Neue Alben: Kadavar, Wolf Alice, Wien Musik 2015, Bon Jovi
Kadavar: Berlin (Nuclear Blast)
Wallendes Haar, eine übergroße Retrobrille und im Spiegelbild das Schild des ehemaligen Westberliner Flughafens Tempelhof. Die Berliner Seventies-Rock-Revivalisten Kadavar haben mit aktuellem Coverbild und Albumtitel ihrer Heimatstadt definitiv ein Denkmal gesetzt. Dabei führt das Trio seine Hörer weit weg von Berlin, hinein in das Tourneeleben zwischen den USA, Australien, Südamerika und Europa. 200 Konzerte hat die Band in den letzten eineinhalb Jahren absolviert. Berlin ist für Kadavar eben Ausgangs- und Endpunkt des Lebens zwischen Dauertour und Plattenveröffentlichung; die Band hat sich in der Stadt an der Spree zusammengefunden und –gerauft. Drei Musiker, zwei Deutsche und ein Franzose, die Musik machen, als wäre sie einer feurigen Rock’n’Roll-Hölle in Arizona, New Mexico oder Südkalifornien entsprungen. Spürbar wird die Wanderlust nicht nur im grandiosen „Thousand Miles Away From Home“, sondern in jedem noch so schnöde hingerotzten Gitarrenriff. Die Songs wurden wie schon bei den beiden Vorgängeralben live und mit eigenem, analogem Equipment eingespielt. Dass die Band im Bonustrack „Reich der Träume“, einer Coverversion des Nico-Klassikers dann auch das erste Mal auf Deutsch singt, darf schon mal als eindringlicher Vorbote für weitere Rockheldentaten gesehen werden. Kadavar steht mit Album Nummer drei definitiv erst am Anfang. (7.8/10) Ph. D.
Wolf Alice: My Love is Cool (Dirty Hit Records)
Vorboten eines Grunge-Revivals, Zugpferd am Weg zwischen Folk und Heaviness, neue Indie-Helden: Die Londoner Band um Sängerin und Gitarristin Ellie Rowsell hat mit ihren EPs in den letzten Jahren für Luftsprünge bei Fans und Kritikern auf der Insel gesorgt. Das hat die vier Mittzwanziger für die Arbeit an ihrem ersten Album zum Glück aber nicht sonderlich beeindruckt. Die 13 Stücke auf "My Love is Cool" sind entspannt und forsch, laut und langsam, in-your-face und schulterzuckend. Es geht ums Erwachsenwerden ohne große Revolte, aber doch mit Hang zum Abenteuer, bisweilen auch Zerstörerischem. Am Ende geht man jedoch zumeist halbwegs friedlich zu Bett. Nicht das schlechteste Leben! (7.2/10) S.W.
Wien Musik 2015: Diverse Interpreten (Monkey)
„Einmal willst du leben in Rom,/einmal willst du nach Berlin,/einmal willst du leben auf Hawaii,/sterben wirst du leider in Wien,/da g'hörst du hin“, singen Wanda und geben mit ihrem Song „Bleib wo du warst“ auch die Stoßrichtung der neuesten Ausgabe der Wien-Musik-Reihe vor. Dass gerade die 2015er-Leistungsschau besonders hervorsticht, ist dann auch keine große Überraschung. Mit dabei sind diesmal: Ernst Molden & Der Nino aus Wien, Worried Man & Worried Boy, 5/8erl in Ehr’n, Wiener Blond, Dorian Concept und ganz viele Lieblingskünstlerinnen mehr. Damit es an der schönen blauen Donau aber nicht zu kitschig wird, hat man sich diesmal noch Verstärkung aus Oberösterreich (Attwenger) und sogar aus Deutschland (Love A) geholt. Das ist nicht nur integrationspolitisch eine gute Idee, sondern bringt auch frischen Wind in die Stadt. Für ein weiteres Popmärchen 2016. (7.0/10) Ph. D.
Bon Jovi: Burning Bridges (Universal)
Alle paar Jahre wieder grüßt die musikalische cash-cow Bon Jovi ihre Fans in Form einer neuen Platte. Am 21. August erscheint mit „Burning Bridges“ das 13. Studioalbum der einstigen Glam-Hair-Rockgrößen der 1980er-Jahre und dabei lässt sich - nicht nur ob der periodischen Erscheinungsweise - eine gewisse Regelmäßigkeit fühlen. Musikalische Überraschungen birgt „Burning Bridges“ keine, dafür aber den seit den Nullerjahren bewährten Mainstream-0815-Radiomix: Ein paar flottere gepaart mit langsameren Nummern sowie der obligatorischen Heavy-Rotation-Single, die dieses Mal „Saturday Night Gave Me Sunday Morning“ heißt. Kleine Ausreißer bilden der Opener „A Teardrop To The Sea“, das mit nicht allzu poppigen, aber dennoch ruhigen und unerwarteten Tönen einen wenig Hoffnung auf Innovation schürt, sowie nach einem darauffolgenden Einheitsbrei in acht Akten die Schlussnummer, der titelgebende Track „Burning Bridges“: Der Song zeigt, wo die früheren Rockgrößen inzwischen tatsächlich gelandet sind: Aalglatten Sing-Klatsch-und-Schunkel-Country-Schlager liefert hier jener Mann aus New Jersey, der einst als „Cowboy on a steel horse“ angeritten kam. Inzwischen ist er wohl endgültig auf einen stinknormalen Haflinger umgestiegen. (4/10)