Die gut 1000 Seiten der beiden Bände mit dem Titel „Ein Neuanfang“ bilden gemeinsam mit den Publikationen „Die Rückkehr“, „Transformationen der Zedaka“ und „,Eine Krone mit verschiedenen Verzierungen samt Glöckl und Steinen‘“ so etwas wie das Fundament der 2020 von Ariel Muzicant (zwischen 1998 und 2012 selbst Präsident der IKG) gegründeten Buchreihe „Judaica Forschung GmbH“. Der jüdischen Stadtgeschichte begegnet der Buchreigen mit größtmöglicher Offenheit und Neugier: Die Autorin Schulamit Meixner widmet sich in „Die Rückkehr“ dem Wiederaufbau jüdischer Bildung und Erziehung seit 1945; die Judaistin Esther Jelinek untersucht in „Transformationen der Zedaka“ die (historischen) Bereiche Wohlfahrt und Armenfürsorge. Schließlich „,Eine Krone mit verschiedenen Verzierungen‘“, ein vom Autorinnenduo Felicitas Heimann-Jelinek und Daniela Schmid zusammengestellter Überblick zu den heimischen Judaica-Sammlungen. Zusätzliche Bände über Themen wie jüdische Persönlichkeiten und jüdischer Film sind angedacht.
Fastenbauer beschreibt in „Ein Neuanfang“ die nach Kriegsende gegründete IKG als Einrichtung eines zerstörten Erbes, als eine von internen wie von außen herangetragenen Konflikten erschütterte Überlebensgemeinschaft – siehe den Kampf gegen den bis heute grassierenden Antisemitismus; den plumpen Judenhass der „Kronen Zeitung“ (Richard „Staberl“ Nimmerrichter in seiner „Krone“-Kolumne, Mai 1992: „Nur verhältnismäßig wenige der jüdischen Opfer sind vergast worden“); die bis dato fortdauernden rechtsextremen „Einzelfälle“ der FPÖ.
Wichtiger Anfang
Eingetrübt wird die ohnehin nicht leichte Lektüre, insbesondere von „Ein Neuanfang“, allerdings nicht allein durch die inflationäre Nennung akademischer Titel und Grade. Eine weitgehend von Interpunktionsregeln losgelöste Beistrichsetzung und eine Vielzahl inhaltlicher Fehler und Ungenauigkeiten treten auf, was bei einer durch unabhängige Wissenschafter geprüften Arbeit („peer-reviewed“) mehr als erstaunlich ist. Es wirkt gerade so, als habe sich der Verlag das Lektorat gespart: Wiens ehemaliger Bürgermeister erscheint abwechselnd als „Helmuth“ (falsch) und „Helmut“ (korrekt) Zilk; der Direktor des Jüdischen Museum Hohenems heißt Hanno Loewy (nicht „Löwy“); Ex-SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky sei für seine berühmte Rede von 1991,
in der er die Mitverantwortung Österreichs für die Naziverbrechen eingestand, unter anderem von Hugo
Portisch und Friedrich Heer beraten worden; der Kulturhistoriker Heer war aber bereits 1983 gestorben. Ein wichtiger Anfang ist gemacht. Eine durchgesehene zweite Auflage wäre wünschenswert.