Neue Alben: Jack White - "Boarding House Reach"
Jack White: Boarding House Reach (XL Recordings)
Nicht nur der nette Typ von nebenan kommt in Sachen Sinn- und Identitätssuche schon zum Verzweifeln. Wo ist mein Platz in der Welt? Sollte ich meinen Achtstundentag vielleicht gegen etwas Sinnvolleres eintauschen? Soll ich wirklich jeden Abend vor Netflix abhängen – und woran kann man sich heute überhaupt noch festhalten? Bei Jack White, 42 Jahre jung und einer der größten Rockstars seiner Generation, scheint die aktuelle Sinnkrise auch in einer veritablen Soundkrise zu enden. Mit der Drummerin Meg hat White Anfang der Nullerjahre nicht nur den Bluesrock revolutioniert, sondern bringt mit der überlebensgroßem White-Stripes-Song „Seven Nation Army“ auch heute noch jeden Fußballfan zum Grölen. Dass man mit so einem „Satisfaction“-mäßigen Überhit nicht nur die Kernzielgruppe erreicht, scheint sich einerseits positiv auf die Geldbörse ausgewirkt zu haben, andererseits aber durchaus für Kopfzerbrechen sorgen.
Mit „Boarding House Reach“ bewegt sich White nun weg von ruppigen Gitarren-Riffmonstern hin zu einem erratischen Soundgeplänkel im Tetris-Baukastenformat: HipHop, Soul und Funk werden da mit Country- und Blues-Einlagen zu einer überbordenden Song- und Soundsammlung zusammengeführt, die es so gar nicht geben dürfte. Ist das noch Rockmusik? Jein. Kling so 2018. Unbedingt. Warum macht White das? Weil er es kann. Jack White erlaubt sich mit „Boarding House Reach“ eine kleine Popfrechheit, die gerade durch die bewusste Provokation funktioniert. Ihr werdet euch noch wundern, was alles möglich ist.
Diese Woche in der unerhört-Playlist:
Pressyes: On The Run Lucy Dacus: Historian Die Nerven: Niemals (Song) KMET: Smiling Eye George FitzGerald: All That Must Be Haley Heynderickx: I Need to Start a Garden Leyya: Sauna (LasVegas Records)