Neue Alben: Wiener Blond, Worried Man & Worried Boy, Esmé Patterson
Wiener Blond: Der Letzte Kaiser (Crowd & Ryben Records)
Es ist ja kein Wunder, dass österreichische Popmusik stets dann am wirkungsmächtigsten erscheint, wenn genau die Themen benannt und besungen werden, ohne die dieses schwierige bis liebenswerte rot-weiß-rote Soziotop nicht überlebensfähig scheint. Das wunderbare Dialekt-Duo Wiener Blond macht sich folgerichtig die Finger lieber gleich auf ihrem Debütalbum so richtig schmutzig: Verena Doublier und Sebastian Radon besingen mit sympathischer Verve nicht nur die tiefschwarzen Abgründe der Wiener Seele, singen über „Eierspeis“ und „Saturday Night 2010“, sondern arbeiten sich mit allen erdenklichen Mitteln (Gitarren-Loops, Discobeats und Beatbox) am Wienerlied ab. Ein Kleinod österreichischer Alltags- und Lebensaufarbeitung. (7.8/10) Ph. D.
Worried Man & Worried Boy: Worried Man & Worried Boy (Seayou Records)
Kurz nachgedacht: Wie viele erfolgreiche Musikerfamilien kennt man eigentlich so? Gut, die Kelly Family. Und weiter? Mhh, wüßte ich jetzt nicht. "Wilfried", meint der Kollege. Stimmt - so halb. Sohn Hanibal, Kontrabassist bei 5/8erl in Ehr'n, hat die letzte Platte vom Papa produziert. Die Ivanschitz'! Der Ex-ÖFB-Teamkapitän spielt angeblich immer wieder mal im kleinen Rahmen mit seiner Familie im Burgenland. Damit verdient er jedoch kein Geld. Aus dem Burgenland kommen aber auch Herbert Janata und Sebastian Janata, Vater und Sohn. Der eine, der Vater, Jahrzehnte lang als Austropop-Pionier bei der Worried Men Skiffle Group, der andere, der Sohn, mischt seit Jahren mit Ja, Panik die deutschsprachige Indie-Welt durcheinander. Und jetzt machen sie gemeinsam Musik - als Worried Man & Worried Boy. Der Papa singt, der Sohn "begleitet". Das macht Freude, lenkt ab und lässt schmunzeln - auch wenn zwölf Lieder hintereinander schon eine gewisse Aufmerksamkeits-Herausforderung darstellen. Also: Wenn das nächste Mal jemand nach Musikerfamilien fragt, sollten diese beiden Herren ganz weit oben genannt werden. (7/10) S. W
Release-Show am 17. März in der Kulisse in Wien.
Esmé Patterson: Woman to Woman (Xtra Mile Recordings)
Grandiose Idee, grandios umgesetzt. Mit dieser Stimme aber jetzt auch nicht so überraschend - muss man schon sagen. Die amerikanische Folk-Sängerin Esmé Patterson hat sich mit Frauen beschäftigt, fiktiven Frauen, Frauen, von denen jeder Musikfreund und jede Musikliebhaberin wahrscheinlich schon einmal gehört hat. Wie fühlte sich eigentlich Billy Jean in Michael Jacksons Song aus dem Jahr 1982, als dieser ihren vermeintlich gemeinsamen Sohn nicht anerkannte? Wie war die Affäre für Irene aus "Lead Bellys" Lied "Goodnight, Irene" aus ihrer Sicht? Und war Eleanor Rigby wirklich so einsam, wie sie von den Beatles 1966 besungen wurde? Esmé Patterson hat darüber nachgedacht und die anderen Seiten der Geschichten erzählt - wütend, humorvoll und graziös. (8/10) S.W.