Neue Alben: Vampire Weekend – "Father of the Bride"

profil unerhört bespricht die wichtigsten Alben der Woche.

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Sechs lange Jahre haben sich die New Yorker Indiepop-Gralshüter Vampire Weekend für ihr viertes Album Zeit gelassen. Nach „Modern Vampires of the City“, dem gefeierten Abschluss ihrer New-York-Trilogie, folgt eine Ewigkeit später „Father of the Bride“ als aberwitziges Album, das durchaus ratlose Gesichter hinterlassen wird. Die Band (heute mehr loses Kollektiv als verschworene Gemeinschaft) um Mastermind und Sänger Ezra Koenig zeigt sich auf den 17 neuen Song zweifellos verzweifelt, was in Sachen Popmusik nur als große Freude empfunden werden kann.

Als Hoffnungsträger der Rockmusik haben Vampire Weekend schon früh den Abstecher Richtung Polyrhythmik und Afrobeat genommen, die neuen Songs finden aber gerade in dieser Uneindeutigkeit zu neuer Dringlichkeit: Zwischen Sound-Samples, Indie-Geschrammel und einander konterkarierenden Songbausteinen wird auf „Father of the Bride“ die eigene Band-Geschichte zwischen Upper-Class-Glückseligkeit, Polo-Hemden und Segelschuhen nicht nur geschickt durch den Hipster-Kakao gezogen, die unerträgliche Leichtigkeit der ersten drei Alben ist einem trotzigen Schwermut gewichen.

Bei dem 35-jährigen Koenig, der seinen Lebensmittelpunkt mittlerweile von New York ins sonnige Los Angeles verlegt hat, klingt die neue Melancholie in der Vorabsingle „Harmony Hall“ dann so: „I don’t wanna live like this / But I dont’t wann die“ – und bringt damit das ganze Gefühlschaos seiner Generation auf den Punkt: Wie soll man am Ende der Zehnerjahre richtig leben, wenn die nächste Krise schon an die Türe klopft?

Vampire Weekend will darauf partout keine Antworten finden, reißt aber viele neue Türen auf – und bleibt dabei immer noch aufgekratzt, überdreht und verträumt.

Vampire Weekend: „Father of the Bride“ (Columbia/Sony)

Diese Woche in der unerhört-Playlist:

Helado Negro: This Is How You Smile Sunn O))): Life Metal Mavi Phoenix: Romantic Mode (Song) Rammstein: Radio (Song) Big Thief: Cattails (Song) MOTSA: Rolling Back (Song) Nicole Jaey: Breeze (Song) Jenny Lewis: Red Bull & Hennessy (Song) Sharon Van Etten: Remind Me Tomorrow Deafheaven: Black Brick (Song) Die Heiterkeit: Was passiert ist Iv/An: Sloboda Kretanja / Umorna Lica

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Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Von 2009 bis 2024 Redakteur bei profil.