Neue Alben: Julien Baker, Oneohtrix Point Never, Lovecat, Bruce Springsteen
Lovecat: Song for Eternity (Fabrique Records)
Herbst 2015: Die Zeiten sind hart und unfreundlich, die Freiheit in Gefahr und die Musik versucht mal wieder zur retten, was noch zu retten ist. Der Wiener Elektropop-Freigeist David Haering alias Lovecat taucht die aktuelle Stimmung auf seiner Single „Song for Eternity“ (zusammen mit der Sängerin Jill Possible) in ein melancholisches, zwischen Euphorie und Resignation oszillierendes Popgedankenspiel. Auch für eine liebestolle Katze ist die Musik, die Liebe und der Herzschmerz eben nur eine Momentaufnahme im großen Chaos Leben. Wir warten mit Freude auf „The Great Catsbay“ (März 2016). Ph. D.
Oneohtrix Point Never: Garden Of Delete (Warp)
Der „Garden of Delete“ tobt, überrascht, zerstört: es sind dämonische Klänge, die hier in kleine Partikel zerbröselt werden. Der Wahl-Brooklyner Daniel Lopatin alias Oneohtrix Point Never verfremdet mithilfe seines Roland-Juno-60-Synthesizers Soundfetzen zwischen Radiopop, HipHop-Versatzstücken, Gitarrenrock und EDM-Massenware, die er durch Loops und Halleffekte zerstreut und so wunderbar flirrende Klangkunst schafft. Für klassische Songstrukturen ist der 33-jährige Soundtüftler nicht zu haben. Lopatins Garten des Löschens ist eine wunderbare Sounddystopie, die aus industriellen Müll avancierten Pop geniert. (8.4/10) Ph. D.
Julien Baker: Sprained Ankle (6131 Records)
„Julien Baker - New Song @Gutterhaus“ steht simpel und knapp unter einem YouTube-Video, das eine Show der jungen Amerikaner Anfang des Jahres zeigt. Geplauder, Herumstehe, keine 20 Leute im Raum, eine Art Houseparty mit Musik. Am Ende des Songs brüllt Baker ins Mikrofon „I hate me, I hate me, and I love you“ und macht einen Abgang. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war es wohl mucksmäuschenstill auf der Party, und wer sich nicht mit offenen Augen gedacht hat: „What the Fuck!“ sollte für den Rest seines Lebens eigentlich keine Musik mehr hören. Nun hat die Gitarristin und Sängerin („Forrister“) aus Memphis ihr Debüt als Solokünstlerin veröffentlicht. Und auch hier denkt man sich spätestens nach dem zweiten Lied: „What the Fuck!“ Aber auf „Sprained Ankle“ ist kein Brüllen zu hören – ganz im Gegenteil. Baker singt zarte Lieder, die Einsamkeit, Reue, Zuneigung, Distanz, Verlangen und Hoffnung verbinden und umhüllt ihre neun Songs nach Belieben damit. Dazu hält sie es musikalisch simpel. Viel braucht es an Instrumentierung auch nicht. Denn ihre Stimme und Stimmung schubst dich ganz alleine und zärtlich von einem „What the Fuck!“ zum nächsten. (7.5/10) S.W.
Bruce Springsteen: The Ties That Bind: The River Collection (Sony Music)
Das perfekte Weihnachtsgeschenk für Mama Rock und Papa Roll: Am 17. Oktober 1980 veröffentlichte Bruce Springsteen sein Opus magnum „The River“. 35 Jahre später ist jetzt mit „The Ties That Bind: The River Collection“ eine Box erschienen, die einen umfassenden Einblick in die enorme Schaffensphase dieser Zeit gibt. Kein aufgewärmtes Material, kein Schnickschnack, nur Rock’n’Roll. (8.5/10) Ph. D.