Neue Alben: Ian Fisher, Nucleus Mind, Aber der Sound ist gut
Ian Fisher: Koffer (Popup Records)
Ian Fisher ist viel unterwegs; auf der Landkarte und in seinem Kopf. Geographisch von seiner Heimat Missouri über seine Wahlstädte Wien und Berlin bis zu seinen unzähligen Konzerten in Europa und den USA. Gedanklich von Marlene Dietrich über Donald Trump bis zur Frage, ob er nach all dem Unterwegssein irgendwann auch einmal ankommen wird. Nun hat Fisher 11 Songs, die auf dieser Reise in den letzten zehn Jahren entstanden sind auf ein neues Album gepackt. Die Themen sind auf dem langen Weg die gleichen geblieben: Selbsterkundung, Selbstzweifel, Selbstvertrauen - und auf in die nächste Runde. Musikalisch besticht der amerikanische Songwriter immer noch durch seine Mischung aus Country, Pop, Rock und allen Instrumenten, die er gerade bei der Hand hat und ihm gefallen. Am Ende stehen schöne Lieder und Geschichten, denen man allerdings anmerkt, dass sie nicht als Album konzipiert wurden. Aber so ist das eben, wenn man ständig nur mit einem Koffer unterwegs ist und dieser täglich wieder neu gepackt werden muss. "Aber ich will kein Ami sein, ich will kein Deutscher sein. Ich will gar nix sein, außer was ich bin. Aber alles was ich hab' passt in einen Koffer in Berlin". Die Reise geht weiter! (6.6/10)
Releasekonzerte am 25. November im Röda in Steyr und am 26. November im Porgy & Bess in Wien.
Aber der Sound ist gut: Compilation (Siluh Records)
Manchmal muss man sich einfach selbst feiern, obwohl man gar nichts anderes macht als das, was man eh die ganze Zeit macht: Musik, Platten rausbringen, Bands zusammenbringen, Konzerte auf die Beine stellen, ein Bier trinken, schlafen gehen, aufstehen, wiederholen. Siluh Records hat das jetzt mit seinem Sampler "Aber der Sound ist gut" gemacht und 29 heimische Bands auf einer Doppel-LP vereint. Und hat man sich alle brav durchgehört - von den nach 20 Jahren aufgelösten Valina über Voodoo Jürgens bis zu den frisch gegründeten Tents - wird einem wieder klar, warum vor allem Wien in den letzten Jahren ganz nebenbei musikalisch zu einer der spannendsten Städte in Europa geworden ist. Lofi am Montag, Synthi am Dienstag, Wienerlied am Mittwoch, Post-Punk am Donnerstag, Funtrash am Freitag, Zucksaxophone am Samstag und Orchestertöne am Sonntag. Wer wissen will, warum man sich über Wien (und Graz und Linz und...) seit einiger Zeit wieder freuen kann, sollte nicht das Zeit Magazin bemühen, sondern an jedem beliebigen Wochentag den Bands auf "Aber der Sound ist gut" bei dem Zuschauen, was diese eh die ganze Zeit machen: Gute Musik, die bleiben wird, auch wenn die Magazine wieder weitergezogen sind. Ein, sieben, neunundzwanzig Gründe zum Feiern! (8.0/10)
Nucleus Mind: Amygdala (Vienna 2 Day)
Ein Blick auf Wikipedia zum Albumtitel verrät uns: "Die Amygdala ist wesentlich an der Entstehung der Angst beteiligt und spielt allgemein eine wichtige Rolle bei der emotionalen Bewertung und Wiedererkennung von Situationen sowie der Analyse möglicher Gefahren." Angst und Gefahr sind auf dem zweiten Album der Indie-Band aus Niederösterreich tatsächlich überall zu finden. "Fed by doubt and fear" (Soul Creature), "An illusion falling apart" (Lovers of My Mind), "We're feeding death every day" (Catching Fireflies), "You are not happy at all" (Empty Phrases), "My eyes have been blinded" (Time to Change). So düster das alles im ersten Moment klingt, so versöhnt und gut gelaunt kommt man am Ende des Albums aus dem ganzen emotionalen Schlamassel wieder raus. Denn die vier Herren verstehen es, mit wohligem Gesang, hellem Klang und feinem Tempowechsel die Angst und die Gefahr dann doch auf sichere Distanz zu halten. Das ist schön, vor allem wenn die Nächte immer länger werden. (7.0/10)