören; die Historie ist ohnehin nur was für alte Säcke. (5.4/10) Ph. D.
Kendrick Lamar: To Pimp a Butterfly (Interscope)
Ein Album des Jahres? Nein, des Jahrzehnts! Glaubt man aktuellen US-amerikanischen Blogs und Kritikern, gibt es im Pop eine Zeit vor – und nach „To Pimp a Butterfly“. Das zweite Album des kalifornischen Rap-Wunderkindes Kendrick Lamar hält bei genauerer Betrachtung auch das, was die Spatzen seit Wochen von den Dächern pfeifen. Die 16 Songs des 27-Jährigen changieren nicht nur berauschend zwischen Free Jazz und Funk der 1970er-Jahre, sondern positionieren den „New King Of West Coast“ klar neben Pop-Erneuerern wie Kanye West. „To Pimp a Buttefly“ ist die Musik und Aufarbeitung zu den Tötungen unbewaffneter Schwarzer in den USA, zu den Aufständen in Ferguson, bis zu den "Gang Shoots" in den Problembezirken von Detroit über Chicago nach Los Angeles. Ein Manifest. Eine Auferstehung. Eine Hoffnung. (9.5/10) Ph. D.
Torpus & The Art Directors: The Dawn Chorus (Grand Hotel van Cleef)
Eine Reise ist ja meistens spannend: lange Zugfahrten, abenteuerliche Roadtrips und, ja, da wären dann noch Busreisen. "Torpus & The Art Directors" mit Chef Sönke Torpus waren auch unterwegs. Zumindest hört sich ihr Album so an: nämlich wie die Gedanken, Eindrücke und Empfindungen auf einer Reise mit dem Greyhound-Bus durch die USA. Und dann fährt man wieder nachhause, nach Deutschland und schreibt Lieder über Sehnsüchte, kurze Begegnungen, die Enge, das weite Land und das Nachhause-Wollen und das Nachhause-Kommen. Soweit zur Vorstellung. In der Realität ist das Album zwischen der Nordsee und Hamburg entstanden. Andere Gegend, ähnliches Resultat. Denn hier gibt es wohl auch Busse. Und auch hier gilt die Erkenntnis: Reisen, ja, das ist schön. Aber Busreisen sind halt doch nicht ganz so spannend. (6.0/10) S. W.