Kendrick Lamar und Harry Styles: Mehr als tausend Worte
Die vordergründige Idylle, die das Coverfoto von „Mr. Morale & The Big Steppers“ ausstrahlt, fällt nach den ersten Reimen des US-Rappers Kendrick Lamar in sich zusammen. Denn: Die Familie scheint bedroht – von außen und von innen. Lamar, 34, mit seinem Kind auf dem Arm und einer Dornenkrone auf dem Kopf, blickt schweren Herzens aus dem Fenster, im Hosenbund trägt er eine Waffe. Im Hintergrund stillt seine Freundin Whitney Alford ein Baby, der Putz bröckelt von der Wand.
Man sieht und kann hier auf 18 Songminiaturen hören, wie eine toxische Außenwelt (Rassismus, Trump, Gewaltspiralen, kollektive Traumata) auf die schwarze Familie einwirkt. Die Folge: dysfunktionale Beziehungen („We Cry Together“) und eine Gesellschaft, die bis in die Familien hinein gespalten wirkt („United In Grief“). Fünf Jahre nach dem mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Album „Damn.“ schafft Kendrick Lamar nun eine Selbst- und Gesellschaftskritik, die Fragen eher aufwirft als beantwortet.
Das Artwork von „Harry“s House“, dem dritten Solowerk des ehemaligen britischen Teen-Stars Harry Styles (One Direction), kann man hingegen als Vexierbild verstehen. Während bei Lamar das scheinbar sorgenfreie Popstarleben stets bedroht scheint, steht die Welt des 28-jährigen Posterboys der Generation Z ohnehin seit Jahren Kopf.
Und das ist kein Wunder: Styles ist Modeikone und Schauspieler („Dunkirk“), kümmert sich nicht um Geschlechterrollen und schreibt unerhört gute Popsongs (zu überprüfen am 16. Juli in der Wiener Stadthalle). Während in „Harry‘s House“ zu Beginn noch eine Party gefeiert wird („Music for a Sushi Restaurant“), wendet sich Styles im Lauf der 13 Songs (changierend zwischen Midtempo-Rockballaden mit Julian-Casablancas-Vibes und Auto-Tune-Spielereien) zu einem reflektierenden Twentysomething, der schön langsam übers Häuslichwerden nachdenkt („Love Of My Life“). Die Idylle ist eben das, was man daraus macht.
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